Der Angriff der Hamas scheint von langer Hand geplant gewesen zu sein. „Wir haben uns geirrt“, räumen die israelischen Streitkräfte ein.
„Das ist unser 11. September“Raketen, Gleitschirme, Geiselnahmen – Wie Israel von der Hamas überrascht wurde
Zwei Tage nach Beginn des Angriffs der Hamas auf Israel wird immer deutlicher, wie die palästinensische Terrorgruppe ihre Überraschungsattacke durchgeführt hat. „Das ist unser 11. September“ erklärte Major Nir Dinar, Sprecher der israelischen Streitkräfte. Die Hamas habe Israel mit dem Angriff überrascht, räumte der Armeesprecher ein. „Sie überraschten uns und kamen schnell von vielen Orten – sowohl aus der Luft als auch vom Boden und vom Meer.“
Die Hamas habe den Eindruck erweckt, für einen Angriff auf Israel nicht in der Lage zu sein. „Wir haben uns geirrt“, zitierte Reuters einen weiteren israelischen Armeesprecher. Während die Hamas im Hintergrund bereits den Angriff geübt habe, hätte man auf israelischer Seite die Motive nicht erkannt, auch weil die Hamas über zwei Jahre hinweg auf größere militärische Aktionen verzichtet habe.
Israelische Streifkräfte von Hamas-Angriff überrascht: „Wir haben uns geirrt“
Dennoch seien Angriffe auf Siedlungen nahe der Grenze ohne großes Versteckspiel in Gaza geübt worden, berichtete Reuters. „Israel hat das sicherlich gesehen, aber sie waren überzeugt, dass die Hamas kein Interesse an einer Konfrontation hat“, zitierte die Nachrichtenagentur eine Quelle, die der palästinensischen Terrorgruppe nahestehen soll.
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So entfaltete sich der größte Angriff auf Israel seit 1973 mit hunderten Todesopfern am Samstagmorgen zunächst ohne große Gegenwehr. Der erste Schritt der Hamas war demnach ein großflächiger Raketenbeschuss. Bis zu 3000 Geschosse sollen am frühen Samstagmorgen in Richtung laut Angaben der Hamas auf Israel abgefeuert worden sein. Die israelischen Streitkräfte sprechen von rund 2.500 Raketen.
Hamas-Terroristen überqueren Grenze nach Israel – und nutzen dabei Gleitschirme
Gleichzeitig überquerten Hamas-Terroristen an vielen Stellen die Grenze nach Israel – und nutzten dafür auch Gleitschirme, wie vom US-Sender CNN analysierte Videos belegen. Die per Luftweg eingeschleusten Kämpfer infiltrierten übereinstimmenden Berichten zufolge dann israelische Stellungen an der Grenze – und ermöglichten den Grenzübertritt weiterer Hamas-Kämpfer.
Die palästinensischen Terror-Truppen rückten demnach mit Motorrädern nach Israel vor. Bulldozer vergrößerten unterdessen die Löcher in Grenzzäunen, so schildern es Augenzeugen. Parallel habe eine Hamas-Spezialeinheit den Kommandoposten der israelischen Armee im südlichen Gazastreifen angegriffen – und dabei gezielt die Kommunikation der Streitkräfte gestört, berichtet Reuters.
Mindestens 260 Tote bei Angriff auf Musikfestival in Israel
Schließlich seien die ersten Angriffe auf israelische Siedlungen in Grenznähe gefolgt – und auch auf ein Musikfestival, das in unmittelbarer Nähe zum Gazastreifen stattgefunden hatte. Die Hamas-Terroristen nahmen bei diesen Angriffen zahlreiche israelische Geiseln und ermordeten willkürlich Zivilisten. Auch eine 22-jährige Deutsche soll bei dem Angriff auf das Musikfestival verschleppt worden sein.
Videoaufnahmen in den sozialen Netzwerken zeigen den leblosen Körper von Shani Louk auf einem Pickup-Truck, umringt von feiernden Kämpfern der Hamas. Ob die 22-Jährige noch lebt, bleibt zunächst unklar. Israelische Behörden berichteten am späten Sonntagabend von mindestens 260 toten Festivalbesuchern. Das Auswärtige Amt kommentierte den Fall bislang nicht.
