Der Neustart nach der Wahlniederlage ist der NRW-FDP nicht gelungen. Der neue Parteichef erhielt nur 54,5 Prozent der Stimmen.
NRW-ParteitagNeuer FDP-Chef Henning Höne mit historisch schlechtem Ergebnis gewählt
Der Schock ist ihm deutlich anzusehen. Henning Höne blickt mit versteinerter Miene auf das Wahlergebnis, das soeben über dem Podium eingeblendet wird. Nur 54,5 Prozent der Delegierten haben dafür gestimmt, dass er der nächste Parteichef der FDP in Nordrhein-Westfalen werden soll. Ein historisch schlechtes Ergebnis. Höne wirkt beklommen, als er in den Saal ruft: „Ja, ich nehme die Wahl an.“
Beim Parteitag der NRW-FDP wollten die Liberalen ein Signal für den Neustart senden. Es ist 13.38 Uhr, als ein Raunen durch die Stadthalle von Bielefeld geht. Dass er kein gutes Ergebnis bekommen würde, hatte der 35-Jährige im Vorfeld des Parteitags bei einem Pressegespräch prognostiziert. Aber dass es so bitter ausgehen würde, kam überraschend. Der Politiker aus dem Münsterland war ohne Gegenkandidaten angetreten.
Diskussionen bei NRW-FDP um Henning Höne als Nachfolger von Joachim Stamp
Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte Höne später: „Ich bin natürlich nicht zufrieden mit dem Ergebnis und freue mich nicht darüber. Aber jetzt müssen wir nach vorne blicken. Es gilt, die unterschiedlichen Fäden in der Partei wieder zusammenzubinden.“
Im Vorfeld hatte es Diskussionen darum gegeben, ob Höne der richtige Kandidat für die Nachfolge des scheidenden Parteichefs Joachim Stamp sein würde. Der Liberale aus dem Münsterland führt seit dem vergangenen Jahr bereits die FDP-Landtagsfraktion an. Die Jungen Liberalen hatten sich für eine Trennung der Ämter ausgesprochen und die Partei davor gewarnt, sich frühzeitig auf einen neuen Frontmann für die nächste Landtagswahl festzulegen.
Der Parteitag der NRW-FDP war zunächst nur schleppend in Gang gekommen. Stamp hielt eine kurze, wenig sentimentale Abschiedsrede, in der er die Leistung der abgewählten schwarz-gelben Koalition in der Pandemiepolitik lobte. Nennenswerter Applaus im Saal brandete erst beim Auftritt von JuLi-Chef Alexander Steffen auf, der eine zu große Nähe der FDP zur CDU als Ursache für die Wahlniederlage brandmarkte. „Wir haben die erste Wahl von Hendrik Wüst zum Ministerpräsidenten mehr gefeiert als die CDU selbst“, rief er in den Saal. „Wir dürfen nie wieder glauben, dass die CDU unser Freund ist. Nie wieder darf die Loyalität dem Koalitionspartner gegenüber größer sein als die Nähe zu den eigenen Inhalten und Überzeugungen.“
FDP musste um Wiedereinzug in NRW-Landtag bangen
Bei der Landtagswahl im Mai 2022 hatte die FDP am Wahlabend um den Wiedereinzug in den Landtag zittern müssen. Die schwere Niederlage steckt den Liberalen immer noch in den Knochen. „Die Partei hat ein Ventil dafür gesucht, um den Frust abzulassen“, sagte der Landtagsabgeordnete Marcel Hafke nach der Abstimmung über den Landesvorsitz dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Henning war aber aus meiner Sicht das falsche Ventil.“
Lorenz Deutsch, Parteichef der Kölner FDP, sieht das ähnlich. „Ich hätte mir für Henning Höne ein besseres Ergebnis und mehr Rückenwind für den Neustart gewünscht“, sagte der frühere Landtagsabgeordnete. Das Ergebnis zeige, dass sich die „Partei mit dem Neuanfang schwerer tut als gedacht“, so Deutsch. Ulrich Breite, Fraktionsgeschäftsführer der FDP im Kölner Stadtrat, ergänzt: „Ich hätte es besser gefunden, wenn Partei- und Fraktionsführung getrennt geblieben wäre. Das sahen wohl viele im Saal genauso. Mit Blick auf die nächsten Wahlen wäre es besser gewesen, wenn die FDP an der Spitze breiter aufgestellt wäre.“
FDP: Henning Höne sorgt nicht für Begeisterung
Vor der Abstimmung hatten die Strippenzieher bei den Liberalen ein Ergebnis zwischen 70 und 80 Prozent für Höne prognostiziert. „Wenn seine Bewerbungsrede gut ist, kann es aber auch mehr werden“, hieß es. Allerdings gelang es dem neuen Parteichef nur punktuell, den Saal wirklich mitzureißen, als er über Bildung, Digitalisierung und die Energiepolitik sprach. Jubel brandete auf, als Höne die Rolle der Grünen bei der Räumung von Lützerath kritisierte. „Sie haben das Feuer gelegt und wollen jetzt die Feuerwehr spielen. Das lassen wir ihnen nicht durchgehen.“
Mit Spannung war auch die Rede von Bundesfinanzminister Christian Lindner erwartet worden. Der Politiker aus Wermelskirchen forderte eine „zweite Zeitenwende“ in der Finanzpolitik. „Der Krisenmodus darf nicht zur Regel werden“, bekräftigte Lindner. Die Schuldenbremse könne nicht dauerhaft ausgehebelt werden.
Eine explizite Empfehlung, Höne zu wählen, kam nicht in Lindners Beitrag vor. Er war dreimal zum Chef der NRW-FDP gewählt worden, 2016 schaffte er das Traumergebnis von 98,01 Prozent. Seit 2010 hatten alle FDP-Chefs gute Ergebnisse mit mehr als 90 Prozent erzielt. Ausreißer war bislang lediglich Daniel Bahr, der 2010 bei seiner Wahl 83,38 Prozent bekommen hatte.
Zu einem Kuriosum kam es bei der Wahl der Stellvertreter von Höne. Clarisse Höhle und Michael Terwiesche kamen bei der Abstimmung beide auf genau 175 Stimmen. Auch im zweiten Wahlgang lagen sie exakt gleich auf. Schließlich wurde Terwische im Losverfahren zum Vize-Chef der NRW-FDP bestimmt.