Kommentar zur FlutkatastropheWir dürfen nicht zur Tagesordnung übergehen
Jede Krise hat ihre Phasen. Die erste Reaktion auf die verheerende Katastrophe, für die „Starkregen“ eine fast groteske Verharmlosung ist, war blankes Entsetzen. Nun wächst mit der Erkenntnis, dass am 14. Juli binnen weniger Stunden ein ganzer Lebensraum in Teilen unwiederbringlich zerstört worden ist, das Bedürfnis zu helfen und das Leben – so gut es geht – zurückzuholen.
Ich bin selbst ein Kind der Region, geboren in Rheinbach, zur Schule gegangen in Bad Münstereifel, nach Euskirchen in die Kreisstadt gefahren. Wenn ich heute die Bilder sehe, erkenne ich die Stätten meiner Jugend kaum wieder. Ob sie jemals wieder so aussehen werden wie vorher? Ich spüre fast körperlich, wie ein Teil meiner Lebensgeschichte gleichsam ausradiert ist. Umso näher geht mir das Schicksal der Menschen in meiner Heimatregion, deren Häuser in Trümmern liegen, die ihr Hab und Gut oder gar Angehörige und Freunde verloren haben.
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So wie mir geht es bestimmt vielen, die jetzt buchstäblich die Ärmel hochkrempeln, Gummistiefel anziehen und Schaufeln in die Hand nehmen. Die Betroffenen, aber auch die Helfer spüren, wie traumatisch der Verlust ist. Sie packen an, um darüber hinwegzukommen.
Es ist die Stunde der tätigen Solidarität – und die ist überwältigend. Wie dankbar können wir für die selbstlose Hilfe, die übergroße Spendenbereitschaft sein! Es sind Zeichen der Zuversicht und des Zusammenhalts: In der Not lassen Menschen einander nicht im Stich, sondern stehen einander bei. Ich danke allen, die das auf je ihre Weise zum Ausdruck bringen, auch im Rahmen unserer Spendenaktion für die Betroffenen der Flutkatastrophe.
Die Chance, es besser zu machen
Zugleich richten wir den Blick nach vorn: Die nächste Phase der Krisenbewältigung wird dem Wiederaufbau gewidmet sein. Das ist eine Langzeit-Aufgabe, ein Mammutunternehmen, für das es sehr viel Geld braucht, aber auch Klugheit und Ideenreichtum: Wie lassen sich die erhöhten Anforderungen an den Schutz vor Extremwetter und Maßnahmen des Naturschutzes verbinden? Was lässt sich am Katastrophenschutz verbessern? Wie funktioniert das Frühwarnsystem am wirkungsvollsten? Wie können Planungsrecht und Vergabeverfahren so vereinfacht und beschleunigt werden, dass Lebensadern der Gesellschaft wie Straßen, Wasserleitungen, Stromtrassen möglichst bald wieder hergestellt sind?
Es wird überdies sehr darauf ankommen, dass die Hilfszusagen aus Berlin und Düsseldorf belastbar und nachhaltig sind. Die Beschlüsse der Landesregierung mit millionenschweren Aufbauprogrammen sind ein guter und wichtiger Anfang. Aber auch die Gesellschaft, wir alle dürfen nicht zur Tagesordnung übergehen. Auch das ist ja eine – bittere – Erfahrung aus Krisen der Vergangenheit, dass die Opfer sich irgendwann vergessen fühlen, allein gelassen und auf verlorenem Posten. Wir haben die Chance, es diesmal besser zu machen.