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Schleuser-Verfahren
Hauptbeschuldigter belastet Solingens Oberbürgermeister schwer

Lesezeit 4 Minuten
Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD)

Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD)

Claus B., Hauptbeschuldigter bei den Schleuser-Ermittlungen, belastete mehrere Politiker, unter ihnen Solingens Oberbürgermeister Kurzbach (SPD).

Viele NRW-Regional-Politiker blicken derzeit gebannt nach Düsseldorf. Seitdem der Kölner Anwalt Claus B., der mutmaßliche Chef der sogenannten „Luxusschleuserbande“, bei der Staatsanwaltschaft während seiner Untersuchungshaft zweimal ausgesagt hat, geht die Angst um. Hohe kommunale Entscheidungsträger fürchten, mit in den Ermittlungsstrudel gezogen zu werden.

Die Strafverfolger in Düsseldorf versuchen einen Sumpf zu durchdringen, in dem politische Protektion, Parteispenden oder Schmiergeldzahlungen zwischen Düren, dem Rhein-Erft-Kreis bis nach Solingen das Schleusergeschäft befördert haben sollen. Der Jurist Claus B. soll mit seinem Kölner Anwaltspartner Martin D. (Name geändert) jene Schleuserbande angeführt haben, die laut Staatsanwaltschaft seit 2015 mehr als 350 meist wohlhabende Chinesen mit fingierten Investorenmodellen oder falschen Arbeitspapieren nach Deutschland geschmuggelt hat.

Aufenthaltsgenehmigung für 350.000 Euro

Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, hat Anwalt Claus B. diverse Politiker belastet. 2015 sollen Kontakte über die Lenker einer Unternehmensgruppe zum damaligen Chef der Solinger Ausländerbehörde hergestellt worden sein. In diesem Kreis soll laut Staatsanwaltschaft ein kriminelles Schleusermodell über Offene Handelsgesellschaften (OHG) entworfen worden sein.

Über die OHG-Schiene wurden die chinesischen Kunden als angebliche Geschäftsführer, Gesellschafter sowie Geldgeber deklariert, um sich das Aufenthaltsticket nach Deutschland mit bis zu 350.000 Euro zu erkaufen. In den Firmen hatten die asiatischen Migranten nichts zu sagen. Tatsächlich soll ein Solinger Konzernmanager die Geschäfte der mutmaßlichen Schleuser-Gesellschaften geführt haben. Ein größerer Teil des angeblichen Millionen Investments, so der Verdacht, soll in die Taschen der Schleuserbosse geflossen sein.

Etliche Personen aus dem Solinger Rathaus sollen informiert gewesen sein

Bei der zuständigen Sachbearbeiterin der bergischen Industrie- und Handelskammer (IHK), die in solchen Fällen für Solingen zustimmungspflichtig war, bestanden laut Aussage des mutmaßlichen Schleuserchefs Claus B. bereits 2015 ehebliche rechtliche Einwände gegen das Geschäftsmodell. Doch der damalige Ausländeramtsleiter habe das Projekt unbedingt durchsetzen wollen, berichtete der Kronzeuge. „Mit der IHK kriegen wir das schon hin, zur Not aber machen wir das ohne die IHK“, soll der Solinger Behördenchef getönt haben.

Bei einem Termin, so Anwalt B., soll der Chef des Ausländeramts die IHK-Sachbearbeiterin auf Kurs gebracht haben. „Ich will das aber so“, habe der Amtsträger das Gespräch schließlich beendet. Nach dem Rüffel habe die IHK-Mitarbeiterin eine neutrale Stellungnahme abgegeben. Somit ging das Schleuserfirmenmodell an den Start. Laut dem mutmaßlichen Bandenboss und Anwalt B. sollen etliche Protagonisten aus der Rathausspitze über das fragwürdige OHG-Gesellschafter-System im Bilde gewesen sein: unter anderem der damalige Ausländerbehördenchef H., später dann auch sein Nachfolger bis hin zum Rechtsdezernenten Jan Welzel (CDU) und Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD).

