AboAbonnieren

Nahost-NewsblogUNRWA-Chef Lazzarini wirft Israel Schwächung der UN vor – 231 Mitarbeiter getötet

Lesezeit 6 Minuten
Philippe Lazzarini, Generalkommissar des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), macht Israel schwere Vorwürfe.

Philippe Lazzarini, Generalkommissar des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), macht Israel schwere Vorwürfe.

Nach dem Terror-Angriff der Hamas auf Israel ist die Lage in Nahost eskaliert. Die Entwicklungen in Israel, Gaza und dem Iran im Newsblog.

Am 7. Oktober 2023 überfielen Terroristen der Hamas Israel. Sie richteten ein beispielloses Blutbad an und nahmen zahlreiche Geiseln. Israel antwortete mit einem Krieg im Gazastreifen. Inzwischen ist die humanitäre Lage dort katastrophal, Israels Vorgehen steht international in der Kritik.

Die laufenden Entwicklungen in unserem Newsblog.


Dienstag, 22. Oktober

Alles zum Thema Nahostkonflikt

+++ Medien: UNRWA-Chef Lazzarini wirft Israel Schwächung der UN vor +++

Der Generalkommissar des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), Philippe Lazzarini, wirft Israel eine gezielte Schwächung der Vereinten Nationen vor. Er glaube, dass die Angriffe auf UNRWA Teil eines umfassenderen Musters seien - und sich gegen die Vereinten Nationen und das multilaterale System insgesamt richteten, sagte er dem Newsletter Table.Briefings (Dienstag). Sollten sich die UN-Mitgliedsstaaten nicht dagegen wehren, drohe eine Wiederholung dieses Musters „überall auf der Welt“, so Lazzarin.

Seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel im Oktober vergangenen Jahres sind demnach 231 UNRWA-Mitarbeiter im Gazastreifen getötet worden. Zuletzt waren auch Angehörige der UN-Übergangstruppe für den Libanon (Unifil) verletzt worden. Israelische Vorwürfe an seine Organisation, weiter Hamas-Mitarbeiter zu beschäftigen, wies Lazzarini zurück. Er warnte zudem vor den Folgen eines Gesetzesentwurfs, der ein Zusammenarbeitsverbot der Regierung mit der UNRWA vorseht.

Montag, 21. Oktober

+++ Israel meldet Angriff auf Hisbollah-Bunker mit „Millionen Dollar Bargeld und Gold“ +++

Bei seinen Angriffen auf die Finanzstruktur der Hisbollah im Libanon hat Israel nach eigenen Angaben auch einen Bunker getroffen, in dem Bargeld und Gold im Wert von dutzenden Millionen Dollar gelagert wurden. „Eines unserer Hauptziele der vergangenen Nacht war ein unterirdischer Tresor mit Millionen von Dollar in Bargeld und Gold“, sagte am Montag der israelische Armeesprecher Daniel Hagari. Das Geld sei „zur Finanzierung der Angriffe der Hisbollah auf Israel“ genutzt worden.

+++ Regierung fordert von Israel mehr Hilfe für Gazastreifen +++

Die Bundesregierung verlangt von Israel angesichts der weiterhin dramatischen humanitären Lage im Gazastreifen erneut mehr Hilfslieferungen in das umkämpfte Gebiet. Berichte über eine hohe Anzahl von getöteten Zivilisten, darunter auch Frauen und Kinder, sowie eine weitreichende Abriegelung insbesondere des nördlichen Gazastreifens von Hilfsgütern seien sehr besorgniserregend, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin. Die Sprecherin nannte besonders die Lage im Norden des Gazastreifens verzweifelt.

Die Bundesregierung rufe Israel und alle Konfliktparteien dazu auf, ihren Verpflichtungen gemäß dem humanitären Völkerrecht nachzukommen, betonte die Sprecherin. Es müsse nun endlich in einem ganz anderen Ausmaß als bisher humanitäre Hilfe zu den notleidenden Menschen besonders in den nördlichen Teil des Gazastreifens gelangen.

+++ US-Gesandter: Libanon nicht mit anderen Konflikten verknüpfen +++

Der US-Gesandte für den Nahen Osten, Amos Hochstein, will den Krieg zwischen Israel und der Hisbollah von anderen Konflikten entkoppeln. „Es lag und liegt nicht im Interesse der Libanesen, die Zukunft des Libanon mit anderen Konflikten in der Region zu verknüpfen“, sagte Hochstein in Beirut nach einem Treffen mit dem libanesischen Parlamentsvorsitzenden Nabih Berri, der mit der Hisbollah verbündet ist.

Hochstein reiste rund zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl in den USA in den Libanon, um über eine mögliche Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah zu beraten. Zwei Wochen vor der US-Wahl sei dieser Besuch Hochsteins „die letzte Chance (...), zu einer Lösung zu kommen“, sagte Berri vor den Gesprächen. Die beiden hätten sein „sehr konstruktives Treffen“ gehabt, sagte Hochstein.

+++ Israels Armee entschuldigt sich für Tod dreier libanesischer Soldaten +++

Die israelische Armee hat sich für den Tod dreier libanesischer Soldaten bei einem Angriff im Libanon entschuldigt. Es sei am Sonntag ein Lastwagen in einer Gegend angegriffen worden, in der zuvor ein Lastwagen der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah attackiert worden sei. Der Hisbollah-Lastwagen habe Raketen transportiert.

