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Happy End für Flutopfer aus Blessem
Nach drei langen Jahren ist Familie Eich endlich ins neue Haus gezogen

Lesezeit 5 Minuten
Bei der Flut 2021 ist das Haus von Susanne und Holger in Erftstadt-Blessem vom Erdboden verschluckt worden. Jetzt wohnen sie in ihrem neuen Haus.

Bei der Flut 2021 ist das Haus von Susanne und Holger Eich in Erftstadt-Blessem vom Erdboden verschluckt worden. Jetzt wohnen sie in ihrem neuen Haus.

Susanne und Holger Eich haben in der Jahrhundertflut alles verloren – außer ihrem Leben. Nun beginnt ein neuer Abschnitt in einem neuen Haus.

Sie kamen nur knapp mit dem Leben davon, ihr Haus ist beim Hochwasser im Juli 2021 vom Erdboden verschluckt worden: Jetzt haben Susanne und Holger Eich eine neue Heimat gefunden. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat das Ehepaar bei seinem Weg zurück in die Normalität seit dem Unglück begleitet. Wir haben ihnen für unsere Serie „Happy End“ nochmal einen Besuch abgestattet.


„Wenn ich es von meiner Warte aus sagen darf: Sollte es noch besser gehen, könnte ich es nicht mehr aushalten“, sagt Holger Eich und lacht. Der fragenden Sprachlosigkeit des Journalisten fügt er mit ernster Miene hinzu: „Ohne Scherz, wir sind hier wirklich angekommen, haben eine neue Heimat gefunden.“ Auch Susanne Eich, seine Frau, klingt nun ernst. „Oh ja, das waren so anstrengende und manchmal furchtbare Jahre für uns, aber jetzt haben wir einen neuen Halt und ein Zuhause gefunden.“

Es ist die Todesangst in den letzten Minuten vor ihrer Rettung, dieses Gefühl, das Susanne Eich und ihren Mann lange begleitet hat. Der Gedanke, verdammt, wir schaffen es nicht, hier kommen wir nicht mehr lebend raus. Und dann die Erinnerung an den Hubschrauber, der wie aus dem Nichts auftauchte, um sie vom Dach ihres Hauses zu bergen.

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Die Fotos von der Grube sind um die Welt gegangen

Das Ehepaar aus dem Erftstadter Stadtteil Blessem hat bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 sein ganzes Hab und Gut verloren. Den beiden gehörte das Haus im Stadtteil Blessem, das samt Grundstück im Hochwasser-Krater versunken ist. Die Fotos der Grube, entstanden durch einen gigantischen Erdrutsch, sind um die Welt gegangen. Sie wurden zum Symbol des Unglücks. Nur ein paar Schlüssel, die keinen Sinn mehr hatten, ein Handy, und das, was sie am Körper trugen, konnten die Eichs retten. Und ihr Leben, im allerletzten Moment.

20.12.2024
Köln: 
Susanne und Holger Eich haben bei der Flut in Erftstadt-Blessem ihr Haus verloren. Mittlerweile wohnen sie in einem neuen Haus.
Foto:Martina Goyert

Susanne und Holger Eich vor ihrem neuen Haus. Aus dem alten ist ihnen nichts geblieben.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die beiden seitdem begleitet. Viermal haben wir darüber berichtet, wie die Eichs sich zurück in die Normalität kämpften. Heute wird es vermutlich das letzte Mal sein. Im Sommer ist das Ehepaar in sein neues Haus gezogen. Am Rand von Erftstadt-Erp, 450 Quadratmeter hat die Parzelle. Das Fertighaus, das im Juli dieses Jahres schlüsselfertig übergeben wurde, hat rund 140 Quadratmeter Wohnfläche. Eineinhalb Geschosse ohne Keller, mitten im Grünen, aber trotzdem nicht weit weg von der Arbeit.

Die Grube, in die das Haus der Eichs im Juli 2021 verschwunden ist.

Die Grube, in der das Haus der Eichs im Juli 2021 verschwunden ist.

