Ein Prüfbericht der Innenrevision des landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetriebs (BLB) listet zahlreiche neue Ungereimtheiten auf.
Korruption bei Sanierung der Staatskanzlei1.000 Euro für die Designerlampe in der Abstellkammer
Man kann kaum glauben, was da steht. Von „fehlerhaften Abrechnungen“ und nicht zulässigen Verträgen ist die Rede. Angebots-, Nachtrags- und Rechnungsprüfungen seien nicht sorgfältig durchgeführt worden. Es habe konfuse und kaum nachvollziehbare Umbuchungen gegeben, womöglich, um die Abläufe zu verschleiern. Dazu manipulierte Zahlen und künstlich hochgeschraubte Honorarzahlungen in den internen Software-Programmen. Die mit der Abwicklung beauftragte Abteilung sei für Projekte dieser Größenordnung „offensichtlich nicht ausreichend qualifiziert“ gewesen. „Leicht zu überredende Vorgesetzte und Kontrollinstanzen, welche gelegentlich Bedenken anmeldeten“, seien letztlich „nicht einschritten“.
Der 175 Seiten dicke Prüfbericht der Innenrevision des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB), der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, zeichnet ein Totalversagen des landeseigenen Immobilienunternehmens beim Umbau und der Sanierung der Düsseldorfer Staatskanzlei detailliert nach. „Wir haben viele Indikatoren festgestellt, die als Anzeichen auf Korruption interpretiert werden können“, resümieren die Prüfer. „Das bestehende interne Kontrollsystem wurde scheinbar umgangen oder die Kontrollen wurden nicht wahrgenommen.“
Manipulierte Zahlen und künstlich hochgeschraubte Honorarzahlungen
Der Skandal um die unter Korruptionsverdacht stehenden Vorgänge zur Sanierung der Staatskanzlei soll am Freitag im Plenum des nordrhein-westfälischen Landtags diskutiert werden. „Die Enthüllungen über manipulierte Vergabeverfahren und mutmaßliche Absprachen innerhalb des BLB NRW sind ein handfester Skandal und offenbaren systematisches Missmanagement sowie eine fatale Missachtung von Transparenz und Wettbewerb“, sagte Ralf Witzel, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Mit ihrem Antrag für die „Aktuelle Stunde“ im Landtag reagierten die Freien Demokraten auf einen Artikel des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Laut Landeskriminalamt sollen bei der Sanierung der Staatskanzlei überhöhte Rechnungen für die Beleuchtungsanlagen gestellt worden sein, die vom landeseigenen Immobilienunternehmen BLB klaglos akzeptiert wurden. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) ist Eigentümer der meisten Grundstücke und Gebäude des Landes NRW.
Sieben Verdächtige, vier davon beim landeseigenen Immobilienbetrieb
Vor zwei Wochen hatte der Fall zu einer Razzia des Landeskriminalamts (LKA) geführt. Es gibt sieben Beschuldigte, darunter vier BLB-Bedienstete sowie zwei aus dem Architekturbüro, das das Sanierungsprojekt koordiniert und geplant hat. Die Verdächtigen sollen von mutmaßlichen Kungeleien bei der Installation der mehrere Millionen Euro kostenden Beleuchtungsanlagen profitiert haben, hieß es. Gegen Mitarbeiter aus der Staatskanzlei werde nicht ermittelt.
Nach den Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ weitete sich die Korruptionsaffäre jedoch aus. Bereits die Auftragsvergabe zur Planung der Bauarbeiten an das Düsseldorfer Architekturbüro sei 2018 manipuliert worden, heißt es in Justizkreisen. Dies geht auch aus dem internen BLB-Bericht hervor. Ohne die notwendigen Ausschreibungen seien der Düsseldorfer Firma weitere Aufträge zugeschustert worden, etwa für die Instandhaltung und die Fassadendämmung der Staatskanzlei, so die BLB-Kontrolleure. Bei den Elektroanlagen sei immer wieder die gleiche Firma zum Zuge gekommen, obwohl die Angebote von Mitbewerbern bis zu 200.000 Euro preiswerter gewesen seien. Und die Prüfer stellten auch Entscheidungen der Staatskanzlei in Frage. „Warum wurde für einen Lager/Putzmittel- bzw. Abstellraum eine Designerleuchte für über 1.000 Euro beauftragt?“, frage sie im Bericht.
Staatsbetrieb nicht zum ersten Mal im Zentrum eines Skandals
Korruptions-Affären sind für die BLB keine Neuigkeit. Als ihr ex-Chef Ferdinand Tiggemann im März 2017 wegen Bestechlichkeit und Untreue in besonders schweren Fällen zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, war das der Schlussstrich unter einen der größten Skandale in der Geschichte Nordrhein-Westfalens. Damals ging es um stark ansteigende Baukosten und schwarze Kassen. Bei Grundstückskäufen und Bauprojekten sollen für den Steuerzahler Schäden in zweistelliger Millionenhöhe entstanden sein. Das hatte der Landesrechnungshof festgestellt.
