Spontan und authentisch sollte ihre Neujahrsansprache sein, am Ende ist sie vor allem peinlich. Christine Lambrecht befördert sich völlig unnötig einmal mehr selbst ins Abseits.
Kommentar zu Silvester-VideoChristine Lambrecht ist ihrem Amt nicht gewachsen
Ein besonderes Setting, eine vermeintlich spontane Aufnahme mit dem Handy: Christine Lambrecht wollte in ihrer Neujahrsansprache bürgernah und menschlich wirken. Herausgekommen ist dabei allerdings ein beschämendes Video, für das die Verteidigungsministerin nun zu Recht viel Kritik erntet.
Es ist nicht ein einzelner Fauxpas oder ein Versprecher, der diesen 55-sekündigen Clip so unerträglich macht. Von Anfang bis Ende gleicht das Video einem Offenbarungseid. Das hat mehrere Gründe. Da wären zum Beispiel die Silvesterraketen und Knallkörper zur Untermalung. Vor dem Hintergrund, dass Lambrecht vom Krieg in Europa spricht, ist dieses Setting grotesk. Dass die Aufnahme unprofessionell und die Verteidigungsministerin schlecht zu verstehen ist, wird da fast zur Randnotiz.
Christine Lambrecht spricht in Silvester-Video über Krieg und bedankt sich
Das Hauptproblem: Christine Lambrecht trifft in ihrer Ansprache einfach nicht den Ton. Statt über die Schrecken des Kriegs in der Ukraine und dessen verheerende Folgen zu sprechen, legt Lambrecht den Fokus darauf, dass er ihr „besondere Eindrücke“ beschert und „Begegnungen mit tollen Menschen“ ermöglicht habe. „Dafür ein herzliches Dankeschön“, so Lambrecht. Diese Aussagen lassen jegliches Feingefühl vermissen. Sie sind der vorläufige Höhepunkt einer desaströsen Kommunikation und Außendarstellung der Verteidigungsministerin, mit der sie sich bereits in den vergangenen Monaten wiederholt selbst großen Schaden zugefügt hat.
Die ehemalige Justizministerin, die mehrfach versichert hatte, nach dem Ende der Bundesregierung Merkel aus der Politik aussteigen zu wollen, scheint seit ihrer Vereidigung als Verteidigungsministerin kein Fettnäpfchen auszulassen. Als eine der ersten Amtshandlungen fuhr sie in den Urlaub, es folgte der Skandal um einen Heli-Flug mit ihrem Sohn nach Norddeutschland, den die Bundesregierung und Lambrecht nur mit Mühe abmoderieren konnten („legal, aber ungeschickt“).
Christine Lambrecht: Kommunikation einer Ministerin nicht würdig
Besonders viel Kritik brachte ihr die sprunghafte Art und Weise ein, mit der das Verteidigungsministerium nach Kriegsausbruch Waffenlieferungen an die Ukraine abwiegelte. Als Lambrecht dann in einem schwungvoll vorgetragenen Statement die Lieferung von 5000 Helmen als „ein starkes Zeichen“ verkaufte, erntete sie Spott und Hohn – und setzte ihrer mangelhaften Kommunikationsstrategie die Krone auf. Auf einen Lernprozess hofften Kritiker vergebens.
Lambrecht verstieß Berichten zufolge in einem Interview gegen eine Geheimhaltungsbitte aus Polen und verschwieg Probleme beim Kauf der F-35-Kampfjets. Es sind längst nicht nur die Probleme der Bundeswehr, die die Verteidigungsministerin in eine missliche Lage gebracht haben, es ist vor allem ihre Außendarstellung, die einer Ministerin nicht würdig ist.
Kritik an Christine Lambrecht wächst
Die CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler fordert nach der neuerlichen Panne rund um ihre Neujahrsansprache nun, Lambrecht müsse entlassen werden. Sie begründete ihre Forderung damit, dass Lambrecht das Ansehen Deutschlands in ihrer Funktion als Verteidigungsministerin beschädige. Dass dieser Auftritt das Ansehen des Landes, dem Lambrecht dient, tatsächlich nachhaltig beschädigt, ist eher unwahrscheinlich. Ihrem Amt und vor allem sich selbst schadet die SPD-Politikerin aber gewaltig.
In Zeiten, in denen die Sicherheitspolitik in Deutschland so wichtig ist, wie seit Jahrzehnten nicht mehr, wirkt Christine Lambrecht ihrer Aufgabe zu oft nicht gewachsen. Sie darf sich nun keine weiteren Fehltritte leisten. Sonst könnte sich das nächste „herzliche Dankeschön“ an sie selbst richten – und Olaf Scholz das Ministerium neu besetzen. Der Rückhalt aus dem Kanzleramt jedenfalls scheint zu schwinden. Die Bundesregierung will Lambrechts Video nicht kommentieren, und verzichtet damit auf die Chance, seine Verteidigungsministerin in Schutz zu nehmen.