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Infografik

Alarmierende Zahlen
„Viele Kitas stecken in einem Teufelskreis“ – Personalausfälle in NRW

Lesezeit 3 Minuten
Ein Betreuerin läuft mit mehreren Kleinkindern über einen Bürgersteig.

Eine Auswertung zeigt: Erzieherinnen und Erzieher waren 2023 viel häufiger krank als der Durchschnitts-Arbeitnehmer. In NRW sogar besonders oft.

In vielen Kitas fehlt es an Beschäftigten. Eine Auswertung zeigt: Erzieher waren 2023 viel häufiger krank als der Durchschnitts-Arbeitnehmer.

Kitapersonal fällt einer aktuellen Analyse zufolge deutlich häufiger wegen Krankheit aus als andere Berufstätige. So waren Beschäftigte, die in der Kinderbetreuung und -erziehung arbeiten, im Jahr 2023 im Schnitt an knapp 30 Tagen arbeitsunfähig. Im Durchschnitt aller anderen Berufsgruppen gab es nur etwa 20 Krankheitstage pro Person, wie die Bertelsmann-Stiftung und das Fachkräfte-Forum, in dem Fach- und Leitungskräfte der Branche organisiert sind, mitteilen.

Kitapersonal in NRW häufiger krank als im Bundesdurchschnitt

Die angespannte Personalsituation in Kitas in Nordrhein-Westfalen wird durch den hohen Krankenstand zusätzlich belastet. Im Bundesländervergleich liegt Kitapersonal in NRW mit 30,5 Fehltagen wegen Arbeitsunfähigkeit knapp über dem deutschlandweiten Durchschnitt von 29,6 Tagen.

Die Bertelsmann-Stiftung, die auch das Fachkräfte-Forum berät, stützt sich bei ihrer Auswertung im Wesentlichen auf Daten der DAK-Krankenkasse, bei der 12,2 Prozent der Beschäftigten in der Kinderbetreuung demnach versichert sind. Auch der Stiftung vorliegende Zahlen anderer Krankenkassen bestätigten den Trend, hieß es.

Während in den ostdeutschen Ländern noch mehr Krankheitstage anfallen (34 sind es im Durchschnitt der Flächenländer), ist die Abweichung etwa in Baden-Württemberg mit 22,6 Fehltagen oder Bayern mit 23,8 Fehltagen weniger ausgeprägt, wenngleich dort auch insgesamt Arbeitnehmer seltener krankgeschrieben sind (jeweils etwas mehr als 17 Tage).

„Viele Kitas stecken in einem Teufelskreis: Aufgrund der steigenden Krankenstände fallen immer mehr Fachkräfte aus, wodurch die Überlastung für die verbleibenden Beschäftigten weiter zunimmt“, sagt Anette Stein, die zuständige Fach-Expertin der Bertelsmann-Stiftung. „An gute frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung ist vielerorts gar nicht mehr zu denken.“

Ausfallzeiten von Kitapersonal sind seit 2020 stark angestiegen

Ein Blick auf die vergangenen Jahre zeigt: Die Ausfallzeiten von Erzieherinnen und Erziehern in Nordrhein-Westfalen sind mit einem Plus von 36 Prozent bei den Krankheitstagen zwischen 2020 und 2023 stark angestiegen. Im ersten Jahr der Corona-Pandemie lag die durchschnittliche Anzahl an Fehltagen bei Kitapersonal in NRW bei 22,3 Tagen pro Jahr. Über alle Berufsgruppen hinweg waren es 14,9 Fehltage.

Ein besonders starker Anstieg zeigt sich seit 2022, die durchschnittliche Zahl der krankheitsbedingten Fehltage bei Kitapersonal stieg sprunghaft auf 30,2 (Vorjahr: 24,0).

Als Ursachen für diese enormen Anstiege nennen die Krankenkassen insbesondere eine Zunahme von Atemwegserkrankungen sowie die verbesserte Daten-Erhebung durch die neu eingeführte digitale Krankmeldung. „Darüber hinaus tragen jedoch im großen Maße auch psychische Erkrankungen zu den hohen AU-Tagen des Kita-Personals bei“, heißt es vonseiten der Bertelsmann-Stiftung.

Wie die Stiftung Angaben der Techniker Krankenkasse entnommen hat, waren Atemwegsinfekte im Jahr 2023 der häufigste Grund für eine Krankschreibung – gefolgt von psychischen Erkrankungen auf Rang zwei. „Darüber hinaus deuten erste Analysen darauf hin, dass die Anzahl der AU-Tage aufgrund psychischer Erkrankungen auch im Jahr 2024 weiterhin steigt“, heißt es in der Analyse der Bertelsmann-Stiftung.

Rund jede fünfte Krankschreibung bei Kitapersonal aufgrund von psychischen Erkrankungen

Im Bundesdurchschnitt waren sechs Fehltage pro Jahr bei Kitapersonal auf psychische Erkrankungen zurückzuführen, also etwas mehr als 20 Prozent aller Krankmeldungen. Nordrhein-Westfalen liegt mit 6,2 Fehltagen etwas über dem bundesweiten Schnitt. Besonders hoch war der AU-Anteil aufgrund psychischer Erkrankungen im Jahr 2023 im Saarland: Im Schnitt kamen Erzieherinnen und Erzieher hier auf 8,4 Tage, ein Anteil von 26 Prozent an allen Krankmeldungen.

Um die Ausfallzeiten durch Krankheit, Urlaub und Fortbildungen aufzufangen, bräuchte es laut Stiftung allein in Nordrhein-Westfalen knapp 20.000 zusätzliche Fachkräfte in Vollzeit. Kostenpunkt: knapp 1,2 Milliarden Euro jährlich, die die Personalsituation zumindest kurzfristig stabilisieren würden, wie die Stiftung vorrechnet. Deutschlandweit fehlen rund 97.000 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte. Die Kosten beliefen sich auf 5,8 Milliarden Euro pro Jahr. (mit dpa)