Angriffe auf Kibbuze in Israel: „Wir konnten sie reden hören“
Gleichzeitig rückten Hamas-Terroristen übereinstimmenden Berichten zufolge auch in ländliche Siedlungen in Israel, sogenannte Kibbuze, vor. Gerade im Grenzgebiet zum Gaza-Streifen sind israelische Bewohner dieser Siedlungen regelmäßigen Raketenbeschuss gewohnt. So glaubten am Samstagmorgen viele Israelis offenbar an einen „normalen Luftangriff“ – und suchten die Schutzräume in ihren Siedlungen oder Häusern auf. Erst dann habe man realisiert, dass es sich um einen größeren Angriff der Hamas handele, erklärte Amir Tibon, Bewohner des Kibbuz Nahal Oz, gegenüber der „New York Times“.
„Mitten in unserem Kibbuz waren Terroristen, in unserer Nachbarschaft und schließlich sogar direkt draußen vor unserem Fenster“, schilderte der 35-Jährige den Angriff der Hamas. „Wir konnten sie reden hören, wir konnten sie laufen hören, wir konnten hören, wie sie auf unser Haus und unsere Fenster geschossen haben“, fügte Tibon an.
Israelis verbarrikadieren sich in „Safe Rooms“ nach Hamas-Angriff
In Whatsappgruppen hätten sich die Bewohner des Dorfes sich über den Angriff ausgetauscht. Viele hätten geschildert, dass Hamas-Terroristen versuchten, ihre „Safe Rooms“ zu knacken, speziell gegen Angriffe abgesicherte Räume, die viele Israelis in ihren Häusern haben. Dann sei das Mobilfunknetz zusammengebrochen, beschreibt Tibon. Erst Stunden später sei die Erlösung für die Menschen im Schutzraum gekommen. „Es klopfte laut an der Tür, dann haben wir meinen Vater sagen hören: ‚Ich bin da.‘“
Auch die Analyse des US-Senders CNN deutet darauf hin, dass die Hamas an mehreren Orten gleichzeitig die israelische Grenze und Siedlungen in unmittelbarer Nähe angegriffen hat. Demnach zeigen Propaganda-Videos der Terrororganisation Angriffe auf die Orte Be’eri, Zikim, Nahal Oz und Sufa.
Hauptgrenzübergang zwischen Gazastreifen und Israel überrannt
Auch der Hauptgrenzübergang zwischen dem Gazastreifen und Israel in Erez ist demnach von Hamas-Truppen am Samstag überrannt worden. Videos zeigen, wie die palästinensischen Kämpfer den Grenzposten stürmen – und auch dort Geiseln nehmen.
Nach Angaben der israelischen Regierung verschleppte die Hamas seit Beginn des Angriffs mindestens hundert Menschen. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Sonntag, es sei davon auszugehen, dass Menschen, die neben der deutschen auch die israelische Staatsangehörigkeit haben, unter den Entführten seien.
Israel reagiert mit Bombardements hunderter Ziele im Gazastreifen
Bei dem schwersten Angriff auf Israel seit dem Jom-Kippur-Krieg vor 50 Jahren wurden auf israelischer Seite nach vorläufigen Angaben seit Samstagmorgen mehr als 700 Menschen getötet und mehr als 2100 weitere verletzt. Israel reagierte mit Bombardements hunderter Ziele im Gazastreifen. Dort gab es nach Angaben der örtlichen Behörden bislang 413 Tote und 2300 Verletzte.
Am Montag hieß es zunächst, die Streitkräfte hätten die Kontrolle über alle israelischen Gebiete zurückerlangt. Außerdem kündigte Israel die komplette Abriegelung des Gazastreifens an. „Es wird keinen Strom, keine Lebensmittel und keinen Treibstoff geben“, erklärte Verteidigungsminister Joav Galant. Man habe es mit Barbaren zu tun und werde dementsprechend handeln.