Exklusiv

Nach Jubel mit „Wolfsgruß“
NRW-Landtagsvize fordert EM-Ausschluss von Merih Demiral

Lesezeit 4 Minuten
Eine Hand zeigt den „Wolfsgruß“ - ein Erkennungszeichen der Grauen Wölfe - während einer Pro-Türkischen Demonstration.(Archivbild)

Eine Hand zeigt den „Wolfsgruß“ - ein Erkennungszeichen der Grauen Wölfe - während einer Pro-Türkischen Demonstration.(Archivbild)

Berivan Aymaz fordert ein hartes Durchgreifen der Uefa. Die frühere SPD-Abgeordnete Lale Akgün vergleicht den Wolfsgruß mit dem Hitlergruß. 

NRW-Landtagsvizepräsidentin Berivan Aymaz (Grüne) fordert den Ausschluss des türkischen Nationalspielers Merih Demiral von der Fußball-EM durch den Europäischen Fußballverband Uefa.

Mit dem Zeigen des umstrittenen „Wolfsgrußes“ mit den an den Daumen gelegten mittleren Fingern und hochgerecktem Zeige- und kleinem Finger im Achtelfinalspiel gegen Österreich habe Demiral „eklatant die EM und den Spielort für rechtsextremistische, nationalistische und demokratiefeindliche politische Propaganda missbraucht“, sagte Aymaz dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Demirals Verhalten stehe in diametralem Gegensatz zum Gedanken der Völkerverständigung.

Berivan Aymaz fordert Ausschluss von Merih Demiral nach „Wolfsgruß“

„Die Sperre Demirals wäre ein spürbares, klar sichtbares Zeichen, dass die Uefa solche Signale nicht toleriert. Wenn Demirals Verhalten keine Konsequenzen hätte, fiele ein sehr schlechtes Licht auf diese EM, die doch bisher mit so vielen schönen Bildern auch ein Zeichen für das Miteinander der Nationen gesetzt hat.“

NRW-Landtagsvizepräsidentin Berivan Aymaz bei einer Wahlkampfveranstaltung der Grünen in Köln. (Archivbild)

NRW-Landtagsvizepräsidentin Berivan Aymaz bei einer Wahlkampfveranstaltung der Grünen in Köln. (Archivbild)

Zugleich forderte Aymaz, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) müsse auf ein Verbot des Wolfsgrußes in Deutschland hinwirken. „Das ist – zusammen mit einem Verbot der Grauen Wölfe und ihrer Strukturen – überfällig.“ Auf einen vier Jahre alten Prüfauftrag des Bundestags hin sei bislang nichts passiert. „Faeser muss endlich liefern.“

„Wolfsgruß“ bei EM-Spiel: „Eindeutig der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen“

Der Wolfsgruß sei „eindeutig der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen“. Diese stelle „eine ernste Gefahr für unsere freiheitliche Demokratie dar“. Demirals Rechtfertigung der Geste als Zeichen von Nationalstolz entbehre jeder Grundlage. „Wer den Wolfsgruß zeigt, identifiziert sich mit der menschenverachtenden, antisemitischen und ultranationalistischen Ideologie der ‚Grauen Wölfe‘“, sagte Aymaz. Sie erinnerte an die Morde an alevitischen Kulturschaffenden oder an dem armenischen Journalisten Hrant Dink, bei denen die Täter jeweils demonstrativ den Wolfsgruß gezeigt hätten.

