AboAbonnieren

Nahost-NewsblogBaerbock zu Gesprächen in Beirut eingetroffen

Lesezeit 10 Minuten
23.10.2024, Libanon, Beirut: Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) kommt in Beirut an. Vor dem Hintergrund des Kriegs zwischen Israel und der Hisbollah will sich Baerbock in der libanesischen Hauptstadt Beirut ein Bild von der Lage machen. Foto: Jörg Blank/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) kommt am Mittwoch (23. Oktober) in Beirut an.

Nach dem Terror-Angriff der Hamas auf Israel ist die Lage in Nahost eskaliert. Die Entwicklungen in Israel, Gaza und dem Iran im Newsblog.

Am 7. Oktober 2023 überfielen Terroristen der Hamas Israel. Sie richteten ein beispielloses Blutbad an und nahmen zahlreiche Geiseln. Israel antwortete mit einem Krieg im Gazastreifen. Inzwischen ist die humanitäre Lage dort katastrophal, Israels Vorgehen steht international in der Kritik.

Die laufenden Entwicklungen in unserem Newsblog.


Mittwoch, 23. Oktober

Alles zum Thema Annalena Baerbock

+++ Baerbock zu Gesprächen in Beirut eingetroffen +++

Wie das Auswärtige Amt am Mittwochvormittag mitteilt, ist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu Gesprächen in der libanesischen Hauptstadt Beirut eingetroffen. Sie will sich im Krieg zwischen Israel und der Hisbollah ein Bild von der aktuellen Lage verschaffen. Die Grünen-Politikerin landete am Vormittag in einer kleinen Maschine der Flugbereitschaft der Bundeswehr auf dem internationalen Rafik-Hariri-Flughafen in der libanesischen Hauptstadt. Im Anschluss sind unter anderem Gespräche mit Politikern und Vertretern von Hilfsorganisationen geplant.

Der Besuch war aus Sicherheitsgründen zunächst geheim gehalten worden. Es ist bereits die vierte Reise der deutschen Außenministerin in den Libanon seit dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Seit dem letzten Besuch hat sich die Sicherheitssituation aber deutlich verschärft.

Die Außenministerin warnte vor einer „völligen Destabilisierung“ des Landes. Es gelte, „eine tragfähige diplomatische Lösung zu erarbeiten, die die berechtigten Sicherheitsinteressen Israels und ebenso des Libanon wahrt“. Baerbock sagte: „Auch in Libanon sehen wir, wie verantwortungslos sich Terroristen hinter Zivilistinnen und Zivilisten verstecken und von dort weiterhin Raketen auf Israel abfeuern. Das ist unerträglich. Gleichzeitig muss Israel seine Operationen an den engen Grenzen des Selbstverteidigungsrechts und des humanitären Völkerrechts ausrichten und das Leben unschuldiger Zivilistinnen und Zivilisten schützen.“

+++ Israels Armee forderte Bewohner in libanesischer Stadt Tyros zur Evakuierung auf +++

Die israelische Armee hat die Einwohner einiger Stadtteile der südlibanesischen Stadt Tyros zur Evakuierung aufgefordert. „Sie müssen sofort das rot markierte Gebiet verlassen und sich nördlich des Flusses Awali begeben“, schrieb Armeesprecher Avichay Adraee im Onlinedienst X zu einer Karte mit den betroffenen Straßen in Tyros. „Jeder, der sich in der Nähe von Hisbollah-Elementen, -Einrichtungen und -Kampfausrüstung aufhält, bringt sich in Lebensgefahr“, fügte er hinzu.

Israel hatte libanesischen Staatsmedien zufolge bereits am Dienstag Ziele südlich von Tyros angegriffen.

+++ Hisbollah feuert erneut Raketen auf Tel Aviver Großraum +++

Zum zweiten Tag in Folge hat die libanesische Hisbollah-Miliz Raketen auf den Großraum Tel Aviv abgefeuert. Im Stadtzentrum der Küstenmetropole gab es Raketenalarm, Menschen eilten in Schutzräume. Es waren dumpfe Explosionen zu hören.

