Bis zu ihrer Festnahme arbeiteten die Rechtsextremisten von Knockout 51 auch mit Verbündeten in NRW zusammen.
Militante KampfsportgruppeTerrorverdächtige Nazi-Gruppe vernetzte sich mit Rechtsextremen in NRW
Die Neonazis aus West- und Ostdeutschland trainierten gemeinsam bei Kriegsspielen des Netzwerks „Kampf der Nibelungen“ aus dem Ruhrgebiet. Vor allem „Dortmund“ habe einen „guten Eindruck“ von den Kameraden in Eisenach und sei beeindruckt davon, was man auf die Beine gestellt habe, prahlte einer der Köpfe der rechtsextremistischen Gruppe „Knockout 51“ bereits im Dezember 2019 in einer Chatgruppe.
Die Kontakte der ostdeutschen Neonazis nach Nordrhein-Westfalen seien eng gewesen, heißt es in einem Ermittlungsbericht des polizeilichen Staatsschutzes. Im Sommer 2020 hätten vier Mitglieder der Eisenacher Terrortruppe einige Dortmunder Rechtsextreme sogar als Bodyguards begleitet, als diese im Ruhrpott Wahlplakate für die Partei „Die Rechte“ aufhängten und Angst vor Angriffen von Linksextremisten hatten.
Personen aus der linksextremen Szene sollten getötet werden
Die Bundesanwaltschaft hat in der vergangenen Woche vier mutmaßliche Angehörige der Eisenacher Neonazi-Kampfsportgruppe Knockout 51 unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen und terroristischen Vereinigung angeklagt. Ferner legt die oberste Anklagebehörde den Deutschen auch mehrfache gefährliche Körperverletzung, Angriffe auf Vollstreckungsbeamte, Landfriedensbruch, versuchte Gefangenenbefreiung und Verstöße gegen das Waffenrecht zur Last. Der Staatsschutzsenat des Thüringer Oberlandesgerichts muss entscheiden, ob er die Anklage zulässt.
„Hierbei handelte es sich um eine rechtsextremistische Kampfsportgruppe, die unter dem Deckmantel des gemeinsamen körperlichen Trainings junge nationalistisch gesinnte Männer anlockte, diese bewusst mit rechtsextremem Gedankengut indoktrinierte und für körperliche Auseinandersetzungen mit Polizeibeamten, Angehörigen der politisch linken Szene und sonstigen als bekämpfenswert erachteten Personen ausbildete“, hieß es. Spätestens seit April 2021 sei das Ziel der Vereinigung das Töten von Personen der linksextremen Szene gewesen.
Enge Kontakte vor allem nach Dortmund
Die Nachforschungen führten die Ermittler in die faschistische Hardcore-Szene. In der Chatgruppe „Vernetzung“ beispielsweise hätten die militanten Neonazis versucht, die Bewegung zu verbinden, „um gemeinsame Aktivitäten zu planen und sich gegenseitig zu unterstützen“, heißt es in einem Behördenpapier. Das Netzwerk reicht demnach von Ostdeutschland über Baden-Württemberg bis nach NRW. Mithin auch zur Splitterpartei „Die Rechte“ rund um die Schlüsselfigur der extremistischen Kampfsportszene: Alexander Deptolla. Laut NRW-Verfassungsschützern organisiert der hochrangige Partei-Kader den „Kampf der Nibelungen“, das größte Fighting-Event brauner Milieus in Westeuropa.
Wehrsportübungen, Schießausbildung im osteuropäischen Ausland sowie Straßenkampftrainings – mit Sorge beobachten die Sicherheitsbehörden, wie militante Nazi-Organisationen ihre Umsturzpläne für den Tag X forcieren. Laut den NRW-Verfassungsschützern lag das „rechtsextremistische Personenpotenzial“ an Rhein und Ruhr im vergangenen Jahr bei 3545. Die Zahl der gewaltorientierten Rechtsextremisten blieb mit 2000 gleichbleibend hoch. 2022 wurden in NRW insgesamt 3453 „politisch rechts motivierte Straftaten“ registriert. Eine Steigerung von zehn Prozent, denn im Jahr zuvor waren es noch 3135 Fälle. Propagandadelikte und Volksverhetzungen machten mit 75,3 Prozent, wie in den Vorjahren, den überwiegenden Anteil der Straftaten aus (2021: 74,3 Prozent). 1390 der Fälle (40,2 Prozent) konnten polizeilich geklärt werden, wobei 1293 Tatverdächtige ermittelt wurden (2021: 1257).
