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Erstwähler bei EuropawahlJugend sieht Demokratie in Gefahr – Migration als drängendstes Problem

Lesezeit 3 Minuten
Wahlplakate auf einer Wiese.

Mit Wahlplakaten werben die Parteien auch um die Stimmen der Erstwähler.

Zum ersten Mal wählen in Deutschland am Sonntag eine Million Jugendliche. Eine Studie zeigt, wie Unter-18-Jährige in der EU denken.

Es ist ein besonderer demokratischer Moment: Am kommenden Sonntag bei der Europawahl werden auch viele Schülerinnen und Schüler wählen. Durch das Absenken des Wahlalters auf 16 Jahre werden erstmals über eine Million Jugendliche in Deutschland die Möglichkeit haben, an einer Europawahl teilzunehmen. Zwei Prozent der 65 Millionen wahlberechtigten Deutschen werden 16 oder 17 Jahre alt sein. Die Bundesrepublik gehört damit zu den wenigen Ländern, die Minderjährigen die Teilnahme an Wahlen erlauben. Neben Deutschland sind das nur noch Österreich, Belgien, Malta und Griechenland.

Das Interesse der jungen Leute an Europa ist gestiegen

Die Ampel-Regierung hatte diese Absenkung des Wahlalters beschlossen. Ziel ist es, Jugendlichen früher zu ermöglichen, demokratische Verantwortung zu übernehmen und die Gesellschaft mitzugestalten.

Dabei scheint der Plan aufzugehen: Das Interesse der jungen Leute an Europa ist gestiegen. Bei der Eurobarometer-Umfrage des Europäischen Parlaments gaben 91 Prozent der 15 bis 24-jährigen an, dass ihnen die Teilnahme an der Europawahl wichtig ist. Das deckt sich mit den Ergebnissen der aktuellen Jugendstudie „Junges Europa 2024“, die das Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag der TUI Stiftung zur Europawahl erstellt hat. Befragt wurden knapp 6000 junge Menschen zwischen 16 und 26 Jahren in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Polen.

Jugendliche sehen sich nicht ausreichend repräsentiert

Demnach sehen drei Viertel der befragten jungen Europäer Wählen als Bürgerpflicht. Dabei blicken 56 Prozent der jungen Leute positiv auf die EU. Nur 33 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass die EU große Schwächen habe. Als wichtigste Errungenschaft empfinden die jungen Deutschen mit 51 Prozent das freie Reisen innerhalb der EU. Die EU-Grundwerte Frieden, Solidarität und Demokratie sahen 40 Prozent als wichtigste Errungenschaft.

Allerdings sehen sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen weder in der EU noch im eigenen Land ausreichend repräsentiert: In Deutschland stimmte mehr als jeder Zweite der Aussage zu, dass Politiker sich nicht viel darum kümmern, was junge Menschen denken. Nur ein Fünftel der jungen EU-Bürger fühlte sich durch das Parlament des eigenen Landes und durch das EU-Parlament stark repräsentiert.

Gleichzeitig machen sich die jungen europäischen Wähler Sorgen um die Demokratie: Vier von zehn Befragten sehen die Demokratie in ihrem Land in Gefahr. „Die neue Zeit hat die jungen Europäerinnen und Europäer ein Stück weit wachgerüttelt“, fasst Thomas Ellerbeck, Vorsitzender der TUI-Stiftung die Stimmung zusammen. Frieden, Sicherheit und Wohlstand würden nicht mehr so selbstverständlich erlebt. Jeder zweite junge Befragte denkt, dass die eigene Generation einen schlechteren Lebensstandard haben wird als die Generation der Eltern.

Migration und Asyl als drängendstes Problem

Besorgniserregend ist, dass mit 56 Prozent nur knapp über die Hälfte der Befragten darauf vertrauen, dass die Wahlen im jeweiligen Land korrekt und fair abgehalten werden. In Deutschland liegt dieser Wert immerhin bei 72 Prozent. Weniger als die Hälfte stimmte der Aussage zu, in der Schule gut auf Wahlen vorbereitet zu werden.

Bei der Frage nach dem gegenwärtig mit Abstand drängendsten Problem auf EU-Ebene nennen die jungen Europäerinnen und Europäer das Thema Migration und Asyl mit 36 Prozent. In Deutschland waren es sogar 46 Prozent. Umwelt und- Klimaschutz fielen damit im Problembewusstsein auf Platz zwei mit 26 Prozent europaweit und 33 Prozent in Deutschland zurück. Gleichzeitig findet über ein Drittel der Befragten, dass die Bekämpfung des Klimawandels Vorrang vor Wirtschaftswachstum haben sollte.

Nur ein Viertel ist mit dem Zustand der Demokratie zufrieden

Großer Unmut herrscht bei den jungen Europäerinnen und Europäern mit Blick auf den Zustand der Demokratie. Nur knapp ein Viertel zeigte sich zufrieden. Deutschland bildete hier eine immerhin etwas positivere Ausnahme: Hier sind es vier von zehn.

Außerdem nehmen die jungen Wähler große gesellschaftliche Spannung wahr: zwischen politisch links und rechts Stehenden ebenso wie zwischen reichen und armen Menschen. Knapp jeder zweite Befragte beobachtet im eigenen Land demokratiefeindliches Verhalten (49 Prozent). In Deutschland waren es mit 55 Prozent sogar über die Hälfte der Befragten.