AboAbonnieren

„Die Stimmung war nicht gut“FDP-Chef Höne spricht über seinen Fehlstart

Lesezeit 4 Minuten
FDP-Chef Henning Höne

Henning Höne erzielte bei seiner Wahl zum Parteivorsitzenden magere 54 Prozent.

Der neue Chef der NRW-FDP, Henning Höne, hat bei seiner Wahl zum Parteivorsitzenden nur 54 Prozent der Stimmen erzielt. Wie kam es zu dem schlechten Ergebnis? Ein Interview.

Sie haben bei der Wahl zum FDP-Vorsitzenden nur 54,4 Prozent der Stimmen erzielt. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie das Ergebnis gesehen haben?

Henning Höne: Dass es schlechter ist als gedacht. Und dass es eine Menge Arbeit gibt.

Haben Sie darüber nachgedacht, die Wahl nicht anzunehmen?

Nein, nicht ernsthaft. Klar, das Ergebnis war außergewöhnlich schlecht. Aber 50 Prozent plus eine Stimme reichen laut Satzung, um gewählt zu sein. Und es gab keine Gegenkandidaten. Der Parteitag hätte also spontan einen neuen Bewerber für das Amt finden müssen, dessen Wahl dann mit einer schweren Hypothek belastet gewesen wäre. Das wäre keine gute Option gewesen.

Uneinigkeit über das Tempo des Reformprozesses

Warum war das Ergebnis so schlecht?

Da kam vieles zusammen. Die Stimmung bei dem Parteitag war nicht gut. Das war von Beginn an deutlich spürbar. Es war der erste Parteitag nach einer deutlich verlorenen Landtagswahl. Zudem gab es lange Diskussionen darüber, ob der Landes- und Fraktionsvorsitz in einer Hand liegen soll und über das Tempo des Reformprozesses.

Warum steckt der FDP die Wahl-Schlappe noch so in den Knochen?

Weil die Niederlage in der Deutlichkeit überraschend kam. Das Abschneiden bei der Wahl spiegelt die tatsächliche Bilanz nicht wider. Das hat viel Frust und große Enttäuschung produziert. Aber Selbstmitleid ist nicht angebracht. Wir müssen jetzt nach vorne gucken. Beim nächsten Parteitag sollen 400 Delegierte gut gelaunt und motiviert nach Hause fahren.

Große Nähe zur CDU als Stimmenkiller

War die zu große Nähe zur CDU ein Grund für das schlechte Abschneiden der FDP bei der Landtagswahl?

Es fehlte uns jedenfalls ein starkes eigenständiges Profil, das uns vom Koalitionspartner unterscheidet. Rückblickend war die erste Wahl von Hendrik Wüst im Oktober 2021 zum Ministerpräsidenten mit der Eine-Stimme-Mehrheit im Landtag ein neuralgischer Punkt. Dafür hätten wir höhere Preise aufrufen sollen.

Welche denn?

Wir hätten unsere Unterstützung an Bedingungen knüpfen müssen, die sichtbar gemacht hätten, wofür die FDP steht. Eine zentrale Forderung hätte zum Beispiel die Abkehr vom Scholz-Modell bei der Grundsteuer sein können. Auch höhere Investitionen in die Digitalisierung des Bildungswesens und die Planungsbeschleunigung bei großen Infrastrukturprojekten hätten Bedingungen für die Wüst-Wahl sein können. Mit so einem Paket hätten wird ein halbes Jahr vor der Wahl klare Botschaften setzen können, was es nur mit der FDP gibt.

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat in seiner langen Rede nicht explizit dazu aufgerufen, Sie zum neuen Parteichef zu wählen. Ärgert Sie das?

Es ist ja nicht zwingend seine Aufgabe, auf einem Parteitag eine Wahlempfehlung zu geben. Da steht aber nichts zwischen uns, falls Sie das andeuten wollen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir arbeiten freundschaftlich zusammen.

Sie sind jetzt Partei- und Fraktionschef. Ist das eine Vorentscheidung für die Spitzenkandidatur 2027?

Nein, ganz sicher nicht. Ich rate der Partei, die Entscheidung über die Spitzenkandidatur unter dem Lichte des Ausgangs der nächsten Bundestagswahl 2025 zu treffen, wenn wir wissen, in welcher Konstellation es in Berlin weitergeht. Bis dahin haben wir noch einen langen Weg vor uns. Ich halte nichts davon, ins Fernglas zu gucken. Das lenkt nur ab und bringt Nervosität.

Kernthemen Schule, Wirtschaft und Familie

Die FDP hat unter Schwarz-Gelb die Ressorts Schule, Wirtschaft und Familie verantwortet. Wird es neue Schwerpunkte geben?

Die Ministerien haben gut zu unserem Wertekompass gepasst, deshalb bleiben das auch unsere Kernthemen. Auf der Klausurtagung des Landesvorstands wollen wir aber weitere Handlungsfelder erarbeiten. Es wird sicher darum gehen, wie wir in Krisenzeiten unseren Wohlstand, den Industriestandort und unsere Arbeitsplätze sichern. In der Energiepolitik müssen wir unbequeme Fragen stellen.

Was meinen Sie damit?

Ich bin dagegen, die Atomkraft unbefristet zu verlängern, aber ich verstehe nicht, warum wir uns auf einen Ausstieg schon in diesem April festgelegt haben. Es ist doch völlig verrückt, in Zeiten der Energiekrise eigene Energiequellen ohne Not zu verknappen. Mir ist auch unklar, warum wir Schiefergas aus Nordamerika importieren, wenn die Gewinnung bei uns achtmal billiger wäre. Das ist scheinheilig. Ich verstehe nicht, warum die Grünen jede Diskussion über Fracking kategorisch ablehnen.

Welche Rolle soll die Innen- und Rechtspolitik künftig spielen?

Wir müssen uns Fragen, ob der Staat an den richtigen Stellen funktioniert. Das Bauamt kommt, wenn der Balkon fünf Zentimeter zu groß ist, aber bei den Krawallen an Silvester wirkt der Staat auf viele überfordert. Wir werden darauf pochen, dass die Rechtsstaatlichkeit eingehalten wird, auch beim fragwürdigen Vorgehen von Schwarz-Grün in der Haushaltspolitik. Die Prüfung einer Verfassungsklage befindet sich in der Endabstimmung.

Kein gelber Pullunder als Markenzeichen

Sie haben in der schwarz-gelben Koalition mit der CDU vertrauensvoll zusammengearbeitet. Fällt es Ihnen schwer, die alten Freunde jetzt politisch ins Visier zu nehmen?

Ich kann in der Sache hart streiten, ohne dass es persönlich verletzend wird. Wir sind jetzt in einer anderen Rolle. Die nehmen wir an.

Was soll Ihr zentrales Markenzeichen werden?

Eine gelben Pullunder wie Hans-Dietrich Genscher besitze ich nicht. Ich bin inhaltlich getrieben. Die gesunde Diskussionsfreude ist das beste Markenzeichen für eine Partei.