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„Vor lauter Leben die Krankheit vergessen“Wie ein Kölner mit nur einem Bein als Flugbegleiter arbeitet

Lesezeit 3 Minuten
Alex Böhmer steht in seiner Uniform auf einem Rollfeld und blickt auf ein Flugzeug, das neben ihm steht.

„Als wäre ich nie weg gewesen“: Nach einer Beinamputation kämpfte sich Flugbegleiter Alex Böhmer zurück in seinen Traumberuf.

Alex Böhmer wollte einfach nur fliegen. Nach einer niederschmetternden Diagnose drohte der Traum zu scheitern. Wie der 26-Jährige doch noch zu seinem persönlichen Happy End fand.

Schon als Kind wusste Alex Böhmer, dass er fliegen will. Eine Krebsdiagnose durchkreuzte seine Träume – in diesem Jahr hat er trotzdem allen Grund zum Feiern. Sein persönliches Happy End – ganz passend zu unserer Serie zum Jahresende.


Alex Böhmer hat überlebt. In diesem Jahr ist der Kölner fünf Jahre krebsfrei. „Als mir das aufgefallen ist, habe ich mich erst geärgert“, sagt der 26-Jährige. Nicht etwa über den Sieg gegen den Tumor, sondern weil er ihn verpasst hat, den Tag seines Jubiläums. Aber dann kam die Freude: „Gibt es ein größeres Privileg, als vor lauter Leben die Krankheit vergessen zu haben?“

2018 sah seine Realität noch ganz anders aus. „Die Welt, die ich mit 19 und 20 hatte, die war riesig. Alles schien erreichbar.“ Zu dem Zeitpunkt war Böhmer gerade in seinem Traumjob angekommen. Er ist Flugbegleiter. „Ich wollte schon immer fliegen“, sagt er. Mit der Diagnose eines seltenen Knochenkrebses schrumpfte sein Horizont aber mit einem Mal auf die Größe eines kahlen Krankenhauszimmers zusammen. Chemo-Therapien und Operationen, statt eines Lebens immer auf dem Sprung rund um die Welt.

Es gab Komplikationen, sein Bein musste auf Oberschenkelhöhe amputiert werden. Wie es danach weitergehen würde, wusste Böhmer zu dem Zeitpunkt nicht: „Vielleicht verliere ich den Verstand. Vielleicht kann ich trotz Prothese nicht laufen. Vielleicht muss ich ein Leben lang im Rollstuhl sitzen.“ Eine Boeing 747 im Miniaturformat machte ihm Mut, die stand auf seinem Nachttisch im Krankenhaus. Obwohl es zu dem Zeitpunkt noch keine Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter mit Oberschenkelprothese gegeben hatte, fasste Böhmer einen Entschluss: „Dann bin ich halt der Erste.“

Flugbegleiter mit Prothese: „Dann bin ich halt der Erste“

Sein Ziel: Langstrecke, 24 Stunden am Stück unterwegs sein, 16 Stunden davon on Duty, Jetlag inklusive. Nach einem Jahr der Krankheit fing die Reha an. Mit seiner Physiotherapeutin lernte er alles von vorn: Die ersten Schritte mit Prothese, Aufstehen und Hinsetzen, Tabletts balancieren und Koffer transportieren. „Das sollte physiologisch sein und im besten Fall auch noch schön aussehen.“

Über drei Jahre nahm sich der Kölner dafür Zeit, auch, um seelisch wieder gesund zu werden. Dann las er 2022 vom Personalmangel bei der Lufthansa und wusste: „Ich bin bereit.“ Er bestand alle Sicherheitstests und ging nach wenigen Wochen zum ersten Mal wieder mit der Crew an Bord. „Das war, als wäre ich nie weg gewesen.“

Seitdem lebt Alex Böhmer wieder seinen Traum über den Wolken, unterwegs zwischen New York, Kapstadt, Mumbai – ab und zu auch in seiner Heimat. Nicht nur gesundheitlich war 2024 eine gute Zeit für ihn, sondern auch im Job ging es nach vorne, erzählt er: „Seit diesem Jahr darf ich in der First Class arbeiten.“ Neben vielen weiteren Haken stehen jetzt zwei neue auf seiner Liste: fünf Jahre krebsfrei – check, Zusatzqualifikation – check. „Ich bin wieder einen Schritt weiter. Das fühlt sich gut an.“