Claus B. belastet neben Wolfgang Spelthahn noch einen Teil der Dürener Verwaltungsspitze – die Beschuldigten weisen das zurück.
Brisante ErkenntnisseHauptbeschuldigter belastet Dürener Landrat bei Schleuser-Ermittlungen
Der mutmaßliche Chef einer Menschenschleuser-Bande zeigte sich kooperativ bei seinen Vernehmungen am 2. und 23. Mai. Die Aussagen, die der Kölner Rechtsanwalt Claus B. während seiner Untersuchungshaft bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft gemacht hat, führten nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu brisanten Erkenntnissen in der Affäre um seine mutmaßliche Bande von „Luxusschleusern“. Die Gruppe soll gegen sechsstellige Summen meist wohlhabenden Chinesen sowie deren Familien mit offenbar kriminellen Geschäftsmodellen und gefälschten Unterlagen dauerhafte Aufenthaltsgenehmigungen für Deutschland beschafft haben.
Die Düsseldorfer Strafverfolger von der landesweiten Spezialabteilung gegen das Organisierte Verbrechen (ZeOS) ermitteln seit vier Jahren gegen den mutmaßlichen Schleuserboss und Dutzende weiterer mutmaßlicher Komplizen. Inzwischen stehen 58 Beschuldigte auf der Liste, darunter zahlreiche Führungskräfte aus der regionalen Politik oder Verwaltung. Es geht um dubiose Parteispenden, mutmaßliche Schmiergeldzahlungen und politische Protektion.
Anfangsverdacht der Bestechlichkeit
Neben anderen Kommunen spielt der Landkreis Düren in den Ermittlungen eine große Rolle. In seiner Aussage belastete der mutmaßliche Schleuserchef Claus B. einen Teil der Verwaltungsspitze, allen voran den Landrat Wolfgang Spelthahn. Inzwischen steht der CDU-Politiker unter dem Anfangsverdacht der Bestechlichkeit. Spelthahn bestreitet sämtliche Vorwürfe.
Laut Aussageprotokollen des Kölner Juristen B., die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ einsehen konnte, sollen die Schleuser folgendes System aufgesetzt haben: Die asiatischen Zuwanderer gründeten mit Hilfe der mutmaßlichen Schleuser eine Scheinfirma und stellten sich per Arbeitsvertrag etwa als Geschäftsführer an. Bei einer wirklichen Wirtschaftstätigkeit hätten die Chinesen unter anderem angesichts des hiesigen Fachkräftemangels zwar in Deutschland bleiben dürfen. Aber die Migranten gingen nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft tatsächlich keiner Tätigkeit nach, sollen teilweise noch nicht einmal lange in Deutschland geblieben, sondern weitergereist sein – befähigt durch den hiesigen Aufenthaltstitel.
Auch die Dezernenten sollen Bescheid gewusst haben
Befragt, wer denn an der Dürener Landkreisspitze von den Machenschaften gewusst haben soll, nannte der mutmaßliche Schleuser-Chef brisante Namen: So etwa jenen des ehemaligen Ausländerdezernenten und heutigen Kämmerers Dirk Hürtgen (CDU) sowie den von dessen Nachfolgerin Sybille Haußmann (Grüne). Auch Landrat Spelthahn soll über das mutmaßlich rechtswidrige Schleusersystem informiert gewesen sein. Sein Credo habe gelautet, es könne nicht sein, „dass wir uns gegen die Wohlstandsmigration sperren“. Laut B. sollen die Ausländerdezernenten vor allem auf Geheiß des Landrats das fragwürdige Schleuser-Konstrukt gebilligt haben.
Das Scharnier zu den zuständigen Verwaltungsstellen und dem Landrat sei Jens Bröker, der einstige SPD-Geschäftsführer der Unterbezirke Heinsberg und Euskirchen gewesen. Seit der ersten Schleuser-Razzia am 17. April sitzt der Politiker in Untersuchungshaft. Im Raum steht der Verdacht von banden- und gewerbsmäßigem Dokumentenbetrug bis hin zur Bestechlichkeit im besonders schweren Fall. Mit 300.000 Euro, so die Staatsanwaltschaft, soll Bröker aus dem Schleusertopf geschmiert worden sein. Sein Anwalt hat sich zuletzt auf Anfrage zu dem Sachverhalt nicht geäußert.
