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Lohnt sich arbeiten nicht mehr?85.000 Beamte in NRW verlangen faire Besoldung

Lesezeit 3 Minuten
Ein Justizbeamter steht beim Prozessauftakt vor dem Sitzungssaal. Nur sein Ärmel mit dem NRW-Wappen ist zu sehen.

Justizwachtmeister sind auch Beamte, sie üben hoheitsrechtliche Befugnisse aus und tragen eine Uniform mit NRW-Wappen.

Haben Bürgergeldempfänger mehr Geld zur Verfügung als Beamte in den unteren Besoldungsgruppen? NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) steht in der Kritik.

Sie sorgen bei Gerichtsverhandlungen für Sicherheit und Ordnung, bewachen Gefangene, die unter Anklage stehen. Justizwachtmeister üben hoheitsrechtliche Befugnisse aus und tragen eine Uniform mit NRW-Wappen. Ihre Grundbesoldung beträgt 2621 Euro. Ist das angemessen? Zieht man Lohnsteuer, Krankenversicherung, Warmmiete und Spritgeld ab, verbleiben unter 1000 Euro.

In NRW haben in den vergangenen drei Jahren nach Auskunft des NRW-Finanzministeriums 85.000 Beamte beim Land Einspruch gegen ihre Besoldung eingelegt. Sie sind der Auffassung, dass der vorgeschriebene Mindestabstand zwischen dem Nettogehalt in der untersten Besoldungsgruppe und dem Grundsicherungsniveau gewahrt bleiben muss.

Ralf Witzel: „Ehrliche Arbeit muss sich lohnen“

Laut Bundesverfassungsgericht heißt das: Der Unterschied muss mindestens 15 Prozent betragen. Ein Wert, der nach Auffassung der Beamtengewerkschaften und fast aller Berufsverbände aktuell unterschritten werden dürfte. „Diese Entwicklung ist nicht nur alarmierend, sondern stellt auch eine erhebliche Belastung für die Kolleginnen und Kollegen sowie für die Funktionsfähigkeit des gesamten Justizvollzugssystems dar“, sagt Horst Butschinek, Vorsitzender der Bund der Strafvollzugsbediensteten in NRW. Die Arbeit im Vollzug sei anspruchsvoll und erfordere ein hohes Maß an Professionalität und Engagement.

Ein Bürgergeldempfänger erhält einen monatlichen Regelsatz von 563,00 Euro. Ihm wird eine warme Wohnung gestellt, zusätzlich werden einmalig Anschaffungen für Waschmaschine, Haushaltsgeräte, Lampen, Bettwäsche, Schränke als Mehrbedarf bezahlt. Das Bürgergeld liegt um rund 14 Prozent höher als die frühere Grundsicherung und ist zu Jahresbeginn 2024 erneut stark erhöht worden.

Die starke Inflation bei den Verbraucherpreisen sei auch durch den aktuellen Tarifabschluss von Dezember 2023 nicht auskömmlich kompensiert worden. „Ehrliche und harte Arbeit muss sich finanziell deutlich mehr lohnen als Sozialleistungsbezug“, sagte Ralf Witzel, Finanzexperte der FDP im Düsseldorfer Landtag.

Witzel, Finanzexperte der FDP im Düsseldorfer Landtag, steht am Rednerpult und spricht.

Ralf Witzel, Finanzexperte der FDP im Düsseldorfer Landtag, fordert im Streit um die Besoldung von Beamten die Zulassung von Musterverfahren. So könnten nach Ansicht der FDP Gerichte entlastet und die Verjährung der Widersprüche verhindert werden.

Die Liberalen fordern NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) auf, auf die Anhebung des Bürgergelds und auf die Rekordinflation zu reagieren.Bedienstete, die dem Staat treu dienen sollen, erwarten eine faire Behandlung“, sagte Witzel. Gerade bei ledigen und kinderlosen Beamten bestünden erhebliche Zweifel, ob sie noch angemessen alimentiert würden. Die Landesregierung zeige bislang keine Reaktion auf die Flut der Widersprüche. „Das ist eine schlechte Visitenkarte für den öffentlichen Dienst und vergrößert den Bewerbermangel“, so Witzel. Er fordert die Zulassung von Musterverfahren, auch um die Gerichte zu entlasten und die Verjährung der Widersprüche zu verhindern.

Ältere Sachbearbeiter verdienen oft mehr als jüngere Vorgesetzte

Ein häufiger Grund für Einsprüche ist auch der Umgang mit den Beförderungen. Im Beamtenbereich ist die individuelle Leistung weitgehend unerheblich, da die Beförderungen meist nach Dienstalter vergeben werden. Ältere Sachbearbeiter verdienen daher oft mehr als ihre jüngeren Vorgesetzten. Und: Zusätzliche Kinder bringen dem Beamten oft doppelt so viel Geld wie eine Beförderung. Ein Unding, findet Witzel. „Beruflicher Aufstieg muss sich mehr lohnen als Familienzuwachs.“

In NRW sind dauerhaft strukturell beim Land deutlich über 20.000 Stellen nicht besetzt. Simon Rock, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, die Besoldungsstrukturen würden regelmäßig auf die Einhaltung des Mindestabstandsgebots geprüft. „Darüber hinaus modernisieren wir derzeit das Laufbahnrecht, um das Leistungsprinzip innerhalb der öffentlichen Verwaltung zu stärken“, sagte der Abgeordnete aus Neuss.

Ein Sprecher des NRW-Finanzministeriums erklärte, durch die Besoldungsanpassung und die Erhöhung der Familienzuschläge zum 1. Dezember 2022 habe das Land „erhebliche finanzielle Verbesserungen für die Beamten- und Richterschaft“ in NRW umgesetzt. Aktuelle Berechnungen zur Einhaltung des Mindestabstandsgebots für 2022 lägen noch nicht vor. „Auch die Alimentation des Jahres 2023 wird einer abschließenden Überprüfung unterzogen, sobald die hierfür erforderlichen statistischen Daten vollständig vorliegen“, so der Sprecher.

Der Personalausschuss des Landtags wird sich am 20. Februar mit dem Thema befassen.