Aymaz warnte vor allen Versuchen, den Wolfsgruß zu bagatellisieren. Selbst wenn er in der Türkei häufiger zu sehen sei, sei dies kein Grund für eine Relativierung. Nationalismus und Rechtsextremismus seien ein Bestandteil der türkischen Staatsideologie, weshalb sich das Land unter anderem so schwertue, den Völkermord an den Armeniern anzuerkennen. „Wir dürfen es nicht dulden, dass der Wolfsgruß in Deutschland salonfähig wird, als ob die dahinterstehende Ideologie auch nicht gar so gefährlich wäre. Das Gegenteil ist der Fall.“

„Wir dürfen nicht dulden, dass der Wolfsgruß salonfähig wird“

Auch die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgünt warnte davor, irreführenden Versuchen einer Verharmlosung des Wolfsgrußes als patriotische Geste auf den Leim zu gehen. „Der Wolfsgruß ist weder türkisch noch patriotisch, sondern faschistisch.“ Niemand in der Türkei – außer den Anhängern der extremistischen Grauen Wölfe – käme auf die Idee, die Geste zur Begrüßung zu zeigen, erklärt Akgün im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Ich würde das Wort Patriotismus im Zusammenhang mit den Grauen Wölfen nicht in den Mund nehmen.
Lale Akgün

Sie vergleicht den Wolfsgruß mit dem Hitlergruß, den die Nationalsozialisten auch als „Deutschen Gruß“ bezeichnet hatten. „Die Parallelen liegen auf der Hand“, so Akgün, und sie müssten gezogen werden, um hierzulande das Skandalöse des Vorgangs zu verdeutlichen. „Stellen Sie sich, es würde jemand behaupten, er wolle mit dem Hitlergruß den Stolz auf Deutschland ausdrücken.“ Das Wort „Patriotismus“ werde hier missbräuchlich verwendet. „Ich würde es im Zusammenhang mit den Grauen Wölfen nicht in den Mund nehmen.“

Zwar hätten die Nazis unbestreitbar Verbrechen in einer anderen Dimension begangen als die türkischen Faschisten. „Aber es gibt ungezählte Menschen, die unter den ‚Grauen Wölfen‘ gelitten haben und auch heute ihre Aggressivität, ihre Gewaltbereitschaft und ihre autoritär-antidemokratischen Umtriebe zu spüren bekommen“, sagt Akgün und berichtet von Folteropfern, denen ihre Peiniger triumphierend den Wolfsgruß gezeigt hätten.

Lale Akgün: Ausweitung der Verbotsnorm bei Wolfsgruß sinnvoll

Die Geste, räumt Akgün ein, sei weder in der Türkei noch in Deutschland verboten. Anders als der Hitler-Gruß, der hierzulande unter Strafe steht. Eine Ausweitung der Verbotsnorm hielte aber auch sie für sinnvoll, erklärt Akgün. „Damit würde eine scharfe Trennlinie zur Ideologie der Grauen Wölfe und ihren Vertretern in Deutschland gezogen.“

Lale Akgün, Psychologin und Autorin.

Lale Akgün, Psychologin und Autorin.

In der großen türkisch-stämmigen Community in Deutschland stellten die Anhänger der Grauen Wölfe nur eine verschwindende Minderheit dar. Geschätzt liegt ihre Zahl bei 12.000. „Sie sind auch nicht so sichtbar wie Islamisten mit ihrer traditionellen Kleidung und Barttracht. Im Gegenteil: Anhänger der Grauen Wölfe treten oft gut gekleidet auf, mit weißem Hemd und feinem Zwirn.“ Das mache es umso schwieriger, die Gefahr einzuordnen, die von ihrem Gedankengut für die freie Gesellschaft ausgehe.

„Die meisten Türken – in Deutschland wie in der Türkei selbst – wollen mit den Grauen Wölfen nichts zu tun haben“, erläutert Akgün. Auch deshalb sei es eine realitätsferne Vereinnahmung, wenn der Fußballer Demiral das Zeigen des Wolfsgrußes nun als eine Art Solidaritätsgeste der türkischen Gemeinschaft hinzustellen versuche. „In türkischen Internet-Foren lese ich, dass die meisten Demirals Verhalten verurteilen. Es sei unanständig und gehöre sich nicht. Manche schrieben, die Szene mit dem Wolfsgruß auf dem Spielfeld habe ihnen die ganze Freude über den Viertelfinaleinzug der türkischen Mannschaft vermiest.“

Nachtmodus
KStA abonnieren