Bis zu 20.000 Euro pro Migrant
Der SPD-Politiker besaß Einfluss bei der Ansiedlung neuer Investoren und der Wirtschaftsentwicklung im Dürener Landkreis. Seit 2012 gut dotierter Chef der kommunalen Entwicklungsgesellschaft Indeland avancierte der Sozialdemokrat elf Jahre später zum Leiter des Referats für Wandel und Entwicklung. Zuvor lenkte er die „Stabsstelle für Innovation und Wandel".
Gemeinsam mit einem Komplizen soll Bröker den mutmaßlichen Bandenchefs klar gemacht haben, dass man „mitverdienen“ wolle. Die „Tarife“ seien happig gewesen, so Claus B. in seiner Vernehmung. Bis zu 20.000 Euro pro Einwanderung hätten die Mitwisser kassiert. Zudem seien 400.000 Euro „Chinesen-Geld“ für eine Firmen-Neugründung des Bröker-Komplizen überwiesen worden. Er sei sich „ziemlich sicher“, dass über Bröker oder dessen Komplizen auch beim Landrat etwas vom Schleusergeld angekommen sei. Außerdem habe ein weiterer Schleuserboss Millionen von Flugmeilen an Spelthahn übertragen.
Beschuldigte weisen Vorwürfe strikt zurück
Der CDU-Politiker, so der Kölner Rechtsanwalt, soll als Präsident des Regionalligisten FC Düren zudem stets auf der Suche nach Geldgebern für den Verein gewesen sein. Während eine Firma als Trikotsponsor fungiert habe, sei die andere mit einer Bandenwerbung im Stadion vertreten gewesen. Und 600.000 Euro seien als Anzahlung für den Bau eines Fußballplatzes an den Club geflossen.
Die drei belasteten Entscheider an der Dürener Kreisspitze haben die Vorwürfe auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ entschieden zurückgewiesen. Die erteilten Aufenthaltsgenehmigungen, die alle nach den üblichen Vorschiften beantragt worden seien, habe das örtliche Ausländeramt jeweils „auf Basis der Gesetzeslage“ kontrolliert, teilten Ex-Dezernent Hürtgen sowie seine Nachfolgerin Haußmann mit. „In jedem Einzelfall wurden die vorgelegten Unterlagen auf Vollständigkeit geprüft (zum Beispiel Meldebescheinigung, Arbeitsvertrag, Gewerbeanmeldung etc), zum Teil unter Beteiligung Dritter wie der IHK“, heißt es in einer Stellungnahme. Von der mutmaßlichen Betrugsmasche, etwa dass die angeblichen Geschäftsleute tatsächlich nie in Deutschland gearbeitet haben, hätten sie nichts gewusst. Und auch vom Landrat Spelthahn seien sie niemals beeinflusst worden.
Landrat: „Habe keine Geldzahlungen oder sonstige Vergünstigungen bekommen“
In dessen Namen hat auch der Bonner Strafverteidiger Christoph Arnold die Vorwürfe bestritten. Weder habe Spelthahn gewusst, dass „bei einigen einreisenden Chinesen die notwendigen Voraussetzungen lediglich auf dem Papier vorlagen“, noch habe sein Mandant „Geldzahlungen oder sonstige Vergünstigungen bekommen“, betonte der Anwalt. Die beiden Sponsorenverträge mit dem FC Düren seien „transparent dokumentiert, ordnungsgemäß versteuert und abgewickelt und vom gesamten Vorstand“ getragen worden.
Zum Sportplatz-Investment erklärt der Anwalt, dass der 1. FC Düren sein Vereinsgelände für vier Millionen Euro an einen Investor verkaufen wollte. Ein Teil des Areals wollte der Verein dann wieder zurück pachten. Auf dem Rest des Geländes habe der Investor geplant, ein internationales Sportinternat zu gründen. Laut Anwalt Arnold habe der Geschäftsmann 2023 dann 400.000 Euro an den Verein überwiesen. „Dies war eine Anzahlung auf den Kaufpreis für das Vereinsgelände.“
Der Investor indes soll laut Staatsanwaltschaft mittlerweile auch zu den Beschuldigten im Schleuserverfahren gehören. „Irgendeine Vorteilsgewährung“ für seinen Mandanten Spelthahn jedenfalls habe es nie gegeben, betont Rechtsanwalt Arnold. Vielmehr sei der Hauptbeschuldigte B. wohl „ersichtlich bemüht gewesen, weitgehende Angaben zu Personen zu machen, um aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden“.