AboAbonnieren

Teure ButterWarum es trotz gestiegener Lebensmittelpreise gute Nachrichten für Verbraucher gibt

Lesezeit 7 Minuten
26.08.2022, Berlin: Ein Einkauf liegt in einem Einkaufswagen in einem Supermarkt. Die Menschen in Deutschland lassen beim Einkauf im Supermarkt oder beim Discounter angesichts der hohen Preissteigerungen immer häufiger Markenartikel links liegen und greifen lieber zu den preisgünstigeren Eigenmarken der Handelsketten.



Auch beim Einkaufen versuchen viele Leute gerade zu sparen. (zu dpa: «Wenn Sparen auf die Stimmung drückt») Foto: Fabian Sommer/dpa - Honorarfrei nur für Bezieher des Dienstes dpa-Nachrichten für Kinder +++ dpa-Nachrichten für Kinder +++

Teurer geworden sind vor allem Molkereiprodukte und Eier, Brot, Honig, Marmelade und Süßigkeiten.

Die Lebensmittelpreise in NRW sind in den vergangenen acht Jahren um fast 50 Prozent gestiegen. Woran das liegt und wo man dennoch Schnäppchen machen kann.

Etwas Gemüse für die Suppe, ein paar Eier, Milch und Honig zum Frühstück, Brot, Camembert und Tomaten für die Pause und zum Snacken Äpfel, Orangen sowie Schokolade. Wer seinen Tageseinkauf derzeit aus dem Supermarkt schleppt, der trägt oft auch Sorgen in der Tüte. Und die Frage: Wie können so ein paar Lebensmittel bloß so teuer sein?

Die Zahlen zu diesen Sorgen sind einigermaßen beeindruckend. Nahrungsmittel wurden im Zeitraum zwischen 2015 und 2023 um fast die Hälfte teurer, das Statistische Landesamt spricht für die acht Jahre von einem Preisanstieg von 46,9 Prozent. Dabei nahmen die Kosten für Essen vor allem in der jüngsten Vergangenheit besonders stark zu. Für 2022 melden die Statistiker ein Plus von 14,6 Prozent. Wer es positiv sehen will: 2023 hat sich der Preisanstieg mit 13 Prozent etwas abgeschwächt.

Welche Lebensmittel sind besonders teuer geworden?

Molkereiprodukte wie Käse und Butter, aber auch Eier haben sich allein zwischen Januar 2022 und Dezember 2023 um fast ein Drittel verteuert. Ähnlich heftig traf es Produktgruppen wie Brot, Getreideerzeugnisse, Zucker, Marmelade, Honig und andere Süßwaren, die in den betrachteten zwei Jahren um 29,6 Prozent im Preis stiegen. Fisch, Fischwaren und Meeresfrüchte verteuerten sich zeitgleich um 27, Fleisch um 21,9 Prozent.

Warum trifft der Preisanstieg vor allem Lebensmittel?

Der Krieg in der Ukraine, aber auch schlechte Ernten, der Klimawandel sowie der Mangel an Arbeitskräften haben die Preise steigen lassen. Gerade die Erhöhung der Energiepreise macht der Lebensmittelbranche zu schaffen. Schließlich wird gerade beim Brotbacken, aber auch beim Kühlen von Eiern und Milchprodukten und beim Transport von Lebensmitteln viel Energie benötigt. Der Krieg brachte außerdem einen Lieferstopp bestimmter Produkte mit sich: Betroffen war zum Beispiel Sonnenblumenöl aus der Ukraine. Vor dem Krieg war das Land nicht nur weltgrößter Exporteur des Produkts, sondern auch Deutschlands wichtigster Lieferant. Da durch große Trockenheit in Südeuropa auch die Olivenernte in den vergangenen Jahren schmal ausfiel, stiegen auch die Preise für das Öl aus dieser Frucht. Der Butterpreis wiederum litt an der Abschaffung der Milchquote im Jahr 2015.

Trifft auch die Lebensmittelindustrie eine Schuld?

Rewe-Chef Lionel Souque hat großen, internationalen Konsumgüterherstellern vorgeworfen, im Schatten der Inflation ihre Gewinnmargen erhöhen zu wollen. Man nutze die Unübersichtlichkeit, die durch die steigenden Preise entstünde, um auszugleichen, dass Lebensmittel in Deutschland bislang deutlich billiger seien als in anderen Ländern. Hätte man einfach alles abgenickt „was die Konzerne fordern, wären die Preiserhöhungen in unseren Läden doppelt so hoch, wie sie jetzt sind – und sie sind schon hoch genug“, sagte Souque vor knapp zwei Jahren im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. Auch bei der Verbraucherzentrale NRW prangert man „versteckte Preiserhöhungen sowie Mitnahmeeffekte“ an: „Nicht alle Preissteigerungen der letzten drei Jahre waren nachvollziehbar. Es ist unklar, inwiefern sie allein auf höheren Herstellungskosten basierten.“ Besonders über verminderte Füllhöhen oder veränderte Rezepturen schummelten manche Hersteller ihre Preise in die Höhe. Allein im Jahr 2023 haben die Verbraucherzentrale 550 Beschwerden dazu erreicht. „Verbraucherinnen und Verbraucher bekommen so weniger Produkt oder weniger Qualität für den gleichen oder sogar noch höheren Preis.“

Was könnte die Politik unternehmen?

Die Verbraucherzentrale NRW fordert unter anderem „die Einführung einer Preisbeobachtungsstelle und die Offenlegung von versteckten Preiserhöhungen“. Außerdem sei angesichts der hohen Preise für Nahrung „eine deutliche Anhebung der Regelbedarfe des Bürgergeldes“ nötig.

