Der russische Neonazi Denis Kapustin lebte lange in Köln, wurde zum Hooligan - und kämpft nun in der Ukraine gegen Russland. Der Kreml macht ihn für einen Mordversuch verantwortlich.
Denis Kapustin wird zum StaatsfeindRussland wirft Kölner Neonazi Attentatsversuch auf Putin-Vertrauten vor
Der russische Inlandsgeheimdienst FSB wirft dem lange in Köln lebenden russischen Neonazi Denis Kapustin die Planung eines Mordanschlags auf den Oligarchen und Putin-Vertrauen Konstantin Malofejew vor. Kapustin, der auch als Denis Nikitin bekannt ist, habe laut Moskau geplant, den Gründer des russisch-orthodoxen TV-Senders Tsargrad mit einer Autobombe zu töten. Unabhängig überprüfbar sind die Anschuldigungen nicht. Für Russland ist Kapustin aber ein Staatsfeind.
Kapustin habe sich bei seinen Plänen an dem Mordanschlag auf die Tochter des Putin nahen, faschistischen Vordenkers Alexander Dugin orientiert, behauptet der Geheimdienst. Die Behörde veröffentlichte zudem ein Video, das zeigen soll, wie eine Bombe unter Malofejews Auto zunächst platziert und dann entschärft wird. Kapustin und das „Russische Freiwilligenkorps“ gaben auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters keine Stellungnahme ab.
Denis Kapustin: Aus Köln-Chorweiler an die Front in der Ukraine
Kapustin hatte zu Kriegsbeginn das „Russische Freiwilligenkorps“ mitgegründet. Die Gruppe russischer Rechtsextremer kämpfte fortan gegen ihr Heimatland – und somit vermeintlich auch für die Ukraine. Kiew hat Kapustins „Freiwilligenkorps“ jedoch nie als Teil seiner Streitkräfte anerkannt.
Kapustin lebte wohl ab 2001 in Köln-Chorweiler und sammelte nach Informationen des „Spiegel“ erste Gewalterfahrungen in der Kölner Hooligan-Szene – und stieg in Moskau laut dem Nachrichtenmagazin schließlich zu einer „echten Größe“ der europäischen Neonazi-Szene auf. Später gründete Kapustin ein rechtsradikales Modelabel, immer wieder war er zudem an Neonazi-Kampfsportevents beteiligt.
Denis Kapustin aus Köln kämpft mit rechtsextremen „Freiwilligenkorps“ gegen Heimatland Russland
2019 verlor Kapustin schließlich seinen Aufenthaltstitel in Deutschland und wurde zudem mit einem Einreiseverbot in den Schengen-Raum belegt. Er zog nach Kiew. Dort geriet er wegen mutmaßlichen Drogengeschäften schnell ins Visier der Sicherheitsbehörden.
Dass Kapustin tatsächlich für die Ukraine kämpft, gilt trotz des Aufenthalts in der ukrainischen Hauptstadt als zweifelhaft. Kapustin führe eher einen Kampf gegen das Russland Wladimir Putins, erklärte der Osteuropa-Experte Thomas Dudek kürzlich gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der Neonazi sehe in seinem Heimatland einen „unangenehmen Vielvölkerstaat“, so Dudek. Kapustin sei „in erster Linie Rassist“, ein Russland mit vielen Ethnien sei für ihn „ein Albtraum“.
Kölner Neonazi drang in russische Grenzregion Brjansk ein
Kapustin hatte bereits in der letzten Woche für Aufsehen gesorgt. Russische Medien meldeten am vergangenen Donnerstag einen Angriff in der russischen Grenzregion Brjansk, zwei Zivilisten seien dabei getötet worden. Kapustin veröffentlichte ein Video und bekannte sich dazu, russisches Territorium betreten zu haben. Von Toten oder Verletzten wisse er nichts, sagte Kapustin später der „Financial Times“.
Man müsse „zu den Waffen greifen“, erklärte der Neonazi zudem in dem Gespräch. Das „Freiwilligenkorps“ werde jeden unterstützen, der „diese Kreml-Usurpatoren von der Macht entfernen will“. Das Wort „Usurpator“ bedeutet so viel wie „Thronräuber“.
Kapustin sei „Organisator und direkter Teilnehmer des Angriffs“ in Brjansk, verkündete unterdessen am Montag der FSB. Der Kreml nutzt den vermeintlich für die Ukraine kämpfenden Neonazi für seine Zwecke: Präsident Wladimir Putin sprach in der letzten Woche von einem „ukrainischen Terrorangriff“ und wies seinen Sicherheitsrat an, die Grenzen besser zu schützen. Kiew wies den Vorwurf umgehend zurück und sprach von einer „typisch russischen Provokation“.
Der Kreml-Propaganda wiederum spielen Kapustins Aktionen in die Hände, zumal der Neonazi in der „Financial Times“ nun behauptet, der Grenzübertritt nach Russland sei von ukrainischer Seite genehmigt worden.
Wladimir Putins Geheimdienst wirft Denis Kapustin weiteren Anschlagsplan vor
Der Angriff in Brjansk und nun der angebliche Anschlagsversuch auf Malofejew sind nicht die einzigen Anschuldigungen, die Moskau gegen Kapustin vorbringt. Im vergangenen Sommer soll der Neonazi laut FSB versucht haben, eine „Brennstoff- und Energieanlage“ in der Region Wolgograd zu sabotieren.
In russischen Nachrichtenagenturen wird seit dem Vorfall in Brjansk intensiv über die Vorwürfe gegen den Neonazi mit Kölner Vergangenheit berichtet, am Montag veröffentlichten manche russischen Medien mehr als zehn Artikel zur angeblich geplanten Attacke auf Malofejew.
Kreml nutzt Aktivitäten des mit Köln verbundenen Neonazis für Propaganda
Das russische Außenministerium kommentierte den neuen Mordvorwurf derweil als „Beispiel für die zutiefst kriminelle Natur des Kiewer Regimes“ und warf der Ukraine „terroristische Methoden“ vor. Man habe außerdem „keinen Zweifel“ daran, dass auch die westlichen Unterstützer der Ukraine ihre „stillschweigende Zustimmung“ zu derartigen Aktionen geben würden, erklärte eine Sprecherin.
Der angeblich fast zum Mordopfer gewordene Oligarch Malofejew, einer der treuesten Unterstützer Putins, meldete sich ebenfalls zu Wort. Nichts könne seine „aufrichtige patriotische Position beeinträchtigen“, erklärte er via Telegram.
Die Ukraine lässt bereits seit 2017 international nach dem Senderchef fahnden. Die Behörden in Kiew werfen ihm vor, russische Separatisten in den von Russland besetzten Regionen Donetsk und Luhansk finanziell unterstützt zu haben. Auch bei der Annexion der Krim soll Malofejew nach übereinstimmenden Berichten eine Rolle gespielt haben. Zuletzt konfiszierten die USA im Februar mehr als fünf Millionen Euro des Oligarchen. Laut US-Behörden soll die Ukraine das Geld erhalten.