Leitartikel zur FlutkatastropheNeues Leben aus den Trümmern
Die Menschen in den Flutgebieten haben im Jahr nach der Katastrophe eine beeindruckende Aufbauleistung vollbracht. Sie durften die Erfahrung machen: Wir sind nicht allein. Wenn es darauf ankommt, hält die Gesellschaft zusammen. Das lässt hoffen, Ein Kommentar.
An Schreckensnachrichten ist in diesen Zeiten wahrlich kein Mangel. Eine Katastrophe jagt die nächste, zerrt an den Nerven, weckt das Mitgefühl und nicht selten auch den Zorn. Denn so viel an Leid ist oft nicht einfach Schicksal, sondern Menschenwerk.
Die Erinnerung an die Flut ist nicht verblasst
Auch deshalb ist die Erinnerung an die verheerende Flut vom Juli 2021 bis heute nicht verblasst. Die Bilder von der zerstörerischen Wucht unglaublicher Wassermassen haben sich ins kollektive Gedächtnis eingegraben – nicht zuletzt als schrecklicher Beleg, dass der Klimawandel nicht nur entlegene Weltregionen mit Extremwetterlagen trifft, sondern auch die sogenannten gemäßigten Zonen.
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Es ist wichtig, dass das nicht in Vergessenheit gerät – auch und gerade angesichts nur scheinbar davon unabhängiger Herausforderungen, wie sie der Ukraine-Krieg mit sich bringt.
Ein Jahr nach der Flut zeugen die Bilder aber auch von der Wiederaufbauleistung in den betroffenen Regionen. Der Vorher-nachher-Effekt der Fotos ist beeindruckend. Auch wenn die Spuren der Verwüstung längst noch nicht überall beseitigt sind, so ist aus den Trümmern doch Neues entstanden. Die dafür versprochenen staatlichen Hilfen haben nach Auskunft Betroffener dazu beigetragen. Das gehört auf die Positiv-Seite einer Bilanz des politischen Handelns in und nach der Katastrophe, das bekanntermaßen alles andere als tadellos war.
Strafrechtliche Aufarbeitung muss weitergehen
Dass Ministerinnen aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ihre Ämter aufgeben mussten, ist Teil der Krisenbewältigung und – so ist zu hoffen – eines politischen Lernens aus Versäumnissen, Fehlern und Fehleinschätzungen. Aber auch die strafrechtliche Aufarbeitung muss konsequent weitergehen. Das ist die Gesellschaft insbesondere den Angehörigen der mehr als 180 Menschen schuldig, die durch die Flut ihr Leben verloren haben.
Aufarbeitung ist aber nicht nur ein rückwärts gewandter Prozess. Mindestens so wichtig ist es, mit Blick nach vorn alles dafür zu tun, dass sich eine solche Katastrophe nicht wiederholt. Dazu gehören neben der Mega-Aufgabe Klimaschutz sehr konkrete Maßnahmen wie ökologisch sensible Flächennutzungspläne und baurechtliche Bestimmungen, effektive Frühwarnmechanismen und präzise ineinandergreifende Hilfesysteme.
Überlebenswillen, Mut und Entschlossenheit
Wer heute die Flutgebiete besucht, wird feststellen, dass den Menschen dort etwas gelungen ist, was vor einem Jahr kaum jemand für möglich gehalten hätte – die Betroffenen selbst vielleicht am allerwenigsten. Sie haben sich mit einem Überlebenswillen, einer Entschlossenheit und einem Mut zum Neubeginn ans Werk gemacht, die ihresgleichen suchen. Was sie erreicht haben, ist nichts weniger als ein kleines Wunder. Das verdient Anerkennung und Bewunderung. Gewiss waren für viele die große Hilfsbereitschaft und tätige Solidarität in der Zeit der größten Not prägend. Auch die Leserinnen und Leser der Kölner Zeitungen haben die Flutopfer in vielfältiger Weise unterstützt, nicht zuletzt über eine gemeinsame Spendenaktion, durch die eine Summe von rund 4,5 Millionen Euro zusammenkam.
Menschen, die durch die Flut buchstäblich alles verloren hatten, durften die Erfahrung machen: Wir sind nicht allein. Wenn es darauf ankommt, hält die Gesellschaft zusammen. Das lässt hoffen für die weitere Bewältigung der Flut, aber auch für die großen Probleme, vor die dieses Land und seine Menschen unweigerlich gestellt sind und gestellt sein werden.