Die Doppelgänger von Kim Jong-un und Wladimir Putin halfen Umid Isabaev 2022 zur Flucht aus Kiew. Er hat Angst vor der Rückkehr in die Heimat.
Asylantrag in Deutschland abgelehntSelenskyj-Double droht die Abschiebung nach Usbekistan
Hat ihm das Leben bloß übel mitgespielt oder ist es die Chance, die man nur einmal bekommt? Wenn Umid Isabaev darüber nachdenkt, könnte er verrückt werden.
Umid Isabaev, 43, Autolackierer aus Usbekistan, hat gerade viel Zeit zum Nachdenken. Zu viel Zeit. War es Fluch oder Segen, dass er dem Staatspräsidenten der Ukraine zum Verwechseln ähnlich sieht? Wie aus dem Gesicht geschnitten.
Alle hier nennen ihn nur den Selenskyj. Oder Präsident Selenskyj. In der ärmlichen Gegend einer Ruhrgebietsstadt, die nicht danach aussieht, als würden hier Gewinner leben. Den genauen Ort dürfen wir nicht preisgeben, weil der Doppelgänger fürchten muss, dass ihn sonst die Falschen aufspüren könnten.
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Seit fast zwei Jahren führt Umid Isabaev in Deutschland ein Leben auf Abruf. Sein Asylantrag wird am 27. September 2022 abgelehnt, obwohl er noch im Februar, als Russland die Ukraine überfällt und er in Kiew lebt, der Krieg immer näher rückt, sich seines Lebens nicht mehr sicher sein kann. Isabaev verlässt das Land auf abenteuerliche Weise, kommt über Polen nach Deutschland.
Ablehnender Bescheid der Härtefallkommission
Wie lange er noch geduldet wird, ist unsicher. Denn auch die Härtefallkommission hat im Juni dieses Jahres negativ entschieden. Solange unklar ist, ob sein Asylfolgeantrag Erfolg hat, darf er bleiben. Danach droht ihm die Abschiebung nach Usbekistan. Als usbekischer Staatsbürger fällt er nicht unter den besonderen Schutz, der ukrainischen Flüchtlingen seit dem 4. März 2022 in der Europäischen Union gewährt wird.
Vor zwei Jahren haben sich die Medien auf ihn gestürzt. Auch wir haben über ihn berichtet. Es waren vor allem die Umstände seiner Flucht aus Kiew, die für Schlagzeilen sorgten und die nur gelingen konnte, weil sie von zwei anderen Doppelgängern geplant und organisiert wurde.
Howard X, der seit Jahren als Imitator des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un weltweit Karriere macht und in Australien lebt, überzeugt Slawomir Sobala, Transportunternehmer im polnischen Breslau und bis zum Kriegsbeginn 15 Jahre lang erfolgreich als Putin-Double im Geschäft, davon, Isabaev aus Kiew zu schleusen.
Er habe Sobala angerufen und ihm zu verstehen gegeben, dass nicht nur er wegen seines Aussehens gefährdet sei. „Ich habe ihn wegen Umid um Hilfe gebeten“, sagt das Double von Kim Jong-un. „Wir Doppelgänger von wichtigen Politikern sind eine verschworene Gemeinschaft und helfen uns gegenseitig, wenn es gefährlich wird.“ Umid Isabaev habe er 2020 bei Dreharbeiten für eine russische Dokumentation über Politiker-Doubles kennengelernt. Seither stehen sie in Kontakt.
Treffen bei der Fußball-EM in Düsseldorf
Wenn sie nicht zusammen vor der Kamera stehen, was zuletzt im Sommer 2022 für eine Arte-Dokumentation in Berlin der Fall war, bilden der falsche Kim Jong-un und der falsche Selenskyj ein Paar, das unterschiedlicher kaum sein könnte.
Am 21. Juni haben sie sich nach mehr als einem Jahr wiedergetroffen. Beim EM-Spiel der Ukraine gegen Slowakei in Düsseldorf. Howard X ist eigens aus Australien gekommen. Für ihn ist die Europameisterschaft in Deutschland eine willkommene Bühne. Wolodymyr Selenskyj in seiner typischen Uniform grüßt neben dem furchterregenden Kim Jong-un von der Stadiontribüne. Die Bilder gehen um die Welt. „Ich habe das getan, um Umids Stimmung ein bisschen zu heben. Das hat in der Ukraine für viel Aufsehen gesorgt“, sagt Howard X.
Das alles hat so gar nichts mit dem Umid Isabaev zu tun, der uns vier Wochen später in einer Lokalität gegenübersitzt, die gleichzeitig Eckkneipe, Imbiss und Café sein will. Umid wirkt unsicher, schaut sich immer wieder um, will wissen ob auch keiner in der Nähe das Gespräch mitverfolgen kann.
