Der Konflikt um das Dorf Lützerath spaltet die Grünen. Jetzt ist Max Beckhaus aus der Partei ausgetreten. Wie erklärt er den Schritt? Ein Ortstermin.
„Schwerer politischer Fehler“Kölner Grünen-Politiker verlässt Partei nach Protesten um Lützerath
Er war Sprecher des Arbeitskreises Klima und Umwelt bei den Kölner Grünen. Max Beckhaus hat als Fraktionschef der Bezirksvertretung Nippes für die Einführung von Tempo 30, gegen Versiegelung und für die Anpflanzung von 1000 neuen Bäumen im Kölner Norden gekämpft. Damit ist jetzt als Grüner Schluss. Der 49-Jährige hat seinen Partei-Austritt erklärt.
„Der Grund ist der Tagebau bei Lützerath“, sagt Beckhaus im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Es war ein schwerer politischer Fehler, dass die Grünen den Ort aufgegeben haben und dies als Erfolg verkaufen. Für aufrichtige Klimaschützer ist die Partei so für mich keine gute Heimat mehr.“
Kölner Grüne: Rücktritt von Max Beckhaus trifft Partei ins Mark
Der Austritt des Fraktionschefs in der Grünen-Hochburg Nippes trifft den Stadtverband der Kölner Grünen ins Mark. Er wirft ein Schlaglicht auf den Riss, der wegen der Braunkohlepolitik der Grünen durch die Partei geht. In einem Deal mit RWE wurde vereinbart, dass der Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen wird und 280 Millionen Tonnen Kohle weniger abgebaut werden sollen.
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Lützerath muss dafür allerdings weichen. „Wer das als einen guten Kompromiss feiert, offenbart, dass er keine Ahnung hat“, sagt Beckhaus. „Es gibt jetzt Planungssicherheit. Aber mehr ist nicht gewonnen. Weil Kraftwerkblöcke wegen der Energiekrise länger laufen dürfen, wird wohl am Ende keine Kohle eingespart. Das 1,5 Grad Ziel für Deutschland ist hiermit auch Geschichte.“
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) und die Parteispitze hatten die Räumung des Weilers mitgetragen. Beckhaus ist der Meinung, dass die Grünen von RWE über den Tisch gezogen wurden. „Die eingesparten 280 Millionen Tonnen Braunkohle wären ohnehin in der Erde geblieben, weil der Kohleabbau wegen des Zertifikathandels in den nächsten Jahren unrentabel wird“, sagt der gelernte Volkswirtschaftler.
Beckhaus war am Wochenende mit einer Gruppe von „Teachers for future“ in Lützerath. „Das war ein beklemmendes Szenario“, sagt der Vater eines dreijährigen Sohns. „Polizei und Klimaschützer wirkten wie zwei Heere im Mittelalter, die im Schlamm gegeneinander in die Schlacht ziehen. Die Grünen wurden dabei von den Aktivisten als Verräter verhöhnt.“
Kölner Grüner Max Beckhaus kritisiert Umgang mit Lützerath: „Aktivisten wurden diskreditiert"
Eine fatale Entwicklung, findet der frühere Fraktionschef. „Zu dieser Spaltung der Bewegung hätte es nie kommen dürfen. Die Grünen haben es zugelassen, dass Lützerath zum Symbolort werden konnte. Sie haben dazu beigetragen, dass die Aktivisten diskreditiert werden. Das können wir uns nicht leisten, denn beim Klimaschutz läuft uns die Zeit davon.“
Eine Haltung, mit der Beckhaus nicht alleine dasteht. Roland Appel, ehemals Fraktionschef der Grünen im Landtag, wirft den Grünen vor, ein „Symbol grüner Politik geopfert“ zu haben. Die „emotionale Sprengkraft“ sei völlig unterschätzt worden, schreibt Appel in einem Newsblog. Der von RWE angebotene Deal sei eine von langer Hand geplante „kalt genossene Rache“ für „jahrzehntelange Nadelstiche gegen die Braunkohleverstromung“. Ziel sei gewesen, Klimaschützer und Grüne zu entzweien.
Nach Angaben des Landesverbands der Grünen gibt es derzeit noch keine Erkenntnisse über eine mögliche Austrittswelle. Die Mitgliederzahl sei auch mit Beginn der Ukraine-Krise leicht angestiegen. Im November 2022 hatte die Partei 26.287 Mitglieder in NRW. Tim Achtermeyer, Co-Vorsitzender der NRW-Grünen, sagte unserer Zeitung, die friedliche Klimabewegung erhöhe den Druck auf die Kohle-Lobby und erweitere damit den politischen Handlungsspielraum: „Im Werben um gesellschaftliche Legitimation für jedes einzelne Windrad brauchen wir die vielfältige Klimagerechtigkeitsbewegung.“
Der Kölner Max Beckhaus lebt umweltbewusst und nachhaltig. Seine Turnschuhe hat er vom Flohmarkt, der Parka stammt noch aus der Zivildienstzeit beim Katastrophenschutz in Essen. Seine Trennung von seiner Ex-Partei ist endgültig, er erwägt, sich künftig bei der Umwelthilfe oder beim BUND zu engagieren. „Die Grünen sollten wieder auf ehrlicher umschalten“, sagt der Yoga-Lehrer. Sonst könnten wohl noch viele Anhänger der Partei den Rücken kehren.