Mit knapper Elternmehrheit wurden jetzt zwei Kölner katholische Schulen umgewandelt. Die Wogen in der Debatte schlagen hoch.
Kölner Eltern wandeln Schulen umIn jeder dritten NRW-Grundschule gibt die Kirche die Regeln vor, der Staat bezahlt
Für Miriam Hässner ging die ganze Sache gegen ihr Gerechtigkeitsgefühl. „Wir möchten für unseren Stadtteil eine bunte Schule, an der wirklich alle willkommen sind, egal, wie sie leben und was sie glauben“, sagt die Mutter eines Grundschulkindes, das die katholische Grundschule Forststraße in Rath/Heumar besucht. Gemeinsam mit fünf anderen Müttern startete sie eine Elterninitiative, um die sogenannte Bekenntnisschule in eine Gemeinschaftsgrundschule umzuwandeln. Für sie und ihre Mitstreiterinnen ging es um ein gesellschaftlich relevantes Thema in einer Zeit, in der allein in Köln derzeit 15 Grundschulen keine Schulleitungen mehr finden und Grundschulplätze in Köln Mangelware sind.
Denn: In Nordrhein-Westfalen ist jede dritte der 3000 Grundschulen eine sogenannte konfessionelle Bekenntnisschule. In Köln sind es mit 49 katholischen Grundschulen gegenüber 95 Gemeinschaftsgrundschulen sogar etwas mehr. Dabei sind die Bekenntnisgrundschulen – anders als kirchliche Privatschulen – komplett in staatlicher Trägerschaft und zu 100 Prozent vom Staat finanziert. Aber obwohl der Staat bei den katholischen Grundschulen alles bezahlt, gibt die Kirche die Regeln vor: Die richtige Religion ist ausschlaggebend dafür, ob das Kind einen Platz bekommt.
Ein Drittel der Kölner Grundschulen hat einen Anmeldeüberhang
Das heißt, an den katholischen Grundschulen müssen zunächst Kinder der jeweiligen Konfession aufgenommen werden. Bei einem Anmeldeüberhang haben Kinder mit anderer Konfession, einer anderen Religionszugehörigkeit oder konfessionsfreie Kinder das Nachsehen und müssen auf andere Grundschulen ausweichen – auch wenn diese deutlich weiter entfernt vom Wohnort sind. In Köln hatten in diesem Jahr ein Drittel der Kölner Grundschulen Anmeldeüberhänge. Es gibt sogar Schulen in der Region, wie etwa die Gezelin-Schule in Leverkusen-Schlebusch, wo die Anmeldezahlen das Platzangebot regelmäßig so weit übersteigen, dass zuletzt hauptsächlich katholische Kinder aufgenommen wurden. Eltern von ungetauften Kindern werden schon bei der Infoveranstaltung der Schule hingewiesen, dass sie kaum Chancen auf einen Platz haben werden.
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Außerdem muss die Schulleitung zwingend katholisch sein. Bei den sonstigen Lehrkräften werden katholische Bewerber bevorzugt. Die Form der sogenannten staatlichen Bekenntnisgrundschulen gibt es außer in NRW nur noch in Niedersachsen. In anderen Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wurden Bekenntnisschulen bereits vor mehr als 50 Jahren abgeschafft. In Rheinland-Pfalz von der CDU 1970 durch den damaligen CDU-Ministerpräsidenten Helmut Kohl.
SPD-Antrag auf Abstimmung über Umwandlungen an Düsseldorfer Bekenntnisschulen
Die NRW-weite Initiative „Kurze Beine – Kurze Wege“ strebt daher an, dass möglichst viele katholische Bekenntnisschulen zu Gemeinschaftsgrundschulen werden. Ihr Hauptargument: Wenn die Steuerzahler die Schulen finanzieren, dürfe es nicht sein, dass bei zu viel Anmeldungen die Schüler eines Bekenntnisses bevorzugt werden. Zumal nicht in der Situation eines akuten Mangels an Plätzen. Da aber die Bekenntnisgrundschulen in Nordrhein-Westfalen Teil der Landesverfassung sind, ist deren Ende derzeit unrealistisch. Im August hat die SPD im Düsseldorfer Stadtrat daher auf kommunaler Ebene einen Vorstoß gestartet: In einem Antrag sollte die Verwaltung beauftragt werden, an den 40 städtischen Bekenntnisgrundschulen Elternabstimmungen zur Umwandlung in Gemeinschaftsgrundschulen zu initiieren. Der Antrag wurde mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD abgelehnt. „Damit würde ohne ausdrücklichen Bedarf auf Seiten der Eltern Unruhe in die Schulen getragen“, heißt es in einer Pressemitteilung der Düsseldorfer CDU.
