Juli Zeh hat mit dem Kanzler in Potsdam diskutiert. Trotz freundlicher Atmosphäre kommentierte sie den Politikstil des Kanzlers scharf.
Bestseller-AutorinJuli Zeh wirft Olaf Scholz „Kita-Sprech“ und schlechte Kommunikation vor
Am Vorabend der Generaldebatte im Bundestag über den Kanzleretat, bei dem ein harter Schlagabtausch zwischen Ampel-Regierung und Opposition erwartet wird, stellte sich Olaf Scholz (SPD) in seinem Brandenburger Wahlkreis Bürgerfragen. Das Gespräch mit der Bestseller-Autorin Juli Zeh fand am Dienstagabend (30. Januar) im Potsdamer Nikolaisaal statt und hatte den Titel „In Zeiten des Umbruchs“.
Viele Menschen in Deutschland sind der Meinung, dass der Bundeskanzler sich zu wenig um die Umbrüche kümmert oder zumindest schlecht das Konzept der Politik kommuniziert. Scholz’ Umfragewerte sind am Boden, und bei öffentlichen Auftritten hagelt es Pfiffe. Sogar bei der Eröffnung der Handball-EM in Düsseldorf musste sich der Kanzler die Missstimmung anhören.
Olaf Scholz findet Stärke der AfD „furchtbar“
In Potsdam versuchte Scholz in ruhiger Atmosphäre vor 700 Menschen im Publikum, seine Politik zu erklären. Den Eindruck, er verstecke sich teilweise vor der Öffentlichkeit, wollte er ausräumen. Er führe tolle Gespräche, lade auch oft zu Bürgerdialogen ein, betonte Scholz. Überhaupt: Er sei ein „Bürgerpolitiker“. Dies gelte auch angesichts der Bedrohung, die die AfD darstelle. Unzufriedene Bürgerinnen und Bürger müsse man erreichen und nicht abstempeln oder von oben herab behandeln.
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Scholz bekannte, wie „furchtbar“ er die Stärke der AfD finde und die Berichte über das Treffen radikaler Rechter mit einigen AfD-Politikern in Potsdam. Auf die Frage einer jungen Frau betonte Scholz ernst und feierlich, er werde niemals zulassen, dass Menschen mit Migrationshintergrund aus dem Land gedrängt werden.
Juli Zeh kritisiert Olaf Scholz’ Kommunikationsstil
Allerdings musste sich Scholz sehr kritische Kommentaren von Juli Zeh stellen. Zunächst betont die Autorin, sie beneide Scholz nicht um dessen „beschissenen Job“. Dann setzt sie jedoch zu einer Generalkritik am Kanzler und dessen Kommunikationsstil an. Scholz’ Sprache und die vieler anderer Politiker sei von einem infantilen „Kita-Sprech“ geprägt. Auf „Doppelwumms“, das er bei Einführung der Energiepreisbremse verwendete, sei er allerdings stolz, so Scholz.
Für Zeh ist dies aber nur ein Beispiel, ihr geht es offenbar um mehr. Wenn Scholz sage, er wolle sich um dieses und jenes kümmern, er wolle Leute abholen, dann fühlten sich viele Menschen bevormundet. Gerade die Bewohner auf dem Land kämen sich wie „Empfänger, Konsumenten, manchmal auch Opfer“ der Politik vor, meint Zeh. Die Bürger wollen aber nicht wie „verlorene Kinder“ behandeln werden, „die von der Kita nicht allein nach Hause“ finden.
Scholz wirkt nachdenklich angesichts dieser Kritik und nimmt sie teilweise an. Einige Male seien die Misstöne bei seinen Auftritten allerdings auch von den Medien aufgebauscht worden, meint er. Er spricht sogar von medialen „Verfälschungen“.
Mit seinen Äußerungen wolle er generell „Zuversicht“ verbreiten, erklärt er seine bisweilen einfache Sprache, die von Zeh aber wohl eher als unter komplex bewertet wird. Auch in Potsdam fällt der Begriff „Zuversicht“ häufig – besonders, wenn Scholz auf die Erfolge seiner Regierung wie die Stabilisierung der Wirtschaft oder die Anpassungen im sozialen Bereich verweist. (cme, mit dpa)