Auch der Ukraine-Krieg wird in der Szene mittlerweile als Möglichkeit entdeckt, Nachwuchs zu rekrutieren. Während etwa die Splitterpartei die Rechte und die NPD in dem Konflikt gegen die USA agitieren, stellt sich die rechtsextreme Vereinigung „Der III.Weg“ auf die Seite Kiews. Unter dem Motto „Nationalisten helfen Nationalisten“ gibt es zahlreiche Kontakt- und Werbeaktionen. Zudem versuchen deutsche Kämpfer wie der ausgereiste Solinger Stephan K. über das Internetprotal der Organisation weitere deutsche Freiwillige für die ukrainischen Seite zu rekrutieren. Die Wuppertaler Staatsanwaltschaft bestätigte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass gegen den Rechtsextremen deshalb jetzt wegen „Anwerbens für einen fremden Wehrdienst “ermittelt werde.
Einem Polizisten aufgelauert und Kiefergelenk, Augenhöhle sowie Jochbein gebrochen
Wie gefährlich die gewaltbereiten Extremisten sind, zeigt das Beispiel Eisenach. Die Bundesanwaltschaft listet in einer Mitteilung 14 Vorfälle auf. Demnach mischten sich die Beschuldigten unter anderem unter „Querdenken“-Demonstrationen gegen die Corona-Politik, wollten in einem „Nazi-Kiez“ für Ordnung sorgen, brachen – ausgestattet unter anderem mit schlagkraftverstärkenden Quarzsand-Handschuhen – bei verschiedenen Vorfällen mehreren Menschen Knochen.
Einem jungen Polizisten beispielsweise wurde im Februar 2022 aufgelauert, nachdem die private Feier, die er besucht hatte, vorher ausspioniert worden war. Der Ort wurde regelrecht umstellt, sodass keiner der Feiernden fliehen konnte. Dann drosch einer der Schläger dem jungen Mann fünfmal mit Quarzsand-Handschuhen ins Gesicht. „Viermal davon gezielt auf dieselbe Stelle, um den Geschädigten zu verletzen“, konstatierten die Ermittler. Die Folge: Mehrfacher Splitterbruch am Kiefergelenkknochen des Beamten, Bruch der linken Augenhöhle und ein zweifacher Bruch des Jochbeins.
„Verbot der Neonazi-Kampfsportgruppe wäre bereits 2019 möglich gewesen“
Derartige Angriffe hatten die Neonazis, die sich als „politische Soldaten“ sahen, nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft zuvor „mit großer Brutalität“ trainiert. Ihre Aktivitäten machten sie teilweise öffentlich, um in der Bevölkerung Angst vor der selbsternannten Ordnungsmacht zu schüren. Ein Vorgang, den die Bundesanwaltschaft als regelrechte „Landnahme“ bezeichnet.
Nach Ansicht der Thüringer Linke-Abgeordnete Katharina König-Preuss hätte schon viel früher gehandelt werden müssen. „Ein Verbot von Knockout 51 wäre spätestens 2019 möglich gewesen“, sagte sie dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Demnach seien mehr als 60 Straftaten, darunter mehrfach schwere Körperverletzungen, Verstöße gegen Waffen- und Sprengstoffgesetz im Zeitraum zwischen 2015 und 2018 bekannt gewesen. Das gehe aus der Antwort der thüringischen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage von ihr hervor. „Es darf jedoch nicht noch einmal so viel Zeit verstreichen, bis der Staat handelt“, so König-Preuss.