Wie viel geben wir im Vergleich zu anderen Ländern für Essen aus?

Christoph Schröder vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln weist ebenfalls darauf hin, dass die Lebensmittelpreise in Deutschland verglichen mit anderen Ländern auf einem eher niedrigen Niveau liegen. Das sieht man auch am Anteil der Ausgaben, die private Haushalte in Deutschland in Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren investieren. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes liegt dieser seit dem Jahr 2000 relativ konstant bei einem Wert von etwa 13 bis 15 Prozent. 1970 steckten Haushalte noch jede vierte Mark, also 25 Prozent des Einkommens, in Essen, Trinken und Tabak. Eine andere Statistik, die nur die Nahrungsmittel in den Blick nimmt, zeigt, dass die Deutschen 2019 nur gut zehn Prozent aller Ausgaben in Lebensmittel investierten, während Griechen und Italiener um die 17 Prozent, Kroaten, Serben und Türken fast ein Viertel für ihre Ernährung benötigten.

Wie reagieren die Verbraucher auf die hohen Kosten?

Beim Kölner Handelskonzern Rewe spricht man auf Anfrage von „besonders preissensiblen“ Kundinnen und Kunden, die trotz zurückgehender Inflation weiter zurückhaltend einkauften. Auffallend sei, dass gewisse Segmente unter der Sparsamkeit weniger litten. So behaupte sich laut Rewe-Sprecher „das Bio-Sortiment in der Gunst der Kundinnen und Kunden als nachfragestabil“. Sorgen macht man sich bei der Verbraucherzentrale NRW um eine Vergrößerung der „Ernährungsarmut“. Gerade Menschen mit niedrigem Einkommen seien gezwungen, ihre wenigen Rücklagen für Essen auszugeben und den Konsum noch stärker einzuschränken, schreibt die Verbraucherzentrale auf Anfrage.

Wie kann man sparen?

Die Verbraucherzentrale NRW weiß, wie der Wocheneinkauf trotz steigender Preise wieder erschwinglich wird. Um das günstigste Produkt aus dem großen Angebot herauszufiltern, sei es beispielsweise ratsam, die Kilogramm- oder Literpreise zu vergleichen, die immer klein unter dem eigentlichen Preisschild gedruckt sein müssen. Saisonales und regionales Einkaufen spart auch, weil hier nicht so hohe Energiekosten für Transport und Kühlung anfallen. Im Oktober gibt es laut Saisonkalender der Verbraucherzentrale also idealerweise Blumenkohl, Kohlrabi, Kürbis, Möhren, Mangold, Rote Beete, Schwarzwurzeln, Spinat oder Pastinaken. Wer selbst kocht, statt zu Fertiggerichten zu greifen, kommt natürlich günstiger weg. Der Obstteller wird mit Äpfeln, Birnen, Quitten und Trauben ein Schnäppchen.

Auch der Verzicht auf Fleisch kann den Geldbeutel schonen, sind doch alternative Eiweißlieferanten wie Linsen, Erbsen, Bohnen oder Lupinen deutlich günstiger. Wer sparen will, tut natürlich gut daran, möglichst wenig Lebensmittel wegzuwerfen.

Wie sieht es mit den Löhnen aus?

Wer mit Christoph Schröder vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln spricht, der schöpft trotz aller schlechter Nachrichten Zuversicht. Zunächst sind laut Schröder nicht nur die Preise in den vergangenen Jahren gestiegen, sondern auch die Löhne. Verdienten wir im Jahr 2015 noch durchschnittlich 16,64 Euro netto die Stunde, so waren es 2023 schon 22,25 Euro. Das Plus von einem Drittel gleicht zwar nicht den vollen Preisanstieg bei den Nahrungsmitteln im selben Zeitraum aus. Wer aber den gesamten Warenkorb berechnet, der bekommt als Ergebnis eine gute Nachricht raus. Während die Preise im Zeitraum zwischen 2019 und 2023 um 17 Prozent gestiegen sind, gab es auf der Einnahmenseite auch durch politische Steuerungselemente wie den Inflationsausgleich ein Lohnplus von 18,5 Prozent. „Wir haben mittlerweile also den Kaufkraftstand von vor der Krise erreicht“, sagt Schröder im Gespräch mit dieser Zeitung. „Wir sind wieder im grünen Bereich.“

Gibt es weitere gute Nachrichten?

Der Kölner Handelsriese Rewe gibt auf Anfrage an, im vergangenen Jahr rund 3.800 Artikel im Preis gesenkt zu haben. Darunter hätten sich Produkte wie Käse, Wurstwaren, Tiefkühlkost, vegane/vegetarische Artikel oder Konfitüre gefunden. Gleich viel besser sehen die Zahlen auch dann aus, wenn man sich mit Schröder in dessen Kaufkrafttabellen zurückblättert in die Vergangenheit. Es stimmt, dass wir für zehn Eier im vergangenen Jahr 7,8 Minuten und damit gut eine Minute mehr als noch 2019 arbeiten mussten. 1974 musste man für das Familienrührei dagegen allerdings ganze 17 Minuten malochen, 1960 noch fast eine Stunde. Gute Nachrichten gibt es auch für Modeaffine: Das Klamottenshoppen wird nämlich auch in der jüngsten Vergangenheit günstiger. Musste eine Durchschnittsverdienerin im Jahr 2019 noch knapp fünf Stunden für ein Kleid arbeiten, so kommt sie im Jahr 2023 mit einer Stunde weniger Arbeitseinsatz zum neuen Lieblingsstück im Schrank.