Kommentar zur EnergiekriseHabecks fauler AKW-Kompromiss
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich entschieden: Die drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland sollen nicht befristet weiter betrieben werden, obwohl sie damit einen Beitrag gegen einen drohenden Energienotstand im Winter leisten würden. Stattdessen sollen nach dem Plan des grünen Ressortchefs zwei Meiler bis April 2023 in den Standby-Modus gehen, quasi als Notreserve im Falle eines Blackouts. Das AKW Emsland soll wie vorgesehen Ende 2022 vom Netz gehen.
Nach der handwerklich schlecht umgesetzten Gasumlage sind die Atom-Pläne des Ministers bereits der zweite fragwürdige – oder faule – Kompromiss innerhalb weniger Wochen. Habeck hat sich in der AKW-Frage unter Druck für den Frieden mit seiner Partei entschieden – und damit gegen einen mutigen Schritt, der notwendig wäre, um mögliche Härten für die Bevölkerung im bevorstehenden Winter abzumildern.
Habecks Entscheidung bringt nur Kosten, keinen Nutzen
Über Habecks Vorschlag schlagen auch Energie-Experten die Hände über dem Kopf zusammen. „Wir müssen dringend alle kurzfristig zur Verfügung stehenden Kraftwerkskapazitäten mobilisieren. Bei der aktuellen Entscheidung haben wir nur die Kosten, nicht aber den Nutzen der Verlängerung. Wie unsinnig“, kritisiert etwa die Wirtschaftsweise Veronika Grimm im Berliner „Tagesspiegel“. Sie bezieht sich darauf, dass auch im Reservebetrieb ein hoher Personalbedarf bestehen bleibt. Zudem gibt es laut Fachleuten enorme technische Hürden für einen Standby-Betrieb. Der betriebswirtschaftliche Nutzen ist bei hohen Kosten ohne Einnahmen gleich Null.
Sogar Vertreter der ukrainischen Regierung hatten darum gebeten, die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland im Streckbetrieb länger laufen zu lassen. Aus Sorge darüber, dass ansonsten die Strompreise weiter steigen und in der Bevölkerung die Solidarität mit der Ukraine schwindet. Offenbar ohne Erfolg.
Energiekrise verlangt der Bevölkerung viel ab
Unbestritten ist für die Grünen der Kampf gegen die Atomkraft ein nicht verhandelbarer Grundpfeiler ihrer Politik, schließlich ist die Partei aus Teilen der Anti-Atombewegung entstanden. Dennoch hätte Habeck der aktuellen Weltkrisenlage angemessen und nicht ideologisch entscheiden müssen. Seit Monaten gehört Habeck zu den obersten Mahnern, wenn es darum geht, Energie zu sparen: Öffentliche Gebäude sollen nicht mehr beleuchtet, Raumtemperaturen gesenkt, der Verbrauch von Warmwasser soll reduziert werden. Die Energiekrise verlangt der Bevölkerung sehr vieles ab.
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Da wäre es auch für die Grünen und ihren Minister angebracht gewesen, von starrer Parteiideologie abzuweichen. Bei der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, das besagen aktuelle Umfragen, wäre eine Verlängerung des AKW-Betriebs bis ins kommende Frühjahr hinein jedenfalls positiv aufgenommen worden.
Zumal es ja an keiner Stelle um eine komplette Rolle rückwärts beim Atomausstieg, um eine Rückkehr zur Kernkraft durch die Hintertür geht. Diese ist höchstens ein Wunschtraum mancher Unionspolitiker, der aber mit der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland nicht zum machen ist. Der Bau neuer Atomkraftwerke ist und bleibt nicht durchsetzbar.
Wahltaktik und Ideologie statt der besten Lösung
Ein Streckbetrieb der verbliebenen drei AKW über einige Monate hinweg hätte einen Beitrag dazu geleistet, vielen Bürgerinnen und Bürgern die Sorgen vor dem kommendem Winter zu nehmen. Menschen, die sich angesichts der explodierenden Energie- und Strompreise zunehmend fragen, wie sie in den kommenden Monaten über die Runden kommen sollen.
Dass sich die Grünen-Spitze und ihr Minister Habeck bei den AKW-Laufzeiten erneut für einen vermurksten Kompromiss entschieden haben, ist sowohl ideologisch wie auch taktisch begründet. Dass von den drei noch übrigen Meilern in Deutschland ausgerechnet das norddeutsche Atomkraftwerk Emsland Ende des Jahres abgeschaltet werden soll, hält man nicht nur bei CDU und FDP für einen Wahlkampfschachzug. Am 9. Oktober stehen in Niedersachsen Landtagswahlen an. Mit Habecks Notreserve-Lösung, so der Vorwurf, versuchten Grünen zu verhindern, dass sie von ihrer Kernwählerschaft im Norden abgestraft würden.
Wahltaktik und Ideologie statt der besten Lösung für das Land: Stimmt diese Theorie, dann ist das einer Partei und eines Mitglieds der Bundesregierung in einer Lage, in der es für Zehntausende Menschen um echten Verzicht geht, nicht würdig.