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Nahost-KonfliktIsraelischer Militär-Einsatz war verheerendster Angriff seit 2005

Lesezeit 3 Minuten
Trauernde Palästinenser tragen Todesopfer eines israelischen Angriffs auf einer Trage durch die Straßen.

Nach Angriffen der israelischen Armee im Westjordanland tragen Palästinenser Todesopfer zu ihrem Begräbnis.

Nach dem Einsatz am Mittwoch im Westjordanland wurden Raketen aus Gaza auf Israel abgefeuert. Auch Israel reagierte daraufhin mit Luftangriffen.

Einen Tag nach der Tötung von elf Palästinensern bei einem israelischen Militäreinsatz im Westjordanland haben sich beide Seiten erneut mit Raketen angegriffen.

Vom Gazastreifen wurden am frühen Donnerstagmorgen mehrere Raketen auf Israel abgefeuert, wie Augenzeugen in dem Palästinensergebiet und die israelische Armee mitteilten. Kurz darauf flog Israel Luftangriffe auf Ziele in dem Palästinensergebiet.

Militäreinsatz im Westjordanland war der verheerendste seit 2005

Der tödliche Militäreinsatz am Mittwoch war der verheerendste israelische Armeeeinsatz im Westjordanland seit 2005. Die israelischen Luftangriffe am Donnerstag richteten sich nach Angaben der Armee gegen eine „Waffenfabrik“ und ein „Militärlager“ der radikalislamischen Hamas, die den Gazastreifen seit 2007 kontrolliert. Berichte über Tote oder Verletzte gab es zunächst nicht.

Nach Armeeangaben waren zuvor sechs Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert worden. Fünf seien vom israelischen Abwehrschirm abgefangen worden und eine in unbewohntem Gebiet niedergegangen. Palästinensische Augenzeugen im Gazastreifen sprachen von mindestens acht abgefeuerten Raketen. Zu den Raketenangriffen bekannte sich die militante Palästinensergruppe Islamischer Dschihad.

Mindestens elf Menschen wurde getötet und mehr als 80 durch Schüsse verletzt

Es handelte sich demnach um eine Vergeltungsaktion für den israelischen Armeeeinsatz mit der höchsten Anzahl an Toten im besetzten Westjordanland seit dem Jahr 2005. Bei dem Armee-Einsatz in Nablus waren am Mittwoch nach palästinensischen Angaben mindestens elf Menschen getötet worden, darunter ein 16-jähriger Junge. Bei dem elften Opfer handelt es sich laut Gesundheitsbehörde um einen 66-jährigen Mann, der am Abend nach dem Einatmen von Tränengas seinen Verletzungen erlag. Mehr als 80 weitere Menschen erlitten nach Angaben der Palästinenserregierung bei dem Einsatz Schussverletzungen.

Die israelische Armee sprach von einem „Anti-Terroreinsatz“, bei dem drei wegen Beteiligung an bewaffneten Angriffen oder wegen geplanter Anschläge gesuchte Verdächtige „neutralisiert“ worden seien. Die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad erklärte, ein örtlicher Anführer ihres bewaffneten Arms sei unter den Todesopfern. Vier Verletzte waren am Donnerstag weiterhin auf der Intensivstation, doch ihr Zustand verbessere sich, sagte der Direktor des Rafidia Kankenhauses in Nablus der Nachrichtenagentur AFP.

Internationale Gemeinschaft ruft zu Deeskalation auf

Die Altstadt und auch das Krankenhaus seien eine „Kriegszone“ gewesen. „Die Gänge und Treppen waren blutverschmiert, und die Menschen rannten umher, um nach ihren Angehörigen zu suchen“, sagte er. Aus Protest gegen die Gewalt war in den Palästinensergebieten ein Generalstreik ausgerufen worden. Am Donnerstag blieben in Ostjerusalem und in anderen Teilen des Westjordanlandes, darunter Nablus, palästinensische Geschäfte geschlossen.

Mostafa Schaheen, ein Einwohner von Nablus, sagte, dass am Morgen „Soldaten (...) das ganze Gebiet belagerten“ und dass „wir ständig Explosionen und Schüsse hörten“. Die internationale Gemeinschaft rief zur Deeskalation auf. UN-Generalsekretär António Guterres sagte am Mittwoch in New York, „die Situation im besetzten Palästinensergebiet ist an ihrem gefährlichsten Punkt seit Jahren“. Erste Priorität müsse sein, „eine weitere Eskalation zu verhindern, Spannungen zu verringern und Ruhe wiederherzustellen“.

Der unbedingte Schutz der Zivilbevölkerung muss immer gewahrt sein.
Auswärtiges Amt in Berlin

Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte am Abend, es sei „sehr besorgt über die hohe Zahl an zivilen Opfern und Verletzten“ bei der israelischen Militäroperation in Nablus. „Auch beim Vorgehen gegen extremistische Kräfte müssen die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel und der unbedingte Schutz der Zivilbevölkerung immer gewahrt sein“.

Die israelische Armee hat seit fast einem Jahr ihre Einsätze im Norden des Westjordanlands verstärkt. Dabei fahndet sie nach militanten Palästinensern, die „terroristischer“ Aktivitäten verdächtigt werden. Seit Jahresbeginn wurden insgesamt 60 Palästinenser getötet, darunter Attentäter, Kämpfer, aber auch Zivilisten und Kinder. Auf israelischer Seite starben in dem Konflikt neun Zivilisten, ein Polizist und eine Ukrainerin. (afp)