Ab Mitte September wird die S-Bahn zwischen Köln und Düsseldorf durchgehend auf zwei Gleisen fahren. Die beiden letzten Lücken in Leverkusen sind dann geschlossen.
Pro Tag werden 500 Züge umgeleitetWarum Bahn-Großbaustellen im Knoten Köln so viel Ärger verursachen
Wenn jemand Verständnis für die Bauprobleme der Bahn aufbringt, ist es Winfried Queiser. Jeden Hebel hat der Kölner in Bewegung gesetzt, um die Folgen der wochenlangen Sperrung der wichtigsten Verbindung im Rheinland zwischen Köln und Düsseldorf abzumildern. Er wird damit nach etlichen Pannen noch bis zum 15. September durchhalten müssen. Drei Wochen länger als von der Bahn ursprünglich geplant. Danach werden die beiden Lücken für einen durchgehend zweigleisigen S-Bahn-Betrieb zwischen Rheindorf und Langenfeld sowie Leverkusen-Mitte und dem Chempark endlich geschlossen sein.
Um zwei Minuten hat Queiser, der ehrenamtlich für den Fahrgastverband Pro Bahn aktiv ist, für die Pendler gekämpft. Unermüdlich hat er versucht, den Fahrplan der Ersatzbusse in Gesprächen mit der Bahn so zu optimieren, dass die Anschlüsse funktionieren. In Rheindorf sollten sie seiner Auffassung nach nicht wie geplant am Bahnhof, sondern an einer Ersatzhaltstelle im Ortskern halten. Mit etwas gutem Willen hätte es dort Platz für zwei Gelenkbusse gegeben. Das scheiterte am Einspruch eines Verkehrsunternehmens. „Die Bezirksregierung wollte vor einer Entscheidung erst ein Gutachten einholen“, sagt Queiser. Ein Gutachten für zwei Minuten Zeitersparnis, die Pendlern in Langenfeld den Anschluss an die Stadtbusse garantiert und viel Frust vermieden hätte.
Auch in Leverkusen-Mitte hat Queiser um die optimale Nutzung des Busbahnhofs für den Schienenersatzverkehr gestritten. Nach sechs Wochen habe die Stadt endlich das erforderliche Halteverbot für andere Verkehrsteilnehmer eingerichtet, sagt er. „Das alles zeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen der Bahn, dem Verkehrsverbund, den Verkehrsunternehmen und den Kommunen dringend verbessert werden muss.“
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Mit solchen Details muss sich auch Christian Golenia täglich befassen, wohl wissend, dass sie den Kunden den letzten Nerv rauben. „Ich kenne die Probleme aus eigener Erfahrung, weil ich bei meinen täglichen Fahrten zwischen Köln und Duisburg selbst davon betroffen bin.“
80 Mitarbeitende organisieren Baufahrpläne mit 16.000 Änderungen
Der Chef der Baustellenplanung für Nordrhein-Westfalen bei der DB Netz AG muss mit seinen 80 Mitarbeitenden möglichst optimale Baufahrpläne erstellen, um Großbaustellen wie die Sommersperrung in Leverkusen zum Ausbau der S-Bahn überhaupt einrichten zu können.
Mindestens drei Jahre Vorlauf sind dafür erforderlich. Zunächst berechnen die Fahrplan-Experten, wie viele Züge ausfallen können, ohne Reisende am Bahnsteig zurücklassen zu müssen. „Anschließend prüfen wir die bundesweiten Folgen des geplanten Projekts für den Fern- und Güterverkehr, vor allem für die langlaufenden Linien. Wir können nicht gleichzeitig in Berlin, Hannover und Düsseldorf bauen. Dann kommen die Züge nicht mehr an.“ Steht das Verkehrskonzept, muss es mit den Verkehrsverbünden und der Politik abgestimmt werden.
Die Baustellen im Großraum Köln sind für die Bahn besonders herausfordernd, weil hier 18 Linien des Regionalverkehrs und 17 Fernverkehrslinien aus allen Teilen Deutschlands aufeinandertreffen. Das ist bundesweit einzigartig.