Die Hisbollah behauptete, sie habe ein israelisches Geheimdienstzentrum nördlich von Tel Aviv getroffen. Die israelische Armee teilte dagegen mit, zwei aus dem Libanon abgefeuerte Geschosse seien von der Raketenabwehr abgefangen worden. Nach Medienberichten wurden Autos in Herzlija nördlich von Tel Aviv von herabfallenden Raketenteilen getroffen und beschädigt.

Der Rettungsdienst Magen David Adom teilte mit, einige Menschen hätten sich verletzt, als sie in Schutzräume liefen. Am Dienstag hatte die libanesische Hisbollah-Miliz bereits fünf Raketen auf den Großraum Tel Aviv abgefeuert.

+++ Israel bestätigt Tötung mutmaßlichen Nasrallah-Nachfolgers +++

Israels Militär hat die Tötung des mutmaßlichen Nachfolgers von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bestätigt und seine Angriffe auf die proiranische Miliz im Libanon fortgesetzt. Haschim Safi al-Din sei vor rund drei Wochen bei einem Angriff auf das Hauptquartier des Hisbollah-Geheimdienstes in einem Vorort der Hauptstadt Beirut getötet worden, teilte das Militär am Abend mit. Die Schiiten-Miliz bestätigte seinen Tod bisher nicht.

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant betonte derweil bei einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken am Abend, die Hisbollah werde auch nach Abschluss der „gezielten Operationen“ im Libanon so lange weiter bekämpft, bis die Miliz aus dem Grenzgebiet vertrieben sei und die geflohenen Bewohner im Norden Israels sicher zurückkehren könnten.

Safi al-Din sei Mitglied im sogenannten Schura-Rat der Hisbollah gewesen, dem ranghöchsten militärisch-politischen Gremium der Hisbollah, erklärte Israels Armee. Dieses sei für die Entscheidungsfindung und politische Gestaltung der Terrororganisation zuständig. Bei dem Luftangriff in Libanons Hauptstadt vor rund drei Wochen sei neben Safi al-Din auch Ali Hussein Hasima getötet worden, der Befehlshaber des Geheimdienstes der Hisbollah. Er sei für die Leitung zahlreicher Angriffe auf Israels Soldaten verantwortlich gewesen.

Israels Militär tötete abgesehen von Nasrallah bisher vor allem Militärkommandeure, nicht aber Angehörige der oberen politischen Ränge der Miliz. Die Organisation mag die schwersten Schläge seit Jahrzehnten erlitten haben, den Konflikt mit Israel dürfte sie aber - wenn auch deutlich geschwächt - fortsetzen. Im vergangenen Jahr hatte Safi al-Din gesagt: „Es mag einen Krieg, zwei Kriege, drei Kriege“ dauern und „mehrfache Konfrontationen“ erfordern, aber letztlich müsse Israel vernichtet werden.

Israel ist jedoch fest entschlossen, sich gegen seine Feinde zu verteidigen. Nachdem Anfang Oktober die Revolutionsgarden, Irans Elitestreitmacht, rund 200 ballistische Raketen auf den jüdischen Staat abgefeuert hatten, kündigte Israel Vergeltung an. Offen ist jedoch, wann und wie Israel gegen den Iran zurückschlagen wird. Nach der Veröffentlichung von US-Geheimdienstinformationen über Israels Vergeltungspläne ermittelt die US-Bundespolizei FBI. Die USA sind der wichtigste Verbündete Israels.

Dienstag, 22. Oktober

+++ Hisbollah reklamiert Drohnenangriff auf Haus Netanjahus für sich +++

Die mit dem Iran verbündete Hisbollah-Miliz hat den Drohnenangriff auf das Wohnhaus des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vom Wochenende für sich reklamiert. Die Miliz erkläre ihre „volle, vollständige und ausschließliche Verantwortung“ für die Aktion in der Stadt Caesarea, sagte Hisbollah-Sprecher Mohammed Afif am Dienstag.

Die Drohne war am Samstagmorgen über der Privatresidenz der Netanjahus abgeschossen worden. Netanjahu hatte den Drohnenangriff als Attentatsversuch bezeichnet und mit Vergeltung gedroht.

+++ Krankenhaus-Leiter: Kein Bunker der Hisbollah unter Klinik +++

Der Direktor des Al-Sahel-Krankenhauses südlich von Beirut bestreitet Vorwürfe der israelischen Armee, dass sich unter dem Klinikgebäude ein Bunker der Hisbollah-Miliz befindet. „Die israelischen Vorwürfe sind unwahr und ein Weg, die Angriffe auf den Libanon und dessen Einrichtungen zu rechtfertigen“, schrieb Fadi Alameh auf der Plattform X.

