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Streit in der NRW-AfD vor BundestagswahlLandesvorstand verweigert zwei Direktkandidaten die Unterschrift

Lesezeit 4 Minuten
Martin Vincentz, Landesvorsitzender der Alternative für Deutschland in Nordrhein-Westfalen.

Martin Vincentz, Landesvorsitzender der Alternative für Deutschland in Nordrhein-Westfalen.

Die AfD-Landesspitze wirft den rechtsradikalen Abgeordneten Matthias Helferich und Roger Beckamp parteischädigendes Verhalten vor, diese sprechen von einem Machtkampf.

Die Bundestagswahl ist noch mehr als zwei Monate entfernt, doch im AfD-Landesverband NRW eskaliert der interne Streit. Zwei Kreisverbände wollen Direktkandidaten aus dem rechtsradikalen Lager ins Rennen schicken: Matthias Helferich, Bundestagsabgeordneter aus Dortmund, und Roger Beckamp, Abgeordneter aus Rhein-Sieg. Beide Kandidaturen blockiert der Landesverband nun – die AfD-Spitze um Landeschef Martin Vincentz verweigert ihnen die Unterschrift.

Es war Helferich selbst, der den Vorgang öffentlich machte. „Vincentz‘ Frau tut mir leid: Er scheint von mir besessen zu sein“, schrieb Helferich auf X, ehemals Twitter. „Man ist im Vincentz-Lager wohl so verzweifelt, dass man nun Wahlen rückgängig macht.“

Roger Beckamp spricht gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ von „Methoden der Altparteien, die hier angewandt werden“. Er kündigt an, sich in seinem Kreisverband ein zweites Mal zur Wahl zu stellen, und das schon bald. Sein Gegenkandidat habe bereits angekündigt, nicht erneut anzutreten. Der Landesverband kann eine Direktkandidatur nur einmal ohne Begründung zurückweisen.

Roger Beckamp, AfD-Abgeordneter aus dem Rhein-Sieg-Kreis, bei einer Plenarsitzung im Bundestag.

Roger Beckamp, AfD-Abgeordneter aus dem Rhein-Sieg-Kreis, bei einer Plenarsitzung im Bundestag.

Der Landesvorstand bestätigt die Blockade auf Nachfrage. „Herr Beckamp und Herr Helferich arbeiten seit Monaten öffentlich über Presse und Soziale Medien gegen den eigenen Landesverband und leisten keine oder so gut wie keine parlamentarische Arbeit als Abgeordnete, was ihre eigentliche Aufgabe wäre“, sagt der Sprecher. „Daher erachten wir beide als ungeeignete Kandidaten und sind bestrebt, Schaden von unserer Partei abzuwenden.“

Ein Fraktionsloser mit Parteiausschlussverfahren als Direktkandidat

Besonders die Kandidatur von Matthias Helferich muss wie eine Provokation für den Landesvorstand wirken. Der Rechtsanwalt aus Dortmund zählt zum rechtsextremen Rand der AfD. Dass das Verhältnis zwischen ihm und Vincentz äußerst schlecht ist, verhehlt keiner von beiden. Vincentz versucht nach außen das Bild eines gemäßigten Landesverbands zu verbreiten, Helferich fordert „millionenfache Remigration“. Während der Landeschef die Finanzierung der Jugendorganisation „Junge Alternative“ in NRW einstellte, sammelt Helferich dort seine treuesten Anhänger.

Seit mehr als drei Jahren sitzt Helferich fraktionslos im Bundestag. Die AfD drängte ihn nach der Wahl 2021, auf einen Fraktionsbeitritt zu verzichten, weil er sich in geleakten Chats unter anderem als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet hatte. Damals beantragte die AfD eine Sperre für alle Parteiämter, begrenzt auf zwei Jahre.

Matthias Helferich, fraktionsloser Bundestagsabgeordneter aus Dortmund

Matthias Helferich ist als Bundestagsabgeordneter aus Dortmund fraktionslos.

Die sind lange um: Im Februar 2024 wurde er in den Landesvorstand der AfD-NRW gewählt. Aber ebendieser Landesvorstand leitete im Frühjahr ein Parteiausschlussverfahren gegen Helferich ein.

Helferich will über Liste in Bundestag einziehen

Das Verfahren vor dem Schiedsgericht wurde noch nicht eröffnet, aber der Vorgang hat bereits Konsequenzen für Matthias Helferich. Zu einem Mitgliederparteitag dürfte er momentan nicht erscheinen. Die Mitgliedsrechte wurden ihm entzogen, das Amt als Beisitzer im Landesvorstand ruht. Normalerweise bedeutet so ein Vorgang das politische Koma, in Helferichs Fall nicht: Sein Kreisverband wählte ihn nicht nur zum Direktkandidaten, sondern setzte ihn an die Spitze der Delegierten. Das heißt: Zwar gehen Helferichs Chancen, über ein Direktmandat wieder in den Bundestag zu ziehen, fast gegen null. Doch wenn die AfD Anfang Januar bei dem Aufstellungsparteitag in Marl ihre Listenplätze vergibt, ist Helferich ebenfalls anwesend – und darf kandidieren.

Und genau das hat er vor. „Ich denke, dass ich zwischen Listenplatz fünf und Listenplatz zehn für die Bundestagswahl antreten werde“, sagt Helferich gegenüber dieser Zeitung.

Sollte er über die Liste erneut in den Bundestag einziehen, plant Helferich, der AfD-Fraktion beizutreten. Seine Fraktionskollegen könnten dies nur mit einer Zweidrittelmehrheit blockieren. „Ich glaube nicht, dass diese Mehrheit zustande kommt“, sagt Helferich. Der Sprecher der NRW-AfD schreibt dagegen: „Herr Helferich ist kein Mitglied der Bundestagsfraktion und wird auch nicht in die künftige aufgenommen werden.“

Beckamp bei Treffen von Rechtsextremen in der Schweiz erwartet

Wie die Chancen für den ebenfalls intern in der Kritik stehenden Roger Beckamp stehen, ist noch ungewiss. Er sorgt gerade mit einem Auftritt am Samstag in der Schweiz für Aufsehen: Der Bundestagsabgeordnete aus dem Rhein-Sieg-Kreis hält dort einen Vortrag auf Einladung der Gruppe „Junge Tat“. Sie gilt als rechtsextrem. Im September erließ die Staatsanwaltschaft gegen sechs Mitglieder Strafbefehle.

Roger Beckamp bestätigt gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ das Treffen. Er spreche grundsätzlich mit jedem über alles, sagt Beckamp. In dem Vortrag für die „Jungen Tat“ solle es um Partei und Vorfeld gehen. Darauf angesprochen, dass das Bundesinnenministerium diese als Neonazi-Gruppe zählt, kommentiert Beckamp: „Vielleicht sagt das mehr über das Bundesinnenministerium aus als über diese Gruppe.“