Der zweite Angriff sei in einer Kampfzone erfolgt, hieß es weiter. Später sei deutlich geworden, dass es sich um einen Lastwagen der libanesischen Armee gehandelt habe und drei Soldaten getötet worden seien. „Die Ankunft eines Lastwagens der libanesischen Armee war der israelischen Armee nicht bekannt“, hieß es in der Mitteilung. „Die israelische Armee geht nicht gegen die libanesische Armee vor und entschuldigt sich für diese ungewollten Umstände.“

Die libanesische Armee verhält sich in dem Konflikt zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah-Miliz neutral.

+++ Israels Armee nimmt Finanzstruktur der Hisbollah ins Visier +++

Israels Militär weitet den Krieg im Libanon auf Finanzeinrichtungen der proiranischen Hisbollah aus, die ein wichtiger Machtpfeiler der Schiiten-Miliz sind. Die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA berichtete am Abend von erneut heftigen Luftangriffen in den als Dahija bekannten Vororten der Hauptstadt Beirut und anderen Landesteilen. Ins Visier gerieten diesmal auch Zweigstellen der Vereinigung Al-Kard Al-Hassan, einer Art Bank der Hisbollah.

„In den kommenden Tagen werden wir aufdecken, wie der Iran die terroristischen Aktivitäten der Hisbollah finanziert, indem er zivile Einrichtungen, Verbände und Nichtregierungsorganisationen nutzt“, sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am Abend. Er forderte alle Menschen in der Nähe von Standorten des Hisbollah-Finanzinstituts in Beirut sowie anderen Landesteilen auf, sich umgehend von dort zu entfernen.

Kurz darauf schlug die Luftwaffe los. Die libanesische NNA meldete mindestens elf aufeinanderfolgende Angriffe in Beiruts Vororten. Auch ein Gebäude in unmittelbarer Nähe des einzigen internationalen Flughafens im Land sei getroffen worden. Auf Bildern in sozialen Medien war zu sehen, wie dunkle Rauchwolken vor den Landebahnen südlich von Beirut in den Himmel stiegen.

Das Hauptziel der Angriffe auf die Al-Kard Al-Hassan bestehe darin, „das Vertrauen zwischen der Hisbollah und einem großen Teil der schiitischen Gemeinschaft zu erschüttern, die diese Vereinigung als Bankensystem nutzt“, zitierte das „Wall Street Journal“ einen israelischen Geheimdienstmitarbeiter. Einem Bericht des US-Finanzministeriums aus dem Jahr 2021 zufolge fungiert die Vereinigung unter dem Deckmantel einer Nichtregierungsorganisation (NGO) wie eine Bank der Hisbollah, die ohne Zulassung und behördliche Aufsicht Bankautomaten betreibt und Kredite vergibt.

+++ US-Vermittler zu Gesprächen im Libanon +++

US-Vermittler Amos Hochstein ist am Montag zu Besuch im Libanon und wird sich um eine Deeskalation zwischen der Miliz und Israel bemühen. Hochstein führt in Beirut Gespräche mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten des Libanons, Nadschib Mikati, und dem Parlamentssprecher und Hisbollah-Verbündeten Nabih Berri, wie Regierungskreise der dpa bestätigten. Seit der ersten Wahl nach Ende des Bürgerkriegs 1992 ist die Hisbollah, die politisch und militärisch vom Iran unterstützt wird, im Parlament vertreten. Sie engagiert sich karitativ, besitzt aber auch einen militärischen Arm, dem nach Schätzungen Zehntausende Kämpfer angehören. Dieser wird von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft. In Deutschland gilt seit 2020 ein Betätigungsverbot für die gesamte Hisbollah.

Sonntag, 20. Oktober

+++ UN-Truppe im Libanon wirft Israel Zerstörung von Beobachtungsturm vor +++

Die UN-Friedensmission im Libanon (Unifil) hat Israel die absichtliche Zerstörung eines ihrer Beobachtungstürme vorgeworfen. Ein Bulldozer der Armee habe einen Zaun und den Turm einer UN-Stellung in Marwahin im Südlibanon zerstört, erklärte die Unifil am Sonntag.

Die Unifil betonte, die Blauhelmsoldaten würden „trotz des Drucks, der ausgeübt wird“, auf all ihren Stellungen bleiben. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte die UNO kürzlich aufgefordert, die Mission aus dem Kampfgeschehen abzuziehen.

+++ Israelischer Brigadekommandeur und fünf weitere Soldaten tot +++

Die Hamas im Gazastreifen ist extrem geschwächt und ihr Chef tot. Aber gefährlich ist sie immer noch. Und auch die Hisbollah im Libanon fügt Israel Verluste zu.

Die israelische Armee hat den Tod eines Brigadekommandeurs bei Kämpfen im Gazastreifen und fünf weiterer Militärs im Südlibanon mitgeteilt. Oberst Ehsan Daxa sei bei Gefechten in Dschabalia im Norden des Gazastreifens gefallen, teilte die Armee weiter mit.

+++ Israel greift nach Hisbollah-Drohne über Netanjahu-Residenz massiv im Libanon an +++

Nach der Zerstörung einer Hisbollah-Drohne über der Privatresidenz von Regierungschef Benjamin Netanjahu hat Israel seine Angriffe auf den Libanon nochmals verstärkt. Unter anderem griff die Armee nach eigenen Angaben am Sonntag ein Hisbollah-Geheimdienstzentrum in Beirut an.