Im Frühsommer haben wir zwei Menschen aus der Region getroffen, die uns nachhaltig beeindruckten. Wir haben nachgefragt, wie es ihnen heute geht.
Nachgehakt bei bemerkenswerten MenschenZwei ganz besondere Schicksale: Frau Bayrams Sorgen, Herrn Bernauers Hoffnung
Jelena Bayram, 66, aus Köln hat nach dem frühen Tod ihrer Tochter ihre beiden damals drei und 14 Jahre alten Enkelsöhne bei sich aufgenommen und zieht sie seither groß. Wir hatten sie im Mai besucht und uns ihre Geschichte erzählen lassen. So geht es ihr heute:
„Mit den Jungs läuft es gut. Rafael ist im Sommer in die Schule gekommen, schon sechs Wochen später hat er die Mehltüte, die ich gekauft hatte, sehr konzentriert inspiziert und vorgelesen, was da draufsteht. Er lernt schnell. Und selbständig ist er auch, letztens war ich mal etwas zu spät zum Abholen, da war er schon allein nach Hause spaziert.
Er ist sehr ehrgeizig, aber auch stur. Immer will er sich durchsetzen. Gerade haben wir fast täglich eine Diskussion über seinen Geburtstag im Februar. Er will 13 Kinder einladen, ich finde das aber zu viel. Auch abends sieht er manchmal nicht ein, dass er ins Bett gehen muss. Das ist oft anstrengend. Ich brauche dann zuweilen auch Unterstützung von seinem großen Bruder Samuel. Wenn der ein Machtwort spricht, hört Rafael da manchmal besser als auf mich. Samuel ist sich dieser Verantwortung aber auch bewusst. Je älter ich werde, umso mehr Unterstützung werde ich auch von ihm brauchen. Er wird im Frühjahr 19 Jahre alt und macht dann auch sein Abitur. Was die Noten betrifft, sieht es gut aus. Er will danach auf Lehramt studieren. Noch mehr freut mich, dass er einige gute Freunde hat, mit denen er ausgeht, das scheinen alles gute Jungs zu sein.
Ich selbst habe mich etwas in mein Schneckenhaus zurückgezogen. Meine Mutter ist im September mit 85 Jahren verstorben. Wir konnten bei ihr sein, haben ihr die Füße gestreichelt und uns verabschiedet. Der Tod meiner Tochter hat mir mehr zugesetzt, aber auch der Verlust meiner Mutter tut mir sehr weh. Sie war immer in unserer Küche, wenn ich nach Hause kam. Ich konnte ihr alles erzählen. Emotional fühle ich mich da gerade etwas überfordert. Und auch finanziell ist es durch den Wegfall ihrer Rente schwieriger geworden. Ich besuche mit Rafael zusammen eine Trauergruppe. Der Austausch mit den Frauen dort tut mir sehr gut. Manchmal denke ich an die Zeit, in der ich junge Mutter war und bin erstaunt darüber, wie unbeschwert und glücklich ich damals war. Ein bisschen Trost finde ich darin, dass meine Mutter nun bei meiner Tochter ist. Ich habe ihr gesagt, dass sie Deniz und meinen Vater grüßen und ihnen sagen muss, sie sollen alle auf mich warten. Bis Rafael erwachsen ist. Ich hoffe, sie hat so lange Zeit.
Dominik Bernauer, 43, aus Refrath hatte dreimal Leukämie. Stammzellentransplantationen retteten ihm das Leben. Wir hatten ihn im April besucht und uns seine Geschichte erzählen lassen. So geht es ihm heute:
Auf den Artikel und den Auftritt in der Uniklinik im Frühsommer habe ich wahnsinnig viel positive Resonanz bekommen. Auch ein im August ausgestrahltes YouTube-Videointerview der Uniklinik Köln hat nochmal sehr viele Menschen erreicht. Die wertvollste Erfahrung ist, dass ich dadurch inzwischen anderen Patienten weiterhelfen kann. Es gibt da den ein oder anderen, der eben mit jemandem sprechen will, der weiß, was es heißt, diese Diagnose und diese Transplantation durchzumachen. Die fühlen sich von mir verstanden. Es freut mich total, wenn ich da behilflich sein kann. Aber auch mir persönlich tut das gut. Wir alle merken durch den Austausch: Wir sind nicht allein.
Im kommenden Jahr will ich mit zwei Kolleginnen ein Buch über Mitarbeiterbindung schreiben. Außerdem darf ich möglicherweise eine Forschergruppe begleiten und beraten, auch im Patientenbeirat der Uniklinik kann ich vielleicht mitwirken. Für mich ist das eine Möglichkeit, etwas zurückzugeben. Denn unterm Strich empfinde ich nach all dieser Zeit vor allem Dankbarkeit. Ohne die Forschung, ohne das medizinische Personal, wäre ich längst nicht mehr. Und ich muss auch häufig an die älteren Patienten denken, die eben nicht mehr so viel Kraft haben, sich durch alle Anträge und Formulare der Krankenkassen und so weiter durchzukämpfen. Es bräuchte da viel mehr Lotsen und Sozialarbeiter, die diese Menschen beraten.
Seit Sommer bekomme ich ein neues Medikament, das ganz gezielt meine Abstoßungsreaktionen nach der Transplantation bekämpft. In meinem Fall erhoffe ich mir davon eine Verbesserung meiner Sehfähigkeit, eine Reduzierung meiner Muskelkrämpfe und weniger Hautprobleme. Bislang hat das leider keine Wunder bewirkt, aber seit ich es mit einem alten Medikament kombiniere, haben sich immerhin einige meiner dauerwunden auf der Haut etwas beruhigt. Das ist ein großer Fortschritt, schließlich sind diese ständigen Entzündungen sowohl für den Körper als auch für die Psyche schädlich. Vielleicht kann das Medikament aber ja noch mehr. Dafür brauche ich noch etwas mehr Geduld und Hoffnung.
Privat planen wir den 90. Geburtstag meines Vaters im März, darauf freue ich mich. Außerdem wollen wir zweimal verreisen. Das ist allerdings etwas aufregend, schließlich muss ich meine Kühlbox mit den Augentropfen unfallfrei mitreisen lassen. Da gilt es noch Gespräche zu führen mit der Airline und der Unterkunft vor Ort. Aber wir haben schon schwierigeres hinbekommen.