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Ende einer Drogensucht„Mein Kind, wie ich es kannte, ist zurück“

Lesezeit 4 Minuten
Porträt einer Mutter und ihres Sohnes, dem sie durch seine Drogensucht hindurch geholfen hat.
Beide möchten anonym bleiben.

Svanja half ihrem Sohn Johann durch seine Drogensucht.

Svanjas Sohn Johann wurde als Teenager drogensüchtig, heute ist er clean. Ein Protokoll aus unserer Serie „Happy End“ zum Jahresende.

Johann ist 16 Jahre alt, als er in eine Entzugsklinik eingewiesen wird. Es bleibt nicht das letzte Mal. Dreimal zieht der Jugendliche in einer Klinik ein und wieder aus, dreimal wird er rückfällig. Zu Hause kämpft seine Mutter Svanja neben der Sorge um Johann mit den Tabus, die eine Drogensucht des eigenen Kindes mit sich bringt.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ besuchte Mutter und Sohn im Sommer 2023 in ihrer Wohnung im Niederbergischen Land, damals ist Johann vier Monate clean, länger als je zuvor. Vielleicht, sagt Johann nach der Veröffentlichung des Artikels zu seiner Mutter, wird es ja einen Teil zwei seiner Geschichte geben. Wir haben für unsere Serie „Happy End“ mit Svanja gesprochen, die – wie Johann – eigentlich anders heißt.


„Johann ist wieder fröhlich. Es ist wahnsinnig schön zu sehen, wie die dunkle Hülle um dein Kind aufspringt, das so krank und fremd geworden ist. Mein Kind, wie ich es kannte, ist zurück. Es ist das Beste, was uns seit unserem letzten Treffen im Sommer 2023 passiert ist.

Seitdem ist Johann clean geblieben. Ohne Rückfall. Seine Gedanken kreisen heute nicht um Drogen, sondern um Zukunftsziele. Im Oktober konnten wir seinen 20. Geburtstag feiern.

Meine Angst um Johann bleibt. Vermutlich wird sie nie weggehen. Bei seiner Ausbildung musste er einiges nachholen, vor drei Wochen hat er trotzdem seine schriftlichen Prüfungen abgelegt. Die Ergebnisse stehen noch aus, Mitte Januar folgt die praktische Prüfung. Momentan sorge ich mich sehr um seinen Abschluss: Er hat sich so angestrengt. Was passiert, wenn er die Prüfungen nicht besteht? Schafft er es, emotional stark zu bleiben und nicht rückfällig zu werden? Sein Vater und ich versuchen, ihm so viel Druck wie möglich zu nehmen. Wir sagen ihm: Wenn’s nicht klappt, dann versuchst du es halt in einem halben Jahr wieder.

„Ich kann Johann wieder vertrauen“

Seit knapp einem Jahr hat Johann eine feste Freundin, ein ganz tolles Mädchen, das mit Drogen nie etwas am Hut hatte. Mit ihr besucht er jetzt Museen. Als er das erste Mal zu mir sagte: ‚Wir gehen zusammen in den Kunstpalast in Düsseldorf‘, dachte ich, das ist ein Scherz. Aber sie interessieren sich nun beide sehr für Kunstausstellungen. Johann fängt an, das Leben zu genießen und klassische Dinge zu unternehmen, die junge Leute eben machen: Eislaufen am Nachmittag, ein Städtetrip nach Dresden, Treffen auf dem Weihnachtsmarkt.

Unser Verhältnis ist heute viel entspannter und deutlich mehr auf Augenhöhe. Er ist erwachsen geworden. Ich kann ihm wieder vertrauen, ich kontrolliere ihm nicht hinterher, sondern verlasse mich darauf, dass er Dinge auch alleine umsetzen kann. Das Loslassen fällt mir manchmal schwer, aber ich lasse es zu.

„Ich ein normales Jahr, mit schönen und weniger schönen Momenten, aber ohne Katastrophen“

Dadurch, dass die akute Suchtsituation vorbei ist, beginnt bei mir die Verarbeitung dieser Zeit. Manchmal blitzen die schlechten Erinnerungen, die furchtbare Angst, wieder in meinem Kopf. Aber auch das wird weniger.

Als es Johann besser ging, bin ich eine Weile nicht zu Treffen der Selbsthilfegruppe für Eltern drogenabhängiger Kinder gegangen. Bei uns lief es ja gut, und immer neue Horrorgeschichten von anderen Eltern zu hören, fiel mir schwer. Heute bin ich dort wieder aktiv. Ich möchte der Gruppe etwas zurückgeben und Eltern Mut geben, die neu zu uns kommen. Wir haben der Selbsthilfegruppe viel zu verdanken: Ich lernte dort, Johann zu verstehen und ihm wieder näherzukommen. Dadurch konnte ich ihn bei seinem Weg aus der Sucht unterstützen.

Wenn Johann mit seiner Ausbildung fertig ist, möchte er unsere Selbsthilfegruppe besuchen. Ihm ist wichtig, dass Eltern die Perspektive des drogenabhängigen Kindes verstehen. Er will den Eltern Tipps geben, wie sie ihre Bindung zum Kind halten können, welche Fragen sie stellen und auf welche Maßnahmen sie besser verzichten sollten.

Für das neue Jahr wünsche ich mir, dass Johann seine Ausbildung schafft. Das wäre ein riesiger Meilenstein für ihn. Ich wünsche mir, dass er endlich sein Leben leben kann, ohne den Dämon Droge. Mir selbst wünsche ich ein ganz normales Jahr, mit schönen und weniger schönen Momenten, aber ohne Katastrophen. Ein Jahr, in dem alle meine Liebsten gesund bleiben. Nur darauf kommt es an.“