Könnte ein Verbot von Prostitution wie in Schweden oder Frankreich vor allem Frauen die Würde zurückgeben?
Prostitution in NRW verbieten?Der Gesetzgeber erlaubt es, dass Frauen sexuell ausgebeutet werden
Dorothee Bär (CSU) sprach jüngst davon, Deutschland entwickle sich zum „Bordell Europas“ und regte ein Verbot von Prostitution an. Würde das die Lage verbessern? Tanja Wessendorf pocht auf die Freiheit der Sexarbeiterinnen und den Schutz der Legalität. Claudia Lehnen findet: Prostitution ist mit der Menschenwürde unvereinbar, der Gesetzgeber müsse deshalb als Wertvermittler eingreifen.
Den Körper eines anderen zu kaufen, um sich daran sexuell zu befriedigen, ist in Deutschland seit dem Jahr 2002 eine normale Verbraucheroption. So wie Brötchen zu erwerben oder sich die Haare schneiden zu lassen. Vertragsrecht und fertig. In ganz überwiegender Zahl sind es Männer, die Prostituierte bezahlen, um über deren Körper als Material verfügen zu können. Und damit ist es in Deutschlands emanzipierter Gesellschaft des 21. Jahrhunderts immer noch möglich, Frauen sexuell auszubeuten, sie unter Druck zu setzen, wenn nicht durch Gewalt, dann eben durch unsere lange patriarchale Geschichte, die immer noch unsere Gewohnheiten prägt.
Am Ende führt die Legalität von Prostitution dazu, dass Männer unterstützt von der deutschen Gesetzgebung nicht nur auf ihre Befriedigung pochen können, sondern auch reicher gemacht werden. Denn auch die finanziellen Profiteure dieses Wirtschaftszweiges sind in überwiegender Zahl nicht die selbstbestimmten Sexarbeiterinnen, sondern Bordellbetreiber, die hohe Mieten verlangen, und Zuhälter.
Prostitution hat mit Menschenwürde wenig zu tun
Prostitution wird in Deutschland als ein Job wie jeder andere behandelt. Das ist er aber nicht. Es gibt Rechtswissenschaftler, die jüngst zu dem Ergebnis kamen, dass die derzeitige deutsche Gesetzgebung gegen Artikel 1, Grundgesetz, das Gebot der Menschenwürde, verstoße. Prostituierte würden zu Objekten degradiert, mit Würde habe das wenig zu tun.
Staatsanwaltschaften und die Polizei gehen davon aus, dass die allerwenigsten Frauen ihren Job freiwillig ausüben. Sie sprechen von einem Prozentsatz im ein- bis unteren zweistelligen Bereich. Bei der überwiegenden Mehrheit der etwa 10.000 Prostituierten in NRW aber handelt es sich um Frauen in Not. Zwangsprostituierte werden aus Afrika, Südosteuropa, Fernost oder der Türkei nach NRW geschleust, Männer nehmen ihnen die Pässe ab, vergewaltigen und schlagen sie und zwingen sie, das Geld für die Schleusung abzuarbeiten. Für andere Frauen erscheint der Verkauf des eigenen Körpers die einzige Möglichkeit, einer finanziellen Ausweglosigkeit zu entkommen. Aber auch die wenigen, die sich selbstbestimmt für die Tätigkeit als Sexarbeiterin entschieden haben, berichten häufig irgendwann von Gewalt und dem Verlust der Autonomie. Im gekauften sexuellen Akt ist ein Vertragsrücktrittsrecht für die Frau oft schwer durchsetzbar.
Verbot wirkt als Barriere für Menschenhändler und Zuhälter
Befürworter der gegenwärtigen Gesetze argumentieren, dass nur die Legalität den Prostituierten einen gewissen Schutz bieten könne. Beispiele aus anderen Ländern legen nahe, dass ein Verbot mehr bringt. Schweden, Norwegen, Island oder Frankreich, wo Freier bestraft werden, zeigen, dass die Straßenprostitution so zurückgedrängt werden konnte und das Verbot als Barriere für Menschenhändler und Zuhälter wirkt, da keine offiziellen Einnahmen mehr möglich sind.
Viel wichtiger ist aber: Auch die Einstellung der Bevölkerung zum Kauf sexueller Dienstleistungen hat sich im Laufe der Zeit in diesen Ländern verändert. Die Gesetzgebung hat es hier geschafft, als Wertvermittler zu wirken. Das ist ein wenig wie beim Rauchverbot. Die Freiheit der Raucher wurde beschnitten, weil andere darunter leiden. Der anfängliche Protest hat sich längst in Luft aufgelöst und heute gilt es als gesellschaftlicher Konsens, dass niemand zum Käsekuchen im Café auch noch drei Lungenbrötchen inhaliert.
Das kann auch bei der Prostitution klappen. In Schweden befürwortet heute eine klare Mehrheit von mehr als 70 Prozent das restriktive Modell. In Frankreich gibt es Männerorganisationen wie Zéromacho, die die Prostitution ächten wollen. Das sollte uns die Hoffnung geben, dass auch wir in der Lage sind, uns weiterzuentwickeln. Ein Gesetz könnte den Anstoß geben für die Frage, welches Männer- und Frauenbild wir leben wollen. Vielleicht ja eines, in dem Frauen keine Sexobjekte und Männer keine triebgesteuerten Tiere sind. Und eines, das auch Frauen erlaubt, aus einem einzigen Grund Sex zu haben: Weil sie Lust drauf haben.