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Kommentar

Kommentar zur Scholz-Rede
Wer ist nochmal Kanzler in diesem Land?

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Lesezeit 3 Minuten
Bundeskanzler Olaf Scholz muss sich nach seiner Regierungserklärung am Dienstag (27. November) viel Kritik gefallen lassen.

Bundeskanzler Olaf Scholz muss sich nach seiner Regierungserklärung am Dienstag (27. November) viel Kritik gefallen lassen.

Bundeskanzler Scholz liefert nach dem harten Urteil aus Karlsruhe keine Antworten, wie es nun mit den Staatsfinanzen weitergehen soll. Seiner Rede fehlen Aufbruch und Zuversicht. Sein schwacher Auftritt zeigt deutlich, dass bei der Ampelregierung vor allem eines vorherrscht: Ratlosigkeit, kommentiert Eva Quadbeck.

Eine zukunftsgerichtete Antwort auf das Verfassungsgerichtsurteil zum Bundeshaushalt kann die Regierung auch nach zwei Wochen nicht geben. Der überfällige öffentliche Auftritt des Kanzlers im Bundestag fiel formalistisch und floskelhaft aus. Mit juristischen Formulierungen verteidigte der Kanzler das Vorgehen seiner Ampelregierung bei der Erstellung des Haushalts 2023. Dabei hatte das Verfassungsgericht eine Art Höchststrafe gegen die Bundesregierung verhängt, indem es den Haushalt 2023 für verfassungswidrig erklärt hatte.

Olaf Scholz räumt keine Fehler ein

Einen Fehler räumte Scholz nicht ein. Kein Bedauern, dass die Regierung den falschen Weg eingeschlagen hat. Das ist angesichts der Härte und Klarheit des Richterspruchs fatal. Denn es zeigt, dass Scholz nicht wirklich eine Lehre aus dem Urteil ziehen möchte. Im Gegenteil: Seine spärlichen inhaltlichen Botschaften weisen darauf hin, dass es eine Fortsetzung der bisherigen Haushaltspolitik mit anderen Mitteln geben soll.

Mehrfach verdeutlichte Scholz in seiner Rede, dass die Ampel in den kommenden Jahren aufgrund des Ukraine-Kriegs eine Notlage feststellen und damit die Schuldenbremse aussetzen kann. Für 2023 ist das schon Konsens in der Ampel. In den folgenden Jahren wird man die Liberalen davon überzeugen müssen. Für die FDP legte der Kanzler bereits eine Leimroute aus, indem er gegen den Willen seiner SPD feststellte, dass die Energiepreisbremse zum Jahreswechsel abgeschafft wird. Sie hat bisher dafür gesorgt, dass Strom- und Gaspreise für die Privathaushalte gedeckelt sind. Scholz kündigte auch weitere Sparmaßnahmen an – freilich, ohne konkret zu werden.

Ein schwacher Auftritt des Kanzlers geprägt von Floskeln

Das war ein schwacher Auftritt des Kanzlers. In der aktuellen Lage, in der das Vertrauen der Bevölkerung in die Ampelregierung auf einem Tiefpunkt angelangt ist und die Wirtschaft zu Recht über fehlende Planungssicherheit klagt, hätte Scholz einen Befreiungsschlag gebraucht. Es ist bedauerlich, dass er keine zündende Idee hat, wenn das Anhäufen neuer Milliardenschulden ausgeschlossen ist – wie in der Pandemie („Bazooka“), in Kriegszeiten („Sondervermögen Bundeswehr“) oder in der Energiekrise („Doppelwumms“). So oder so fehlten der Rede Aufbruch und Zuversicht – diese beiden Eigenschaften scheinen der schwer unter Druck stehenden Ampelregierung abhandengekommen zu sein.

Es wäre höchste Zeit, dass die Regierung in die Mühen der Ebene geht und das Geld effizienter einsetzt, spürbar Bürokratie abbaut und Planung beschleunigt sowie den Arbeitsmarkt so organisiert, dass offene Stellen und Bürgergeldbeziehende zueinander finden. Die Ampel hat mit dem Deutschlandpakt dafür einen ersten Schritt getan – ist in der Umsetzung bislang aber noch nicht erfolgreich.

Und wenn Scholz in seiner Rede Allgemeinplätze raushaut – wie beispielsweise, man müsse nun in Deutschland die Transformation der Wirtschaft hinbekommen und als starkes Industrieland wettbewerbsfähig bleiben – dann mag man rufen: Ja, bitte! – Wer ist noch mal Kanzler in diesem Deutschland?

Mit seiner blutleeren Rede hat es der Kanzler dem Oppositionsführer leicht gemacht, ihn einmal auseinanderzunehmen. „Klempner der Macht“, höhnte Friedrich Merz, und irgendwie taucht dabei ein Bild auf, wie das Führungstrio der Ampel gerade verzweifelt versucht, einen Rohrbruch in den Griff zu bekommen. Dass Merz nach seinen zielsicheren Attacken in den Leistungen der Kohl-Regierungen der 90er-Jahre schwelgte, ließ dann aber doch Ernüchterung aufkommen: Damals wurde die Einheit über die Sozialkassen finanziert und die Wirtschaft im Osten über die Treuhand abgewickelt. Mit diesen Methoden wird ökonomische Transformation in ein digitales und CO₂-neutrales Zeitalter sowie Wohlstandssicherung auch nicht gelingen.