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Kommentar

Kölner Schauspielerin Renan Demirkan
„AfD-Wählern ist die Welt zu kompliziert geworden“

Lesezeit 5 Minuten
Renan Demirkan

Renan Demirkan

Der Kölner Schauspielerin und Autorin Renan Demirkan machen die Erfolge von Rechtsextremisten Angst.

Die sogenannte „Alternative für Deutschland“ hat derzeit einen Zuspruch von bundesweit 20 Prozent. Alternativ ist diese Partei aber nur in einem: in der Abkehr von der Demokratie. Auf dem Parteitag in Magdeburg war offensichtlich, wie sehr das ausgrenzende Prinzip und die hermetische Propaganda die Fundamente unserer Demokratie untergraben. „Verfassungsfeindliche Strömungen“ seien dort zutage getreten und Politiker mit „Positionen, die nicht mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar sind“. Das ist das Fazit von Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang.

Mir war und ist es unverständlich, wie Medien und Parteien die Zustimmung zu rechtsextremer Propaganda mit dem Argument verharmlosen, dass doch nicht alle, die Rechts wählen, selbst auch recht seien. Wer rechts wählt, macht das ganz bewusst. Jede Wählerin, jeder Wähler hat vorher nachgedacht, mit anderen debattiert und sich dann entschieden: dass sie oder er lieber von Menschen vertreten werden möchte, die keine Ausländer ins Land lassen und das Kopftuch aus der deutschen Öffentlichkeit eliminieren wollen - wie auch Moscheen und Imame! Dass es keine Menschen gemachte Klimakatastrophe gibt. Und dass Spitzenvertreter unseres Staates an den Galgen gehören.

Warum versagt die Vernunft, warum versagen die Prinzipien der Aufklärung?
Renan Demirkan

Die rechten Wählerinnen und Wähler glauben tatsächlich, dass es ihnen besser ergehen würde mit Ausgrenzung und dem Rückzug in Nationalstaatlichkeit. Ihnen ist die Welt zu kompliziert geworden. Sie glauben den sogenannten Patrioten, dass sie sich endlich trauen, all das „laut zu sagen“, was die angeblichen „Vaterlandsverräter“- eine Diffamierung von Politikern anderer Parteien im Bundestag - uns seit Jahren verschwiegen. Nämlich die von den völkischen Hetzern beschworene Dystopie, dass sich „Deutschland abschafft“, dass der „Bevölkerungsaustausch“ bereits stattgefunden habe - oder neuerdings, dass der „Osten eine Erfindung des Westens“ sei!

Wer zur Wahl geht und sein Kreuz bei der „AfD“ macht, weiß das alles – und wählt ganz bewusst die einfache Lösung! So war es bei Viktor Orban in Ungarn, bei Donald Trump in den USA, bei Giorgia Meloni in Italien oder bei der Wahl des „Schwedendemokraten“ Jimmie Akesson. Alle Rechtspopulisten und Rechtsextremen haben mit einer aufgerüsteten, faschistisch codierten Sprache Wahlen gewonnen, weil die dystopischen Umvolkungs- und Untergangsverschwörungen vielen Menschen ohne Perspektive tatsächlich Angst machen. Aber warum versagt hier die Vernunft, warum versagen die Prinzipien der Aufklärung?

Die Metapher von einer „Wahl zwischen Pest und Cholera“ hat mich schockiert.
Renan Demirkan

Nach der Wahl des ersten „AfD“-Landrats im thüringischen Sonneberg sagte ein Passant: „Das war eine Wahl zwischen Pest und Cholera.“ Diese Metapher hat mich schockiert. Immerhin ist die Thüringer „AfD“ gesichert rechtsextrem und verfassungsfeindlich – und ihr Anführer ein Faschist und Rassist. Wie kommt es, dass neben dieser „Pest“ die politischen Mitbewerber nur als eine andere Seuche wahrgenommen werden?

Die Demokratie ist das einzige politische System, das Mitsprache ausdrücklich einfordert. Mehr noch: Sie braucht das Mitgestalten der Gemeinschaft im Diskurs. Warum werden ihre Freiheiten zum Krankheitsbild erklärt? Weil Hass und Hetze das Vertrauen in die Demokratie und den Rückhalt schwächen.

Die Wahl von Hetzern und Rassisten macht die Wählerinnen und Wähler zu Komplizen von Menschenverächtern.
Renan Demirkan

Dass und wie schnell Hetze auch scheinbar gefestigte Demokratien erschüttern kann, hat Trumps Wahl 2017 gezeigt. Was in den USA geschehen ist, passiert weiter. Und es kann auch bei uns passieren. Deswegen kommt es darauf an, zu zeigen: Hetzer zu wählen, ist kein Protest. Die Wahl von Hetzern und Rassisten macht die Wählerinnen und Wähler zu Komplizen von Menschenverächtern. Hetze ist keine Meinung, keine Alternative zu irgendetwas. Hetze ist Willkür und Gewalt – im Gewand einer vereinfachenden, skrupellosen, diffamierenden Sprache.

Heute trifft sie Muslime oder Queere, morgen vielleicht Frauen, dann die Kunst, jeden freien Geist und am Ende jeden x-Beliebigen, der oder die nicht ins Weltbild der Hetzer passt. Hetze ist die mephistophelische Kehrseite der Vernunft. Sie stammt – frei nach Goethe – vom Bösen, das vernichten will: die Freiheit und alle humanistischen Werte. Der Angriff auf die freiheitliche, plurale Demokratie beginnt immer mit verbaler Gewalt, mit dem Schüren von Angst und Verunsicherung. Das Ende sind der Ausbruch von Hass und physische Zerstörung.

Wir müssen aufstehen - jetzt, bevor es zu spät ist!
Renan Demirkan

Dagegen müssen wir aufstehen – jetzt, bevor es zu spät ist! Lasst uns 1000 Ideen sammeln gegen Hass und Hetze! 1000 Ideen für ein selbstbestimmtes Ich, ein respektvolles Wir in einer freien Gesellschaft!

Wir vom Verein „Checkpoint: Demokratie!“ haben erste Vorschläge veröffentlicht. Die Professorin für Mikrosoziologie Kerstin Jürgens plädiert für die gerechte Balance im Einkommen. Der Architekt Van Bo le Menzel schlägt eine Akademie der Grundrechte vor. Der „dm“-Gründer Götz Werner entwickelt Ideen zur Neuordnung von Arbeit und Einkommen und zur Anpassung der Finanzwirtschaft an die Realwirtschaft. Die Schriftstellerin Tanja Dückers und ihr Kollege Gert Heidenreich skizzieren eine grundsätzliche Reform des Bildungswesens.

Eine eigene Idee habe ich – zu sehen auf Youtube - filmisch festgehalten: Räume für Träume – Impulse für eine Schule der Empathie, des Respekts und der Selbstbestimmung. Die freiheitliche, soziale Demokratie ist mehr als die sicherste, friedlichste Staatsform. Sie erlaubt und garantiert allen ein Leben in Vielfalt. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dass sie uns erhalten bleibt. Es gilt das Wort der Philosophin Hannah Arendt: Man darf sich nicht ducken. Man muss sich wehren!

Renan Demirkan


Renan Demirkan ist Schauspielerin, Autorin und Vorständin des Vereins „Checkpoint: Demokratie! e.V.“ 2018 veröffentlichte sie den Sammelband „Wenn ich mir was wünschen dürfte. Impulse für eine Demokratie der Moderne“. (jf)