Seit unserem letzten Treffen im Frühsommer 2022 im Flüchtlingslager in Weeze hat sich viel verändert. Der Kontakt zu seiner Frau und den beiden Kindern in Usbekistan sei abgerissen. Seine Eltern seien von den usbekischen Behörden aufgesucht und nach seinem Aufenthaltsort gefragt worden, erzählt er. „Sie haben sie aufgefordert, mich davon zu überzeugen, dass ich nach Hause kommen soll.“
In Weeze sei er mehrfach von prorussischen Flüchtlingen bedroht worden und deshalb in Berlin untergetaucht. „Ich hatte eine Genehmigung der Behörden, die Dokumentation mit Arte zu drehen und bin nicht mehr zurückgekehrt.“
Erst im September 2023 habe man ihn aufgespürt und zur Rückkehr nach Weeze aufgefordert. Dass sein Asylantrag abgelehnt sei, habe er erst drei Monate zuvor erfahren, „weil Howard einen Anwalt beauftragt hat, der mich vertreten sollte.“
In Berlin untergetaucht
Zwei Monate später kehrt Umid Isabaev nach Weeze zurück. Er hat keine andere Wahl. „Ich wurde natürlich sofort erkannt und von einem Mob russischsprachiger Flüchtlinge umringt, die vor den Augen der Security Morddrohungen ausgestoßen haben.“ Er habe mit Unterstützung des Sozialdienstes in der Unterkunft und seines Rechtsanwalts erreicht, dass er sie gleich wieder verlassen durfte. Seit November 2023 lebt er nun abgeschieden in einer kleinen Wohnung mitten im Ruhrgebiet.
Wie es jetzt weitergehen soll? Isabaev bittet um eine Zigarette. Wir stehen ein paar Minuten schweigend auf der Straße. Das Wichtigste für ihn sei, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen und einen vernünftigen Job zu finden. Und er müsse endlich Deutsch lernen. „Am liebsten würde ich in Deutschland bleiben und eines Tages meine Eltern nachholen können. Das ist mein Ziel. Und meine Kinder wiederzutreffen. Mein Sohn ist 16, meine Tochter vier Jahre. Ich habe beide seit drei Jahren nicht mehr gesehen.“
Die Angst, eines Tages nach Usbekistan abgeschoben zu werden, sei immer da. Sollte sein Asylfolgeantrag abgelehnt werden, werde er lieber freiwillig ausreisen. „Ich weiß nicht, was mich bei einer Rückkehr nach Usbekistan erwartet. Vielleicht werde ich gleich verhaftet und nach Russland gebracht. Es könnte sein, dass ich meine Kinder dann nie mehr wiedersehe.“
Kim Jong-un Double bringt eine Petition auf den Weg
Howard X hat aus Australien eine Petition auf den Weg gebracht, mit dem Ziel, dem Selenskyj-Double doch noch zu einer Aufenthaltsgenehmigung zu verhelfen. Die Chancen sind äußerst gering. „Es ist doch absurd, dass jemand, der von der russischen Regierung gesucht wird, weil er dem berühmtesten ukrainischen Politiker ähnlich sieht, das zu verweigern, während alle anderen Menschen aus der Ukraine in der EU willkommen sind.“
Mehr als 13.000 US-Dollar habe er bisher investiert, um Isabaev zu unterstützen, sagt Howard X. Weitere 20.000 schätzt er, könnte es noch kosten, um die Aufenthaltserlaubnis zu erstreiten.
Zur Schlussfeier der Olympischen Spiele in Paris wird Howard X sich wieder auf den Weg nach Europa machen und würde am liebsten noch einmal dem Selenskyj-Double vor einem Weltpublikum für Aufmerksamkeit sorgen. Das würde seinen Marktwert weiter steigern. Olympia, das ist seine Bühne. 2018 - bei den Winterspielen in Südkorea ist es ihm gelungen, bei der Eröffnungsfeier, mit einer kleinen Flagge in der Hand winkend, als Kim Jong-un an den nordkoreanischen Cheerleadern vorbeizuschreiten.
Umid Isabaev jedoch hat leise Zweifel, ob Paris so eine gute Idee ist, erneut in die Rolle zu schlüpfen, durch die er sich doch selbst mehrfach in Gefahr gebracht hat. Oder ob das seiner Glaubwürdigkeit bei der Bitte um Asyl nicht eher schadet. Die Ämter haben ihm die Entscheidung abgenommen. „Ich habe bei den Behörden einen Antrag gestellt, dass ich nach Paris fahren kann. Der ist abgelehnt worden. Ich halte mich an die Anweisungen der deutschen Behörden“, sagt er.
Hat Isabaev das Leben bloß übel mitgespielt oder ist es die Chance, die man nur einmal bekommt? Nach zwei Stunden Reden in der Mischung aus Café, Eckkneipe und Imbiss, die es so nur im Ruhrgebiet gibt, haben wir immer noch keine Antwort gefunden.
Klar ist uns nur eins geworden. Für Howard X ist die Unterstützung von Umid Isabaev vor allem ein Investment in die Zukunft. Man stelle sich nur das Ende des Ukrainekriegs vor. Wladimir Putin unterzeichnet im Beisein von Kim Jong-un einen Friedensvertrag mit Wolodymyr Selenskyj. Beide schütteln die Hände. Für ein Foto, das um die Welt gehen wird. „Der Donbass gehört mir“, sagt Selenskyj. „Die Krim gehört mir“, antwortet Putin. Und Kim Jong-un gibt die Regieanweisung. „Du darfst nicht lächeln“, sagt er zu Selenskyj. „Du hasst ihn, und er hasst Dich.“
Für Arte haben sie das schon getan.