Öffentlich wurde der Verdacht bereits 2010 beim Bau des NRW-Landesarchivs in Duisburg, bei dem die Kosten binnen drei Jahren von 30 Millionen auf 190 Millionen anstiegen. Nach und nach kamen weitere Unregelmäßigkeiten zu Tage. Die Liste der umstrittenen Projekte war so lang, dass man sich fragen konnte, was überhaupt jemals korrekt vom BLB abgewickelt wurde. So ging es unter anderem um den Neubau des Polizeipräsidiums Köln, Schloss Kellenberg in Jülich, das ehemalige Landesbehördenhaus in Bonn, das Gelände für den Neubau einer Fachhochschule in der Landeshauptstadt und um das neue Justizzentrum in Düsseldorf.
In dem saß Tiggemann dann ironischerweise auf der Anklagebank. Schon deutlich vor seiner Verurteilung hatten die BLB-Verantwortlichen Besserung gelobt. 2012 seien grundlegende Arbeitsanweisungen für die Geschäftsführung verbindlich geworden. Seither müsse „jede Investition einer Wirtschaftlichkeits- und Risikoanalyse“ unterzogen werden. Entscheidungsprozesse müssten dokumentiert werden, und Investitionen dürften nicht mehr ohne Finanzierungszusagen erfolgen.
Diese „Arbeitsanweisungen“, von denen man sich fragte, warum diese nicht längst schon selbstverständlich waren, haben offenbar nichts genutzt. Zumindest nicht bei den mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten bei der Staatskanzlei-Sanierung, die nur deshalb aufgeflogen sind, weil sich ein nicht zum Zuge gekommener Mitbewerber als Kronzeuge auch für die BLB-Innenrevision zur Verfügung stellte.
Vorgesetzte haben nicht sorgfältig geprüft
In ihrem Bericht kritisieren die Revisoren auch grundsätzliche Entscheidungen bei der Sanierung. Durch den gewährten Einfluss beispielsweise habe das Düsseldorfer Architekturbüro den eigenen „Auftragsumfang erweitern“ können. Dessen Honorierung habe im internen BLB-System eine sonderbare Entwicklung genommen. Mit einem geschätzten Honorar von 200.000 Euro netto beauftragt, sollen sich die „anrechenbaren Kosten“ schließlich auf knapp 2,4 Millionen Euro netto erhöht haben, obwohl die tatsächliche Abrechnung lediglich einen Aufwand in Höhe von knapp 1,3 Millionen Euro aufliste.
Um die durch die enorme Erhöhung notwendigen Genehmigungs-Unterschriften von Kollegen anderer Abteilungen zu bekommen, hätten die verdächtigen BLB-Mitarbeitenden falsche Zahlen vorgelegt, so die Prüfer. Die Täuschung hätte bemerkt werden können, wenn die Unterzeichner sich tiefer in die Materie eingearbeitet und „einen Abgleich der Zahlen in allen Anlagen“ durchgeführt hätten – was jedoch nicht geschehen sei.
Ex-Ministerpräsdent wollte einen Zaun
2017 hatte der damalige Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) den Umzug vom Stadttor ins Landeshaus am Horionplatz angestoßen. Die Staatskanzlei habe damals dann eine Reihe Forderungen gehabt, heißt es im Prüfbericht. Auf Wunsch von Laschet sei teilweise auf Sicherungsmaßnahmen – zum Beispiel bei Erdgeschossfenstern – verzichtet worden. Ein Zaun kam dagegen doch noch nachträglich dazu. Dass das Projekt „auf die Person des Ministerpräsidenten und nicht auf dessen Funktion abgestellt“ wurde, sei eine „Fehlentscheidung“ gewesen. Dies führe dazu, „dass für die Nachfolgenden im Amt jeweils eine erneute Überprüfung vorgenommen werden muss“, betonten die BLB-Prüfer.
Für diese Vorgänge „in ihrem eigenen Betrieb“ trage die Landesregierung die politische Verantwortung, sagt der FDP-Politiker Witzel: „Wenn Ministerien und Kontrollinstanzen ihre Aufsichtspflichten derart eklatant vernachlässigen, braucht es eine unabhängige, lückenlose Aufarbeitung.“ Sollte „weiter gemauert werden“ sei „ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss unausweichlich, um die Verstrickungen und Versäumnisse bis in die letzte Konsequenz aufzuklären“. Dies betont auch der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Christian Dahm. Er habe „Zweifel am tatsächlichen Aufklärungswillen der Landesregierung“, sagte der SPD-Politiker: „Insofern steht auch die Frage eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Raum.“