Damals, als die reißende Flut immer höher stieg, hatten die Eichs schon überlegt, „welche Todesart wohl die weniger qualvolle wäre.“ Draußen in den Fluten ertrinken oder im zusammenstürzenden Haus von den eigenen Wänden erschlagen werden? „Als dann doch noch Hilfe kam und ich vom Dach unseres Hauses gesehen habe, dass meine Frau am Seil nach oben in den Hubschrauber gezogen wurde, da war ich so glücklich – das kann ich nicht beschreiben“, hat Holger Eich dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor drei Jahren beim ersten Zusammentreffen gesagt. Die Stimme versagte plötzlich und Tränen liefen ihm übers Gesicht. Er sei ein positiver Mensch, habe keine Angst vor Herausforderungen, ergänzte der damals 61-Jährige. „Aber ich sage es ganz offen, ab und zu weine ich seit dem Unglück abends. Oder ich fange plötzlich an zu zittern, ohne offensichtlichen Grund.“

Im Traum läuft Susanne Eich durch das alte Haus

Diese Momente gebe es heute nicht mehr, versichert Holger Eich. „Zum Glück“, sagt er leise. Im Gegenteil. „Meine Mutter hat mich immer damit aufgezogen, dass ich ein ‚Schwadlappen‘ sei - und deshalb fällt es mir auch nicht schwer, neue Leute kennenzulernen und nach vorne zu schauen.“ Das Gefühl, „entwurzelt“ zu sein, gebe es nicht mehr. Die Nachbarschaft jedenfalls sei toll, ergänzt Susanne Eich. Sie schläft manchmal noch schlecht. Im Traum geht sie dann durch ihr untergegangenes Haus. Sieht die zahlreichen Dinge, die sie und ihr Mann besessen haben.

„Ich glaube, ich weiß heute noch, was in jeder einzelnen Schublade lag“, berichtet sie. Es sind nicht die teuren Besitztümer, die sie nachts aufwachen lassen. Ein schon auseinanderfallendes Gebetsbuch aus dem Jahr 1895, das die eine Oma durch zwei Weltkriege getragen hat. Oder ein altes Familien-Fotobuch, das die andere Oma bei der Vertreibung im Zweiten Weltkrieg nicht zurücklassen wollte. Vor allen Dingen aber die Tagebücher, die sie vom zwölften bis zum 25. Lebensjahr geschrieben hat.

Hausrat und Grundstück waren nicht versichert

„Es fühlt sich immer noch komisch an, dass die nicht mehr das sind“, sagt sie. Ihr Mann vermisst nichts mehr von früher. „Ach, das bringt doch nix“, sagt er. Nur das „Balladenbuch“ von 1953, das hat Holger Eich bei Ebay gesucht und gefunden. „Zwei Königskinder“ oder der „Erlkönig“: Die Märchen, Fabeln und Sagen, die Mutter oder Großmutter früher immer vorgelesen haben und die er dann den Eltern später mal vorgelesen hat, die haben ihm gefehlt.

Die Grube, in die das Haus der Eichs im Juli 2021 verschwunden ist.t

Ein zerstörter Ortsteil: Blessem im Juli 2021.

Die Katastrophe hat die Eichs viel Geld gekostet. Das Gebäude war zwar versichert. Der Hausrat und das Grundstück, das im Erdboden versunken ist, aber nicht. Die oft „unglaublich empathische Unterstützung“ von Freunden und Mitarbeitenden der Stadtverwaltung in Erftstadt hätten sehr geholfen, sagt Susanne Eich: „Vor allem emotional, da hatten wir nicht das Gefühl, alleine zu sein.“ Vom Hilfsfonds des Landes aber haben sie nur die Pauschale bekommen, die viele Flutopfer erhalten haben: 21.000 Euro. Schier endlose Formulare und Listen habe sie dafür ausfüllen müssen, berichtet Susanne Eich und kommentiert: „Von wegen schnelle und unbürokratische Hilfe.“ Dass ihr Hausrat ein Vielfaches wert war, habe in Düsseldorf niemanden interessiert. „Unsere Bitte nach einer Einzelfallprüfung wurde nie beantwortet“, sagt sie. Als dann Anfang 2022 der Bescheid kam, hatten die Eheleute keine Kraft mehr, Widerspruch einzulegen.

„Wir waren so erschöpft und psychisch stark belastet, da haben wir es einfach laufen lassen“, sagt Susanne Eich. Ob sie, im Unterschied zu ihrem Mann, noch einmal die Stelle sehen möchte, auf der ihr altes Haus gestanden hat? In ein paar Jahren vielleicht, antwortet die 61-Jährige. „Dann fahre ich mit dem Auto vorbei.“ Und hält sie dann auch an und steigt aus? „Oh nein“, sagt Susanne Eich: „Da hätte ich ein komisches Gefühl, wenn ich mir vorstelle, ich gehe da über die zusammengestampfte Erde unter der alles liegt, was wir geliebt und verloren haben.“