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Kommentar

Keine Zeit mehr für Kulturkampf
Wir brauchen den „Klimawumms“ – jetzt, nicht irgendwann

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Lesezeit 3 Minuten
Ein Löschflugzeug versprüht Wasser, um einen Waldbrand auf der kroatischen Insel Ciovo zu löschen. Südeuropa kämpft mit einer Hitzewelle. Der Juli war der heißeste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen.

Ein Löschflugzeug versprüht Wasser, um einen Waldbrand auf der kroatischen Insel Ciovo zu löschen. Südeuropa kämpft mit einer Hitzewelle. Der Juli war der heißeste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen.

Statt „Klimawumms“ gab es bisher vor allem laute Kritik an der „Letzten Generation“. Das wird die tödliche Klimakrise sicher nicht aufhalten.

Hitze, Waldbrände, Unwetter, Stromausfälle, Meere warm wie Whirlpools – die Liste dystopischer Klima-Meldungen ist in diesen Tagen lang. In Zukunft dürfte es nicht besser werden: Tödliche Hitzewellen, wie sie derzeit in Südeuropa, den USA und China vorkommen, sind durch den vom Menschen gemachten Klimawandel deutlich wahrscheinlicher geworden, sagen Wissenschaftler.

Alle fünf, zehn oder 15 Jahre drohen laut einer neuen Studie in Zukunft glühend heiße Sommer. Sollten die weltweiten Emissionen weiter steigen, dürften auch diese Prognosen schnell ungültig werden – und durch noch düsterere ersetzt werden müssen.

Extreme Hitzewellen sind „keine Seltenheit“ mehr – und sie töten Menschen

Dass es in Deutschland derzeit ungewöhnlich kalt ist, ist kein Grund, nicht ganz genau hinzuschauen. Auch hier kann sich die Lage schnell ändern – im Frühsommer gab es eine kleine Kostprobe dessen, was Südeuropa gerade durchmacht, auch hierzulande schon. Und bei der Flut vor zwei Jahren merkte man auch in unserer Region die Auswirkungen des Klimawandels.

Diese Extreme zerstören die Lebensgrundlage der Schwächsten
Friederike Otto, Klimatologin

Die aktuellen Hitzewellen seien „keine Seltenheit mehr“, erklärt nun auch die deutsche Klimatologin Friederike Otto. „Diese Extreme töten Menschen und zerstören insbesondere die Lebensgrundlage der Schwächsten“, warnt sie. Sollten die Emissionen nicht zügig gesenkt werden, „werden weiterhin jedes Jahr Zehntausende Menschen an hitzebedingten Ursachen sterben“, erklärte die Klimatologin.

Und doch scheint die Weltpolitik weiterhin mit vielem, aber nicht mit radikalen Klimaschutzmaßnahmen beschäftigt zu sein.

Hitzeschutzpläne und Wärmepumpen: Notwendigkeiten sorgen für Empörung

Vom Hitzeschutzplan des Gesundheitsministeriums fühlte sich mancher in Deutschland „entmündigt“, andere werden bei der bloßen Erwähnung des Worts „Wärmepumpe“ nervös. Wenn Notwendigkeiten für so heftige Reaktionen sorgen, grenzt das geradezu an Fahrlässigkeit gegenüber kommenden Generationen.

„Politiker behaupten oft, dass ihnen normale und arme Menschen am Herzen liegen“, sagt Klimatologin Otto. Aber: „Wenn wir die Menschen wertschätzen, ist es ziemlich offensichtlich, was wir tun müssen.“ Nie seien „stärkere Beweise“ für eine wissenschaftliche Frage vorgelegt worden. Was zu tun ist, ist also bekannt – es müsste nur eben auch langsam mal jemand etwas tun.

Wo bleibt eigentlich der „Klimawumms“ des Kanzlers?

In Deutschland verliert sich die Politik jedoch eher in kleinteiligen Graben- und Kulturkämpfen. Der Kanzler kritisiert die Aktivisten und Aktivistinnen der „Letzten Generation“ bisweilen heftig, von seinem im Wahlkampf angekündigten „Klimawumms“ ist bisher sehr wenig zu spüren. Auch die Opposition – ob Linke oder CDU – ist vor allem mit sich selbst beschäftigt. Dabei ist es zwei vor Zwölf – wer das immer noch nicht gemerkt hat, merkt es wohl erst, wenn es bereits zu spät ist.

Der nächste UN-Klimagipfel im November muss endlich echte Fortschritte erzielen, fordert die Wissenschaft. Noch sei Zeit, eine „sichere und gesunde Zukunft“ zu sichern, sagt Klimatologin Otto. Dafür sei jedoch der komplette Ausstieg aus fossilen Brennstoffen notwendig – und zwar jetzt, nicht irgendwann.