Dem Fernsehsender Al Jadeed sagte er: „Es ist ein privates Krankenhaus. Es gibt unterirdische Operationsräume, es gibt Patienten. Es gibt keine Tunnel, das sind erfundene Behauptungen.“ Alameh rief die libanesische Armee und die UN-Mission Unifil auf, das Gebäude zu durchsuchen, um zu belegen, ob es dort „Tunnel“ gebe oder nicht.

Nach Darstellung der israelischen Armee liegt unter dem Gebäude ein Bunker, in dem die Hisbollah Bargeld und Gold im Wert von Hunderten Millionen Dollar versteckt haben soll. Die Miliz konnte aus dem Bunker nach Angaben Israels zuvor auch Kämpfe befehligen. Die Armee legte keine Beweise für diese Angaben vor und veröffentlichte stattdessen eine animierte Grafik, die einen Bunker unter dem Krankenhaus zeigen soll.

Alameh zufolge hat die Klinik keinerlei Verbindungen zu politischen Parteien im Libanon. Er selbst ist neben seiner Funktion als Krankenhausdirektor aber auch Abgeordneter im Parlament für die schiitische Amal-Bewegung, die mit der Hisbollah verbündet ist.

+++ Medien: UNRWA-Chef Lazzarini wirft Israel Schwächung der UN vor +++

Der Generalkommissar des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), Philippe Lazzarini, wirft Israel eine gezielte Schwächung der Vereinten Nationen vor. Er glaube, dass die Angriffe auf UNRWA Teil eines umfassenderen Musters seien - und sich gegen die Vereinten Nationen und das multilaterale System insgesamt richteten, sagte er dem Newsletter Table.Briefings (Dienstag). Sollten sich die UN-Mitgliedsstaaten nicht dagegen wehren, drohe eine Wiederholung dieses Musters „überall auf der Welt“, so Lazzarin.

Seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel im Oktober vergangenen Jahres sind demnach 231 UNRWA-Mitarbeiter im Gazastreifen getötet worden. Zuletzt waren auch Angehörige der UN-Übergangstruppe für den Libanon (Unifil) verletzt worden. Israelische Vorwürfe an seine Organisation, weiter Hamas-Mitarbeiter zu beschäftigen, wies Lazzarini zurück. Er warnte zudem vor den Folgen eines Gesetzesentwurfs, der ein Zusammenarbeitsverbot der Regierung mit der UNRWA vorseht.

Montag, 21. Oktober

+++ Israel meldet Angriff auf Hisbollah-Bunker mit „Millionen Dollar Bargeld und Gold“ +++

Bei seinen Angriffen auf die Finanzstruktur der Hisbollah im Libanon hat Israel nach eigenen Angaben auch einen Bunker getroffen, in dem Bargeld und Gold im Wert von dutzenden Millionen Dollar gelagert wurden. „Eines unserer Hauptziele der vergangenen Nacht war ein unterirdischer Tresor mit Millionen von Dollar in Bargeld und Gold“, sagte am Montag der israelische Armeesprecher Daniel Hagari. Das Geld sei „zur Finanzierung der Angriffe der Hisbollah auf Israel“ genutzt worden.

+++ Regierung fordert von Israel mehr Hilfe für Gazastreifen +++

Die Bundesregierung verlangt von Israel angesichts der weiterhin dramatischen humanitären Lage im Gazastreifen erneut mehr Hilfslieferungen in das umkämpfte Gebiet. Berichte über eine hohe Anzahl von getöteten Zivilisten, darunter auch Frauen und Kinder, sowie eine weitreichende Abriegelung insbesondere des nördlichen Gazastreifens von Hilfsgütern seien sehr besorgniserregend, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin. Die Sprecherin nannte besonders die Lage im Norden des Gazastreifens verzweifelt.

Die Bundesregierung rufe Israel und alle Konfliktparteien dazu auf, ihren Verpflichtungen gemäß dem humanitären Völkerrecht nachzukommen, betonte die Sprecherin. Es müsse nun endlich in einem ganz anderen Ausmaß als bisher humanitäre Hilfe zu den notleidenden Menschen besonders in den nördlichen Teil des Gazastreifens gelangen.

