Jung, weiblich, talentiertGrünes Duo will NRW regieren
Düsseldorf – Die Raststätte der Zukunft steht am Autobahnkreuz Hilden. Dort gibt es keinen Motorenlärm - an den Zapfsäulen werden Elektroautos aufgeladen. Die Fahrer trinken derweil einen Bio-Kaffee im Öko-Bistro der E-Tankstelle. Verena Schäffer und Josefine Paul sind beeindruckt von der neuen Anlage. Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Düsseldorfer Landtag nutzen die Ferienzeit, um sich über Zukunftsprojekte zu informieren. Die Sommertour „Aufbruch NRW“ hat das Spitzenduo zu dem Vorzeigeprojekt des Hildener Unternehmers Roland Schüren geführt. „Wer Wandel gestalten will, muss mit den handelnden Akteuren sprechen“, sagt Verena Schäffer. Die beiden Politikerinnen gehören zu den Top-Hoffnungsträgerinnen der NRW-Grünen.
Bislang dürften Schäffer und Paul vielen Menschen in NRW noch unbekannt sein. Das soll sich ändern, wenn es in den Landtagswahlkampf 2022 geht. „Wir haben als Grüne den Anspruch, Regierungsverantwortung zu übernehmen“, sagt Josefine Paul. „Wir Grünen machen klare und konkrete Vorschläge, wie der sozial-ökologische Aufbruch in NRW gestaltet werden kann.“
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Jung, talentiert, weiblich, grün: Schäffer und Paul hatten die Führung der Fraktion im Oktober 2020 übernommen. Ein Coup, der ihre Ambitionen unterstrichen hat. „Jetzt müssen sie liefern“, hört man auf den Landtagsfluren. Schäffer ist 35, Paul 39 Jahre alt. Beide sitzen aber schon seit 2010 im Landtag, sind also „alte Hasen“. Schäffer kümmert sich hauptsächlich um Innere Sicherheit. Pauls Kernthemen sind Sport-, Familien- und Gleichstellungspolitik. „An der Fraktionsspitze müssen wir jetzt aber Allrounder sein“, sagt Paul. „Es macht Spaß, sich in die neue Rolle einzuarbeiten.“
„Betreuung ist auf Kante genäht"
Verena Schäffer hatte am Vortag einen Sommertour-Termin kurzfristig abgesagt. Die Wuppertaler Stadtwerke hatten ihr Projekt für wasserstoffangetriebene Busse vorgestellt. Schäffer ist Mutter von zwei kleinen Kindern, ihr Sohn war krank geworden. „Es ist oft nicht leicht, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen“, sagt Schäffer. „Aber als Politikerinnen und Politiker müssen wir auch Vorbild sein. Wir müssen zeigen, dass beides geht. Wir brauchen Personen in Führungsverantwortung, die wissen, wovon sie reden, wenn es um die Situation junger Familien geht.“
Schäffer hat Glück, von den Großeltern unterstützt zu werden. Auch ihr Mann, der an der Uni in Maastricht arbeitet, kümmert sich viel um die Kinder. „Aber die Planung ist auf Kante genäht. Passiert etwas Unvorhergesehenes, bricht alles zusammen. Das ist bei uns nicht anders als bei anderen Familien auch.“
Paul hat bei Saxonia Münster Fußball gespielt
Als Paul in den Landtag einzog, sorgte ihr unkonventioneller, sportlicher Auftritt für Beachtung. Das rhetorische Talent der gebürtigen Niedersächsin wurde schnell über die Fraktionsgrenzen hinweg anerkannt. Die Historikerin lebt in einer Bezieung mit der ebenfalls Grünen Justizministerin von Sachsen, Katja Meier. Paul gilt als angriffslustig, kann in Reden der politischen Gegner hineingrätschen.
Früher hat sie bei Tus Saxonia Münster Fußball gespielt. Angeblich hat sie dabei aber nur selten eine gelbe Karte bekommen. Für ihren Beruf gelernt hat sie damals viel. „Im Fußball ist das Team wichtiger als der Einzelne. Das sollte auch in der Politik gelten.“
Zwei grüne Hoffnungsträger. Wenn es um die Spitzenkandidatur geht, kann es aber nur eine geben. Im Jahr 2010, als die Grünen in NRW zuletzt in eine Regierung eintraten, war die damalige Fraktionschefin Sylvia Löhrmann zur unangefochtenen Frontfrau gekürt worden. Damals gab es allerdings in der Fraktion auch noch keine Doppelspitze. Das ist aber nicht der einzige Grund dafür, dass die Frage nach der Nummer eins nicht so einfach zu beantworten ist.
Spitzenkandidatur ist attraktiv wie nie
Schließlich ist die Rolle der Spitzenkandidatin der Öko-Partei angesichts der aktuellen Umfragewerte so attraktiv wie nie zuvor. Gelänge es den Grünen, die CDU zu überholen, würde der Stuhl der Ministerpräsidentin winken. Aber selbst wenn die Grünen hinter der CDU liegen, könnte immerhin der Job der Vize-Ministerpräsidentin zu vergeben sein.
Es geht also um viel. Die Grünen wollen daher den Ausgang der Bundestagswahl abwarten, ehe bei einem Landesparteitag die Plätze für die Landesliste vergeben werden. Sollte es in Berlin erneut nicht zu einer Regierungsbeteiligung der Grünen kommen, könnte die Landespolitik zu einer neuen Perspektive für Hochkaräter im Bund werden. Zum Beispiel für Britta Haßelmann, die parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion aus Bielefeld. Oder für Irene Mihalic, die Innen-Expertin aus Gelsenkirchen. Auch die langjährige Parteichefin der NRW-Grünen, Mona Neubaur, traut sich die Spitzenkandidatur zu. Sie hat ihren Schwerpunkt auf die Wirtschaftspolitik gelegt.
Schäffer und Paul lassen sich einstweilen nicht in die Karten blicken. Beide schließen eine Spitzenkandidatur nicht aus. „Wer die Fraktion führt, muss in der Lage sein, die Partei in den Wahlkampf führen zu können“, sagt Schäffer, und Paul nickt. „Wir werden das gemeinsam mit Partei und Fraktion vertrauensvoll und in Ruhe besprechen. Wir haben insgesamt ein gutes Führungsteam in Partei und Fraktion und werden nach der Bundestagswahl ein gutes Personalangebot machen.“