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Verkehrsverbünde warnen vor großer Finanznot In NRW drohen Kürzungen im Nahverkehr

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Ein Regionalexpress steht am Kölner Hauptbahnhof, Fahrgäste steigen ein.

Ein Regionalexpress wartet im Kölner Hauptbahnhof auf die Abfahrt. In NRW drohen Kürzungen im Nahverkehr.

Die Fahrpreise im VRS und VRR könnten für alle, die kein 49-Euro-Ticket haben, ab Januar deutlich steigen. Auch die Finanzierung des Deutschlandtickets ist noch nicht gesichert.

Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), der mit rund 850.000 verkauften Deutschlandtickets nach eigenen Angaben rund zehn Prozent des Markts abdeckt, sieht die Mobilitätswende in NRW gefährdet.

„In den letzten Monaten hat sich alles nur um die Einführung dieses Tickets gedreht“, sagte VRR-Vorstand José Luis Castrillo am Montag in Düsseldorf. Den Nahverkehr auszubauen und die Infrastruktur zu modernisieren, sei momentan „im Grunde genommen gar kein Thema mehr.“

VRS rechnet 2024 mit Verlusten von bis zu 180 Millionen Euro

Das gelte nicht nur für den VRR und für NRW, sondern sei ein deutschlandweites Problem. Der Erfolg der Verkehrswende stehe und falle mit einer verlässlichen Finanzierung eines leistungsstarken Nahverkehrs. Die Kommunen, die bisher alle Verluste ihrer Verkehrsbetriebe mit Ausnahme des Deutschlandtickets ausgleichen müssen, könnten keine höheren Lasten mehr tragen.

Dabei ist selbst die Finanzierung des Deutschlandtickets für 2024 und darüber hinaus nicht gesichert. In diesem Jahr stellen der Bund und die Länder jeweils 1,5 Milliarden Euro bereit, um die Mindereinnahmen der Verkehrsunternehmen auszugleichen. Das ist für drei Jahre fest vereinbart.

Sollte das Geld nicht reichen, haben sie zugesichert, die weitergehenden Verluste ebenfalls zu übernehmen. Bisher aber nur für das laufende Jahr. Allein der VRR rechnet, so Castrillo, für 2024 mit einem Verlust von bis zu 340 Millionen Euro. Hochgerechnet auf ganz Deutschland wären das rund 3,4 Milliarden Euro. Das Finanzloch könnte also bis zu 400 Millionen Euro betragen.

Beim deutlich kleineren Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) sieht die Lage ähnlich aus. Der Verlust für 2023 wird auf mindestens 120 Millionen Euro, für 2024 auf mindestens 180 Millionen Euro geschätzt.

Geld für Modernisierung und Ausbau der Infrastruktur fehlt

Damit ist noch kein Cent in die Erneuerung und den Ausbau der Infrastruktur geflossen. „Für einen modernen Nahverkehr in Ballungsräumen und ländlichen Regionen benötigen die Kommunen eine vorausschauende und nachhaltige Finanzierungsregelung“, fordert Castrillo. „Der wirkliche Schmerzpunkt“ sei die Finanzierung der Bestandswerke und die Erweiterung des Angebots.

„Im Herbst muss sich die Politik nicht nur auf eine Weiterfinanzierung des Deutschlandtickets über das Jahr 2023 einigen und gesetzliche Rahmenbedingungen für eine Preisentwicklung schaffen, die sich an den Kostenstrukturen orientiert.“ Falls das nicht geschehe, werde es zwangsläufig zu Kürzungen der bestehenden Angebote „in erheblichem Ausmaß“ vor allem bei S-Bahnen und Regionalzügen kommen.

Preise für Fahrscheine in Bus und Bahn steigen 2024

Mit deutlichen Preiserhöhungen müssen die Nutzer von Bahn und Bus, die nicht mit dem Deutschlandticket fahren, im kommenden Jahr in jedem Fall rechnen. Beim VRR kalkuliert man für diesen Kundenkreis, der rund 22 Prozent beträgt und vor allem auf Einzelfahrscheine, Zeitkarten oder den e-Tarif zurückgreift, mit einem Aufschlag zwischen sechs und zehn Prozent. Im Rheinland beim Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) war zuletzt von bis zu 20 Prozent die Rede.

„Die auskömmliche finanzielle Ausgestaltung des Nahverkehrs macht uns auch im VRS große Sorgen. Für die Bestandssicherung und den Ausbau benötigen wir vom Bund dringend die zugesagten finanziellen Mittel. Die Mobilitätswende gelingt nur mit einem attraktiven und zukunftsfähigen öffentlichen Verkehr – dafür muss vom Gesetzgeber jedoch eine tragfähige Finanzierung zur Verfügung gestellt werden“, sagte ein VRS-Sprecher.

„Um die vorhandenen Kostensteigerungen auffangen zu können, brauchen wir verlässliche Lösungen aus Berlin - ansonsten wird es nicht zum gewünschten Leistungsausbau, sondern zum Abbau von Bestandsverkehren kommen. Und das hätte für die Mobilitätswende dramatische Folgen.“