Spende an die SPD im Focus der Ermittler

Offen habe man darüber gesprochen, dass die Kunden sich nicht immer alle im Land aufhalten würden, behauptete der Kronzeuge. In dem Zusammenhang zitierte der Jurist auch den einstigen Solinger Ausländeramtschef H, der gesagt haben soll.: „Das ist mir letztlich egal, wir gehen da nicht ständig kontrollieren, ob die Leute da ständig wohnen.“ Es sei nur wichtig, dass die Leute sich nicht sechs Monate am Stück außer Landes aufhalten würden. In dem Fall ende die Aufenthaltsgenehmigung automatisch.

Äußerst brisant ist die Aussage des Kronzeugen zu den Parteispenden an die Solinger SPD. Demnach soll Oberbürgermeister (OB) Kurzbach die Unternehmerfamilie Z. (Name geändert) freundlich um eine Spende gebeten haben. Daraufhin sei auch eine fünfstellige Summe geflossen. Über die genaue Höhe wisse er aber nichts, so Schleuserchef B.. Tatsächlich hatte der Seniormanager des Unternehmens im Dezember 2019 und kurz vor dem Kommunalwahlkampf 2020 knapp 20.000 Euro an die Solinger SPD überwiesen.

Pikanterweise steht der Sohn des Spenders auf der Beschuldigtenliste, weil er das Schleusergeschäft maßgeblich mitbetrieben haben soll. Auf Anfrage wollten sich beide Manager nicht zu dem Fall äußern.

„Kölner Stadt-Anzeiger“ fragte bereits vor einer Woche an

Die Aussage des mutmaßlichen Schleuserbosses passt jedenfalls nicht zu den Beteuerungen durch OB Kurzbach. Von den damaligen Spenden will der SPD-Politiker erst kürzlich erfahren haben. Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ wollte Kurzbach sich nicht zu dem Sachverhalt äußern.

Erstmals vor einer Woche von unserer Zeitung um eine Stellungnahme gebeten, räumte Kurzbach jetzt per Pressemitteilung ein, bei den Schleuser-Ermittlungen mittlerweile als Beschuldigter geführt zu werden. „Ich habe der Staatsanwaltschaft meine volle Kooperation zugesichert und werde alles Erdenkliche tun, um die mir nun bekannten Vorwürfe auszuräumen“, schreibt er. Die Angelegenheit stelle sich derzeit für ihn so dar, „dass ein einzelner Beschuldigter mich gemeinsam mit weiteren Personen in eher allgemeiner Form insbesondere als angeblicher Mitwisser beschuldigt hat. Da mir klar ist, dass dies nicht den Tatsachen entspricht, blicke ich den nun folgenden Ermittlungen entspannt entgegen.“

Solinger Oberbürgermeister beantragt Disziplinarverfahren gegen sich selbst

Weiterhin hat das Solinger Stadtoberhaupt beim Regierungspräsidenten in Düsseldorf die Einleitung eines Disziplinarverfahrens „gegen mich selbst beantragt, um mich von dem Verdacht eines Dienstvergehens zu entlasten“. Der mitbeschuldigte Rechts- und Ausländerdezernent Welzel erklärte: Es sei keine rechtswidrige Niederlassungserlaubnis ergangen. „Ich halte die Arbeit der Solinger Ausländerbehörde verwaltungsrechtlich für korrekt. Allerdings erwarte ich als Amtsträger, dass mir nunmehr auch die strafprozessualen Rechte eines Beschuldigten zugestanden und mir vermeintlich strafrechtlich relevante Verfehlungen auch rechtsstaatlich sauber vorgehalten und auch bewiesen werden.“ Die Sprecherin der Stadt Solingen verwies zudem auf die Unschuldsverdsvermutung: „Wir möchten betonen, dass das Vorliegen einer Beschuldigung, das heißt eines einfachen Anfangsverdachtes, allein noch keine Schuld impliziert.“