Bei der Planung steht die Bahn immer vor dem gleichen Dilemma. „Prinzipiell wollen wir auch während der Bauzeit möglichst viele Züge fahren. Dabei reizen wir die Grenzen des Machbaren aus. Je mehr Zugfahrten wir aber auf die Strecke bringen, desto größeren Einfluss haben selbst kleinste Störungen, sei es eine defekte Weiche oder dass in der Hauptverkehrszeit der Einstieg der Fahrgäste zwei Minuten länger dauert, als es der Fahrplan vorgibt“, sagt Golenia. „Das sorgt für Staus, es entsteht der berühmte Schneeballeffekt, der sich mit Verspätungen auf den gesamten Fahrplan auswirkt.“
Genau das ist bei der RRX-Baustelle in 40 Prozent der Fälle zwischen Köln und Düsseldorf eingetreten. „Es war von Anfang an klar, dass die S-Bahn während der Bauarbeiten für das zweite S-Bahn-Gleis auf dem Streckenabschnitt ausfallen muss. Bei den Regionalzügen haben wir entschieden, das volle Programm auf den Umleitungsstrecken über Opladen und Neuss zu fahren, weil die Verbindung zwischen Köln und Düsseldorf einfach zu wichtig ist“, sagt Golenia. „Da reicht eine Störung auf der Umleitung und schon setzt der Dominoeffekt ein.“
Am ersten Baustellentag gleich eine Entgleisung in Opladen
Gleich am ersten Baustellentag kam es auf der Umleitungsstrecke in Opladen zu einer Entgleisung, zeitgleich zu zwei Personenunfällen in Düsseldorf. „In solchen Fällen haben wir leider keine Ausweichmöglichkeit mehr“, sagt Golenia. „Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht drei, vier oder fünf Vorfälle mit Personen im Gleis oder andere Störungen haben, die von außen den Bahnbetrieb negativ beeinflussen. Weil er die Ursache nicht kennt, ist für den Reisenden die Sache klar: Die Baustelle ist schlecht geplant. Das können wir ihm nicht verübeln. Fakt ist, dass er zu spät kommt und sich über die Bahn ärgert. Die Gründe müssen ihn zu Recht nicht interessieren.“
Bei einem Großprojekt wie dem RRX-Ausbau im Abschnitt Leverkusen müssen pro Tag die Fahrten von 500 Zügen neu geplant werden. Allein das hat zu 16.000 neuen Fahrplandaten geführt, darunter knapp 6700 Datensätze für die Umleitungen. „Nicht alle Verbindungen sind an jedem Verkehrstag gleich“, sagt Golenia. „Das hängt auch vom Verlauf der Baustelle ab.“
Ob das Betriebskonzept für Leverkusen aufgegangen ist, will die Bahn nach dem 15. September mit den Verkehrsverbünden diskutieren, um bei der nächsten Baustelle möglicherweise besser zu agieren.
Bei Sperrungen auf der linksrheinischen Verbindung zwischen Köln und Bonn hat Golenia eine andere Variante gewählt. Weil der komplette Zugverkehr in diesem Fall über die rechte Rheinseite abgewickelt werden muss, blieb den Baufahrplanern nichts anderes übrig, als eine Linie einzustellen. Getroffen hat es den Regional-Express 8, als Ersatz wurde der Fernverkehr für Pendler freigegeben. „Wenn wir die Umleitungsstrecke entlasten, wirkt sich das positiv auf die Pünktlichkeit aus“, sagt Golenia. „Dafür sind die Züge voller.“
7500 Baustellen muss die Bahn in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen abwickeln, das sind 15 Prozent aller Bauaktivitäten in Deutschland. Insgesamt wird an 151 Bahnhöfen und Haltestellen gearbeitet, 300 Kilometer Gleis werden saniert, 425 Weichen modernisiert und 19 Eisenbahnbrücken erneuert. Hinzu kommen die Großprojekte wie der Ausbau des Rhein-Ruhr-Express, der rechtsrheinische Ausbau der S 13 und die beiden elektronischen Stellwerke im Kölner Hauptbahnhof und im Linksrheinischen. Die Verkehrsleistung ist seit der Bahnreform 1994 um mehr 40 Prozent gestiegen, die Infrastruktur aber nicht im gleichen Maße mitgewachsen.
Die elektronischen Stellwerke sind die Basis für die Digitalisierung des gesamten Streckennetzes. Die werde es in naher Zukunft in den Knotenpunkten wie dem Kölner Hauptbahnhof ermöglichen, Züge in kürzerem Abstand zu fahren.
Planverfahren für S-Bahnausbau im Hauptbahnhof und in Deutz beginnt
Bei der S-Bahn in Köln wird die Bahn noch in diesem Jahr das Planfeststellungsverfahren für die Erweiterung des Hauptbahnhofs und des Bahnhofs Köln-Messe/Deutz um jeweils zwei S-Bahngleise einleiten, weil ein verdichteter Takt bedeutet, dass die Züge parallel auf zwei Gleisen pro Richtung in den Bahnhof einfahren müssen. Das Ein- und Aussteigen an den Knotenpunkten wird sich in der Rush Hour trotz Digitalisierung nicht beschleunigen lassen.
