Bisher hatte der Text-Automat „ChatGPT“ noch Probleme mit Fakten. Mit einem neuen Update soll sich das ändern. Ein neues Zeitalter der Künstlichen Intelligenz hat längst begonnen, sagt unser Experte.
„ChatGPT“ und Co.KI-Experte: „Künstliche Intelligenz wird Routineaufgaben übernehmen“
„Schreibe einen Artikel zur Diskussion um den Text-Automaten „ChatGPT“. Beziehe dabei die Expertise von Wirtschaftswissenschaftler Tobias Kollmann ein.“ Das kann inzwischen nicht nur eine Anweisung aus der Redaktionskonferenz sein, sondern auch eine Möglichkeit, wie sich Journalistinnen und Journalisten Arbeitszeit sparen können. Einfach eine Anweisung eintippen und eine Antwort bekommen, die menschlich klingt.
Zugegebenermaßen: Zwischen Studierenden, die ihre Abschlussarbeiten nicht mehr selbst schreiben wollen oder Journalisten, die sich künstlicher Intelligenz bedienen, und der Unterwerfung der Menschheit liegt noch einiges an Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI). Dennoch hat das Start-Up „Open AI“ von Mitbegründer Elon Musk mit der Einführung von „ChatGPT“ eine neue Ära der KI eingeläutet. Da ist sich Tobias Kollmann sicher.
Verstärkter Einsatz von KI im Alltag prognostiziert
Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler mit Lehrstuhl an der Universität Duisburg-Essen forscht seit 1996 zum Einsatz und der Akzeptanz neuer Technologien in Wirtschaft und Gesellschaft. Als ehemaliger und langjähriger Berater des Bundeswirtschaftsministeriums, prognostiziert er einen verstärkten Einsatz von KI im Alltag, wie er jetzt durch „ChatGPT“ erstmals für eine breite Öffentlichkeit sichtbar wurde:
„Wenn man auf die Historie blickt, haben sich neue Technologien immer dann durchgesetzt, wenn sie schneller, kostengünstiger und besser im Hinblick auf ein Ergebnis waren. Das wird auch bei der KI der Fall sein und diejenigen, die sie einsetzen werden, bekommen im Wettbewerb einen Vorteil und werden damit auch die Konkurrenz zwingen, ebenfalls „ChatGPT“ und dergleichen zu nutzen.“
Die drei Zeitalter der Digitalisierung
Laut Kollmann teilt man in der Forschung die Entwicklung der Digitalisierung in drei Zeitalter ein: „Im ersten Zeitalter von Big Data haben wir für Information, Kommunikation und Transaktion alles digitalisiert, was man digitalisieren konnte. Das Problem dabei ist, dass wir inzwischen so viele Daten haben, dass wir sie in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik gar nicht mehr selbst verarbeiten können. Wir müssen das an intelligente Systeme übergeben.“
An diesem Punkt setzen Technologien wie „ChatGPT“ an und bilden somit einen Meilenstein für das zweite Zeitalter, bei dem nun die „Big Intelligence“ im Fokus steht. „Hier wird uns die Künstliche Intelligenz helfen, in diesen Datenmengen nach strukturierten Mustern zu suchen, um daraus Erkenntnisse abzuleiten. Dabei wird die KI auch Zusammenhänge erkennen, die wir entweder vorher schon kannten oder nur vermutet oder eben noch gar nicht gesehen haben“, sagt Kollmann.
KI sei nun durch ChatGPT dafür für jeden sicht- und erfahrbar geworden. „Jeder bekommt von diesem Chatbot nun fertige Antworten aus dem riesigen Datenpool des Internets und es geht nur noch darum, ihm die richtigen Fragen zu stellen.“
Wie gehen wir mit den Antworten verantwortungsvoll um?
Das führt über kurz oder lang zum dritten und letzten Zeitalter der Digitalisierung, bei der es um die „Big Responsibility“ gehen wird. „Wir werden uns hier fragen müssen, was wir mit den Antworten machen und wie wir mit diesen verantwortungsvoll für unsere wirtschaftliche, gesellschaftliche aber auch politische Entwicklung umgehen werden.“, sagt Kollmann.
Die Gefahr der Manipulation sei jedoch groß. „Viele werden auch die KI nutzen wollen, um ihre wirtschaftliche Machtposition oder ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen“, sagt Kollmann und weist daraufhin, dass schon heute die KI-Algorithmen in den Sozialen Medien die Bedürfnisse der Userinnen und User analysieren und den Content auf sie anpassen „Ob dieser dann gut oder schlecht ist, liegt in der Hand hinter dem Content und ob die es gut oder schlecht mit einem meint“, gibt Kollmann zu bedenken.