Es bleibt den Eltern allerdings der Weg, vor Ort in Eigenregie ein Elternvotum zu initiieren, um die Schule in eine Gemeinschaftsgrundschule umzuwandeln. Doch die Hürden sind hoch: Zunächst müssen zehn Prozent der Eltern der Einleitung eines Umwandlungsverfahrens zustimmen. Ist dieser Schritt getan, gibt es eine formale Abstimmung. Dabei müssen mehr als 50 Prozent der Eltern einer Umwandlung zustimmen. Wirklich demokratisch sei das Verfahren aber keinesfalls, erläutert Miriam Hässner. „Denn die Eltern, die nicht an der Wahl teilnehmen, werden als Neinstimmen gerechnet“.
An der Katholischen Grundschule Forststraße sind die engagierten Mütter den Weg trotzdem gegangen. Auslöser, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, war der Kirchenaustritt der beliebten Schulleiterin der Grundschule. Die Pädagogin, die selbst Religionslehrerin war und mit dem Kirchenaustritt auch ihre Lehrerlaubnis für das Fach verloren hat, war damit als Schulleitung nur noch geduldet. „Es war völlig unklar, was passieren wird, und wir wollten die Schulleiterin gerne behalten“, begründet Hässner. In Köln wurden in den letzten zehn Jahren durch Elternvoten sechs Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsgrundschulen umgewandelt. Hauptauslöser war meist die Schwierigkeit, bei Vakanzen überhaupt eine katholische Schulleitung zu finden, oder dass es eine geeignete Kandidatin gab, die nicht katholisch war. Dabei ändert sich an den umgewandelten Schulen abgesehen von dem Status nichts: Es gibt weiter konfessionellen Religionsunterricht, der ergänzt wird durch das Wahlfach Praktische Philosophie. Schulgottesdienste gibt es ebenso weiterhin wie die Feier der christlichen Feste.
Doch längst nicht in allen Grundschulen in NRW, die den Weg einer Elternabstimmung bislang gegangen sind, gab es die erforderliche Mehrheit. An der Katholischen Grundschule in Bonn-Buschdorf beispielsweise wurde eine solche Umwandlung bereits drei Mal abgelehnt. Meist sind die Debatten in der Elternschaft hochemotional. Das liegt nach Ansicht der Initiative „Kurze Beine – Kurze Wege“ nicht unbedingt daran, dass so vielen Eltern der religiöse Hintergrund sehr wichtig wäre. Vielmehr suchten sie sich die Schulen, wo sie das Gefühl hätten, durch die Auswahlkriterien eine homogenere Schülerzusammensetzung zu finden.
Auch in Rath waren die Debatten in der Elternschaft emotional. Am Ende gab es eine knappe Mehrheit für die Umwandlung: Seit Schuljahresbeginn ist die KGS Forststraße – ebenso wie die ebenfalls durch ein positives Elternvotum umgewandelte KGS Langemaß in Mülheim – laut Ratsbeschluss eine Gemeinschaftsgrundschule. „Uns allen ging es darum, Haltung zu zeigen, dass wir die Einflussnahme der katholischen Kirche in schulische Belange einer städtischen Grundschule für nicht mehr zeitgemäß halten“, resümiert Hässner.
Dabei betont sie, dass einige Frauen der Initiative selber katholisch und evangelisch sind und sich trotzdem für eine Gemeinschaftsschule einsetzen. Sie wollten Stimme sein für Bildungsgerechtigkeit und für die Menschen, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht dafür einsetzen könnten. „Oft hat man das Gefühl, den bildungspolitischen Problemen unserer Zeit ohnmächtig gegenüberzustehen. Hier haben wir die positive Erfahrung gemacht, dass man auch in kleinem Rahmen Dinge zum Guten verändern kann.“