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Kritik an DämonisierungErdogan nennt Israel nach Berlin-Besuch erneut „Terrorstaat“

Lesezeit 4 Minuten
ARCHIV - 15.10.2023, Bayern, Bad Windsheim: Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, spricht im Inneren der ehemaligen Synagoge Allersheim im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim. (Archivbild)

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hätte sich von Olaf Scholz eine klare Einordnung der antisemitischen Aussagen Erdogans gewünscht.

Beim Besuch des türkischen Präsidenten in Berlin wurden die Differenzen im Gaza-Krieg deutlich. Zurück in der Türkei legt Erdogan nach.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Israel nach seinem Deutschland-Besuch erneut verbal angegriffen und als „Terrorstaat“ bezeichnet. Mit Bezug auf den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sagte Erdogan nach Angaben der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu am Samstag: Der „Verantwortliche dieses Terrorstaates“ habe „das israelische Volk zum Aufschrei und zum Aufstand gegen sich selbst gebracht. Deshalb ist sein Ende nah.“

Es war Erdogans erste Rede in der Türkei nach seinen Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Freitag in Berlin. Der Besuch des türkischen Präsidenten war wegen dessen verbaler Attacken gegen Israel im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg umstritten.

Erdogan hatte die Ermordung vieler Hundert israelischer Zivilisten beim Terrorangriff am 7. Oktober zwar verurteilt, die dafür verantwortliche Hamas aber später als „Befreiungsorganisation“ bezeichnet. Israel dagegen hatte er als „Terrorstaat“ bezeichnet und dem Land einen „Genozid“ (Völkermord) im Gazastreifen sowie „Faschismus“ vorgeworfen. In der Pressekonferenz mit Scholz vermied Erdogan eine weitere Eskalation und wiederholte diese Vorwürfe gegen Israel nicht. Allerdings gab es neue Spitzen des türkischen Präsidenten. Er unterstellte Israel etwa, „Geiseln“ zu halten.

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Erdogan: „10.000 von Israel genommenen Geiseln“

Auch am Samstag sprach Erdogan in seiner Rede von „10.000 von Israel genommenen Geiseln“ und forderte Deutschland dazu auf, sich für deren Befreiung einzusetzen. Auf was Erdogan sich damit bezog, war völlig unklar. Laut den Vereinten Nationen waren im Juli dieses Jahres 1500 Palästinenser in israelischen Gefängnissen inhaftiert.

Den Westen und Deutschland brachte Erdogan in Verbindung mit den Kreuzrittern, ohne zu erläutern, was er damit genau meinte. Westliche Regierungen und die „imperialistische Kreuzfahrerstruktur“ unterschieden sich nicht voneinander. „Dies habe ich leider bei meinem Besuch gestern Abend gesehen. Das habe ich beim Präsidenten gesehen und auch bei dem anderen“, sagte Erdogan mit Blick auf Steinmeier und Scholz.

„Natürlich habe ich ihnen Folgendes gesagt: ‚Es wurden 13.000 Kinder, Frauen und Alte von Israel getötet. Warum sprechen Sie nicht darüber?‘“. Die israelische Regierung erklärt immer wieder, bei ihrem Vorgehen im Gazastreifen nur terroristische Ziele ins Visier zu nehmen und zivile Opfer vermeiden zu wollen.

Josef Schuster bemängelt fehlende Einordnung seitens Olaf Scholz

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hätte sich bei Erdogans Berlin-Besuch deutlichere Worte von Kanzler Scholz gewünscht. „Offensichtlich hat der Bundeskanzler Erdogan klar gemacht, dass die absurdesten seiner Aussagen der letzten Wochen auf deutschem Boden zu unterbleiben haben“, sagte Schuster der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die gemeinsame Pressekonferenz von Scholz und Erdogan am Freitag.

„Wenn Erdogan allerdings rechtsstaatlich verurteilte Hamas-Terroristen als vermeintliche Geiseln Israels bezeichnet und mehr als subtil das dämonisierende Narrativ Israels als Kindermörder bedient, sind das klare Signale an die antisemitischen Aufrührer auf deutschen Straßen: macht weiter so“, sagte Schuster. „Das hätte vom Kanzler klar erkannt und angesprochen werden müssen.“

Der Kanzler hatte die Verbalattacken Erdogans gegen Israel schon vor dessen Besuch als „absurd“ zurückgewiesen. In der Pressekonferenz war er darauf bedacht, kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen. „Dass wir zu dem Konflikt sehr unterschiedliche Sichtweisen haben, ist ja kein Geheimnis“, sagte er. Während Erdogan die israelische Kriegsführung im Gaza-Streifen mit vielen Toten in der Zivilbevölkerung verurteilte, betonte Scholz das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegen die terroristische Hamas. Zugleich sagte der Kanzler: „Auch das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza bedrückt uns.“

Erdogan und Scholz stimmen bezüglich Feuerpausen überein

Erdogan und Scholz stimmten darin überein, dass kurzfristig humanitäre Feuerpausen zur Versorgung der Zivilbevölkerung und langfristig eine Zwei-Staaten-Lösung mit einem friedlichen Nebeneinander von Israelis und Palästinensern nötig seien. Neben dem Nahost-Konflikt sprachen die beiden bei einem gemeinsamen Abendessen auch über das Thema Migration: Der Kanzler machte sich bei Erdogan für eine verstärkte Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern in die Türkei stark, wie es aus Regierungskreisen hieß.

Kämpfer der islamistischen Terrororganisation Hamas und anderer extremistischen Gruppen hatten Israel am 7. Oktober angegriffen und etwa 1200 Menschen brutal umgebracht. Zugleich wurden rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Daraufhin begann Israel massive Luftangriffe und Ende Oktober eine Bodenoffensive im Gazastreifen. Dabei wurden nach palästinensischen Angaben bislang mehr als 13.000 Menschen getötet. Die Versorgungslage ist nach UN-Angaben katastrophal. Israel steht international wegen seiner Kriegsführung unter Druck. (dpa)