„Unser Netz ist zu alt, zu überlastet und zu störanfällig“, sagt Golenia. „Als ich hier angefangen habe, konnte ich gar nicht glauben, dass es zwischen Köln und Düsseldorf, den zwei größten Städten in NRW, noch eine S-Bahn gibt, die teilweise eingleisig fährt. Wir haben jetzt die Chance, die Infrastruktur auszubauen und zukunftsfähig zu machen. Wir müssen jetzt nachlegen, um noch mehr Züge anbieten zu können. Deshalb wird es auch in den nächsten Jahren immer wieder Schienenersatzverkehre und Umleitungen geben.“
Besonders herausfordernd dürften für die Baufahrplan-Gestalter die Jahre 2026 bis 2029 werden, wenn zusätzlich zu den Ausbaumaßnahmen im Bahnknoten Köln auch noch die Generalsanierung der sogenannten Hochleistungskorridore ansteht, mit der die Bahn ihr hochbelastetes Kernnetz bundesweit auf Vordermann bringen will.
Für den Großraum Köln bedeutet das jeweils fünfmonatige Vollsperrungen nahezu aller wichtiger Verbindungen wie Köln-Wuppertal-Hagen im ersten Halbjahr 2026, Köln-Düsseldorf-Hamm von Juli bis Dezember 2027, Köln-Bonn-Koblenz-Mainz von Februar bis Juli 2027 und Köln-Aachen im zweiten Halbjahr 2029. Das geht aus einem Papier hervor, das derzeit mit den Verkehrsverbünden, den Aufgabenträgern, den Bezirksregierungen und dem Land NRW diskutiert wird und dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.
Pilotprojekt ab Juli 2024 zwischen Frankfurt und Mannheim
Das Pilotprojekt startet im Juli 2024 nach dem Ende der Fußball-Europameisterschaft auf der hochbelasteten Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Sie gilt als Nadelöhr im nationalen und internationalen Bahnverkehr. Dort wird die Bahn ab 15. Juli für fünf Monate Tag und Nacht bauen, 117 Kilometer Gleise austauschen, 152 Weichen und 140 Kilometer Oberleitung erneuern. Auf zehn Kilometern werden Lärmschutzwände ersetzt, drei Überholmöglichkeiten gebaut und die Strecke für höhere Geschwindigkeiten ertüchtigt.
Die Riedbahn ist die Blaupause für alle weiteren Projekte, zu denen es nach Auffassung des Bahnchefs keine Alternative gibt. „Das Zusammentreffen von immer mehr Verkehr auf einer ohnehin schon knappen und durch Bautätigkeit noch zusätzlich eingeschränkten Infrastruktur führt zu Staus und Verspätungen mit massiven Auswirkungen auf alle Kundinnen und Kunden im Personen- und Güterverkehr. Die aktuelle Betriebsqualität entspricht ganz klar nicht unseren Ansprüchen. Ein ‚Weiter so‘ kann es nicht geben“, sagte Richard Lutz bei der Vorstellung des Sanierungsprogramms im Juni 2022.
Da wird ihm kein Bahnnutzer im Rheinland widersprechen.
Die nächsten Baustellen im Großraum Köln
13. Oktober bis 6. November: Köln Hbf - Hürth-Kalscheuren. Sperrung am Wochenende durchgehend, in der Woche nur nachts. Ausfälle und Umleitungen im Regional- und Fernverkehr. Der Grund sind Arbeiten am neuen Stellwerk Linker Rhein.
13. bis 20. Oktober: Köln-Ehrenfeld - Mönchengladbach. Ausfälle im Regionalverkehr wegen Arbeiten an den Weichen und am Oberbau.
5. November (17 Uhr) bis 6. November (5 Uhr): Köln Hauptbahnhof. Sperrung für den Fernverkehr und stark eingeschränkter Regionalverkehr. Nur die S-Bahn fährt. Grund sind Arbeiten für das neue Stellwerk Köln Hbf.
12. bis 24. November: Köln-Messe/Deutz – Troisdorf und Flughafen Köln/Bonn. Ausfälle und Umleitungen im Regional- und Fernverkehr wegen Brückenarbeiten am Vingster Ring.
15. bis 29. Dezember: Köln-Messe/Deutz – Köln-Mülheim. Ausfälle und Umleitungen im Regional- und Fernverkehr wegen Arbeiten für das neue Stellwerk Köln Hbf.
8. bis 21. Januar 2024: Köln Hbf – Remagen. Viele Ausfälle, Umleitungen und Fahrplanänderungen im Regional- und Fernverkehr wegen des Ausbaus der S-Bahnlinie 13.
8. bis 21. Januar und 1. März bis 22. März: Köln Hbf - Brühl. Ausfälle und Umleitungen im Regional- und Fernverkehr wegen Arbeiten für das Stellwerk Linker Rhein.