Das Bundesverfassungsgericht kappt der früheren NPD die staatliche Finanzierung. Das ist keine einfache Blaupause für den Kampf gegen die AfD, zeigt aber eine neue Möglichkeit auf.
Kommentar zum NPD-UrteilEin Mutmacher im Kampf gegen die AfD
Die vergangenen Tage haben den verzagt gewordenen Demokraten in Deutschland spürbar Mut gemacht. Fast eine Million Menschen auf den Straßen der Republik haben den Rechtsextremisten gezeigt, dass sie eines gewiss nicht sind: „das“ scheinbar uniforme „Volk“, das es in einer vielfältigen Gesellschaft ohnehin nicht gibt. Dies rückt die Verhältnisse gerade und gehorcht der Devise Wolf Biermanns: „Die Ermutiger brauchen auch Ermutigung.“ Nun folgt das Bundesverfassungsgericht mit der erwarteten Entscheidung, der rechtsextremistischen NPD, die sich neuerdings „Die Heimat“ nennt, die staatliche Parteienfinanzierung zu streichen. Es ist ein weiteres Zeichen der Wehrhaftigkeit.
Nein, eine einfache Blaupause für den Kampf gegen die AfD ist dies nicht. Denn die Hürde, um ihr die Förderung des verachteten Staates zu nehmen, wäre im Prinzip gleich hoch: Man müsste der Partei nachweisen, dass sie die zweite deutsche Demokratie gezielt aus den Angeln heben will. Allerdings ist es gut zu wissen, dass es unterhalb der Schwelle des Parteienverbots ein nicht ganz so einschneidendes Instrument gäbe. Man könnte damit auch dem Dilemma begegnen, dass die AfD im Unterschied zur NPD für ein Verbot eben nicht zu klein, sondern im Zweifel schon zu groß ist und zu viele Wähler hat. Die Entscheidung, sie finanziell auszubluten, könnte ein Mittelweg sein – vorausgesetzt, ein entsprechender Antrag würde gestellt und Karlsruhe gäbe ihm statt.
Fest steht jedenfalls eines: Die Anti-AfD-Proteste sind in ihrer Breite so eindrucksvoll und außergewöhnlich, dass die demokratischen Parteien daraus jetzt zwingend etwas machen müssen. Sie dürfen das, was man neudeutsch „Momentum“ nennt, nicht verstreichen lassen.
Ja, ein AfD-Verbot wäre eigentlich angebracht. Denn ihre Vertreter sind demokratisch gewählt. Doch sie sind keine Demokraten. Freilich würde allein die Anfertigung eines Verbotsantrages Monate in Anspruch nehmen. Bis zu einem Urteil würden weitere Monate vergehen. Bis zu den ostdeutschen Landtagswahlen im Herbst 2024 und zur Bundestagswahl 2025 würde das definitiv nichts mehr.
Denkbar wäre indes ein Verbot der Jugendorganisation „Junge Alternative“. Der Verein liefert etwa in Thüringen ein schlagkräftiges Argument. Dort nennt sich die JA (klingt wie SA) „Höckejugend“, analog zur „Hitlerjugend“. Ein Antrag auf Entzug von Grundrechten des thüringischen Partei- und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke wäre zumindest zu prüfen. Es geht schließlich nicht mehr darum, Extremisten durch Argumente von ihrem Weg abzubringen. Es geht um die Macht.
So oder so ist es angebracht, jene offenen Flanken zu schließen, die die Partei nutzen könnte, wenn sie wie in Brandenburg, Thüringen oder Sachsen mehr als ein Drittel der Stimmen bekäme und bei Zersplitterung des übrigen Parteiensystems regierungsfähig würde. In Erfurt wird dies längst konkret. Dort lässt die Landesverfassung bislang die Möglichkeit offen, dass ein Kandidat im dritten Wahlgang mit wenigen Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählt würde, wenn es keinen Gegenkandidaten gäbe. Das darf nicht sein. Woran es in Erfurt und leider auch in Berlin fehlt: an der Gemeinsamkeit der Demokraten.
Überhaupt sind die Demonstrationen lediglich eine Momentaufnahme. Der Blick auf die deutschen Radikalisierungsprozesse seit der Flüchtlingskrise und noch mehr der Blick ins Ausland zeigen: Der Angriff auf die Demokratie wird durch ein paar Protestzüge nicht beendet. Wir haben es mit einer Auseinandersetzung zu tun, in der man aufseiten der Demokratiefeinde mit jeder Skrupellosigkeit rechnen muss. Der Kampf dagegen wird Jahre dauern und viel Kraft kosten.