+++ US-Gesandter: Libanon nicht mit anderen Konflikten verknüpfen +++

Der US-Gesandte für den Nahen Osten, Amos Hochstein, will den Krieg zwischen Israel und der Hisbollah von anderen Konflikten entkoppeln. „Es lag und liegt nicht im Interesse der Libanesen, die Zukunft des Libanon mit anderen Konflikten in der Region zu verknüpfen“, sagte Hochstein in Beirut nach einem Treffen mit dem libanesischen Parlamentsvorsitzenden Nabih Berri, der mit der Hisbollah verbündet ist.

Hochstein reiste rund zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl in den USA in den Libanon, um über eine mögliche Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah zu beraten. Zwei Wochen vor der US-Wahl sei dieser Besuch Hochsteins „die letzte Chance (...), zu einer Lösung zu kommen“, sagte Berri vor den Gesprächen. Die beiden hätten sein „sehr konstruktives Treffen“ gehabt, sagte Hochstein.

+++ Israels Armee entschuldigt sich für Tod dreier libanesischer Soldaten +++

Die israelische Armee hat sich für den Tod dreier libanesischer Soldaten bei einem Angriff im Libanon entschuldigt. Es sei am Sonntag ein Lastwagen in einer Gegend angegriffen worden, in der zuvor ein Lastwagen der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah attackiert worden sei. Der Hisbollah-Lastwagen habe Raketen transportiert.

Der zweite Angriff sei in einer Kampfzone erfolgt, hieß es weiter. Später sei deutlich geworden, dass es sich um einen Lastwagen der libanesischen Armee gehandelt habe und drei Soldaten getötet worden seien. „Die Ankunft eines Lastwagens der libanesischen Armee war der israelischen Armee nicht bekannt“, hieß es in der Mitteilung. „Die israelische Armee geht nicht gegen die libanesische Armee vor und entschuldigt sich für diese ungewollten Umstände.“

Die libanesische Armee verhält sich in dem Konflikt zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah-Miliz neutral.

+++ Israels Armee nimmt Finanzstruktur der Hisbollah ins Visier +++

Israels Militär weitet den Krieg im Libanon auf Finanzeinrichtungen der proiranischen Hisbollah aus, die ein wichtiger Machtpfeiler der Schiiten-Miliz sind. Die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA berichtete am Abend von erneut heftigen Luftangriffen in den als Dahija bekannten Vororten der Hauptstadt Beirut und anderen Landesteilen. Ins Visier gerieten diesmal auch Zweigstellen der Vereinigung Al-Kard Al-Hassan, einer Art Bank der Hisbollah.

„In den kommenden Tagen werden wir aufdecken, wie der Iran die terroristischen Aktivitäten der Hisbollah finanziert, indem er zivile Einrichtungen, Verbände und Nichtregierungsorganisationen nutzt“, sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am Abend. Er forderte alle Menschen in der Nähe von Standorten des Hisbollah-Finanzinstituts in Beirut sowie anderen Landesteilen auf, sich umgehend von dort zu entfernen.

Kurz darauf schlug die Luftwaffe los. Die libanesische NNA meldete mindestens elf aufeinanderfolgende Angriffe in Beiruts Vororten. Auch ein Gebäude in unmittelbarer Nähe des einzigen internationalen Flughafens im Land sei getroffen worden. Auf Bildern in sozialen Medien war zu sehen, wie dunkle Rauchwolken vor den Landebahnen südlich von Beirut in den Himmel stiegen.

Das Hauptziel der Angriffe auf die Al-Kard Al-Hassan bestehe darin, „das Vertrauen zwischen der Hisbollah und einem großen Teil der schiitischen Gemeinschaft zu erschüttern, die diese Vereinigung als Bankensystem nutzt“, zitierte das „Wall Street Journal“ einen israelischen Geheimdienstmitarbeiter. Einem Bericht des US-Finanzministeriums aus dem Jahr 2021 zufolge fungiert die Vereinigung unter dem Deckmantel einer Nichtregierungsorganisation (NGO) wie eine Bank der Hisbollah, die ohne Zulassung und behördliche Aufsicht Bankautomaten betreibt und Kredite vergibt.