Kollmann kritisiert Digitalisierungsstrategie der Bundespolitik
Obwohl KI in vielen Branchen als eine der wichtigsten Zukunftstechnologien in der Digitalisierung gefeiert wird, spielt sie in der politischen Unterstützung jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Laut Kollmann „haben wir zwar eine KI-Strategie der Bundesregierung, aber die droht genauso wirkungslos zu bleiben, wie die gesamte Digitalpolitik derzeit.“ Es fehle der Umsetzungswille und die Umsetzungskompetenz in diesem Bereich.
„Im Moment glaube ich nicht an den KI-Standort Deutschland, weil andere politische Punkte auf der Agenda stehen. Zudem hat die Politik die Auswirkungen der Digitalisierung nie richtig verstanden und entsprechend keine geeigneten politischen Antworten gegeben. Warum sollte das jetzt für die KI anders sein?“, meint Kollmann.
Führende KI-Unternehmen kämen nicht aus Europa
„Die einzige Hoffnung werden wieder einzelne Akteure aus der Praxis sein, die sich von den schlechten Rahmenbedingungen in Deutschland mit DSGVO oder dem AI-Act der EU-Kommission nicht abschrecken lassen“, findet Kollmann und nennt hier das Übersetzungstool „DeepL“ als gutes Beispiel.
Das Kölner Unternehmen sei jedoch die Ausnahme. „Einmal mehr müssen wir leider beobachten, dass die führenden KI-Systemen mal wieder nicht aus Europa kommen. Wir haben schon das Rennen um die zentralen Plattformen im Internet verloren und das droht uns nun auch bei den KI-Systemen. Wir waren, sind und bleiben so abhängig von den Anbietern aus den USA und China und die werden immer mitverdienen, wenn wir sie nutzen und das gilt aktuell auch für ChatGPT“, sagt Kollmann.
Veränderungen in der Arbeitswelt
„ChatGPT“ kratzt aber letztendlich erst an der Oberfläche von dem, was mit KI möglich sein wird. Bilder von Muttermalen können durch eine KI schon heute schneller ausgewertet und somit Anzeichen auf Hautkrebs schneller erkannt werden als von ausgebildeten Ärztinnen. Vertragswerke können schneller analysiert werden als von Anwälten und Mitarbeiter im Call-Center ersetzt werden. Generell soll KI immer dort zum Tragen kommen, wo Routineaufgaben zu erledigen sind. Das stellt viele Branchen vor unbequeme arbeitsrechtliche Fragen.
Kollmann ist sich hier sicher: „Es werden durch die KI wahrscheinlich genauso viele Jobs wegfallen, wie neue entstehen werden. Das Problem dabei ist, dass die betroffenen Menschen hier im Jobprofil nicht transferierbar sein werden. Wir werden diejenigen, die wegen einer KI nicht mehr gebraucht werden, nicht so einfach zu KI-Experten umschulen können. Das heißt, wir brauchen hier andere sozialverträgliche Lösungen.“
In Zukunft könnten laut Kollmann viele neue Berufe entstehen wie KI-Manager, KI-Programmierer, KI-Content-Controller und andere, die man heute noch nicht kennt. „Zudem wird KI in allen Berufen und auch im Alltag ein Werkzeug sein, um den Horizont zu erweitern, Kreativität zu unterstützen, Tipps und Hinweise zu bekommen und in verschiedene Richtungen zu denken, an die man vorher nicht gedacht hat“, sagt Kollmann.
Mit dem neuesten Update „ChatGPT 4“, kann die KI nun auch Bild- und Videoinformationen verarbeiten. Der Softwareentwickler „Futuri Media“ hat vor kurzem „RadioGPT“ vorgestellt, das standardisierte Tätigkeiten eines Radiomoderatorenteams übernehmen kann.
Das KI-Zeitalter scheint in vollem Gange zu sein und sich immer weiter in den Alltag einzuflechten. In Zukunft scheint es daher umso wichtiger, transparent zu kommunizieren, welche Informationen, Produkte oder Ergebnisse auf eine KI zurückzuführen sind. Eine Art „KI-Kennzeichen“, nennt Kollmann es.
Daher zum Schluss noch ein wichtiger Hinweis: Dieser Text wurde zu 100 Prozent ohne den Einsatz von „ChatGPT“ oder einer anderen Künstlichen Intelligenz verfasst – auch wenn das möglicherweise Arbeitszeit gespart hätte.