Die Politik diskutiert über ein neues Wehrdienstmodell. Warum auch Frauen von einer möglichen Verpflichtung nicht ausgenommen werden dürfen.
Für eine Wehrpflicht für alleWer Frauen so ernst nehmen will wie Männer, muss das auch in der Frage der Wehrtüchtigkeit
Die Debatte, wieder eine Wehr- oder Zivildienstpflicht einzuführen, ist in vollem Gange. Der Kölner Generalmajor Richard Frevel findet, dass auch Frauen von einer möglichen Verpflichtung nicht mehr ausgenommen werden sollen. Wirtschafts-Ressortleiter Thorsten Breitkopf findet dieses Ansinnen unfair. Chefreporterin Claudia Lehnen ist im Gegenteil der Meinung: Eine Wehrpflicht kann, wenn sie wiedereingeführt werden sollte, nur geschlechtsunabhängig gelten.
Ich war Pazifistin durch und durch
Als ich im Sommer 1998 zur Abiturprüfung aufbrach, verstaute ich meine Stifte und andere diverse Wichtigkeiten in einer grünen Tasche, dessen Deckel ein großes rotes Kreuz zierte. Gekauft hatte ich sie im Laden der Kriegskindernothilfe. Man konnte dort Sachspenden für Krisengebiete abgeben, aber eben auch etwas Gespendetes kaufen und mit dem Geld wiederum Hilfsprojekte unterstützen.
Es ist nicht ganz leicht zu erklären, warum ich das damals angemessen fand. Einerseits war ich Pazifistin durch und durch und lehnte jegliche Kriegshandlung komplett ab. Andererseits erachtete ich Helfen in Verbindung mit Humanität und Demokratie als eine der wichtigsten Aufgabe, die man als Mensch so wahrnehmen konnte. Flüchtlingslager beschützen, Völkermörder stoppen, Kriegsverbrecher fassen, internationales Recht Realität werden lassen – all das kam mir als durchaus unterstützenswert vor. Auch und vielleicht gerade für eine linksorientierte, idealistische Pazifistin.
Rotes Kreuz auf Oliv und später dazu noch Friedenstaubenstickerei erschien mir spätpubertär als angemessen komplexer Ausdruck meiner politischen Gesinnung. Wirklich zur Bundeswehr gegangen wäre ich dennoch nicht. Zu wenig aussichtsreich kam es mir vor, diese Institution im weltoffenen, pluralistischen Sinne verändern zu können.
Wer Wehrpflicht nur auf Männer beschränkt, handelt diskriminierend
Für den Sanitäts- und Militärmusikdienst bei der Bundeswehr hätte ich mich damals auch als Frau schon melden dürfen. Zwei Jahre später zur Jahrtausendwende entschied der Europäische Gerichtshof, dass Frauen auch Dienst an der Waffe leisten dürfen müssen, 2001 wurde freiwilligen Frauen alle Laufbahnen geöffnet, heute sind mehr als 23.000 Soldatinnen in der Bundeswehr beschäftigt. Und wenn jetzt, fast ein Vierteljahrhundert nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshof die Frage aufkommt, ob ein neu einzuführender Wehr- oder Ersatzdienst auch für Frauen gelten soll – was derzeit noch gegen das Grundgesetz verstoßen würde – dann kann man eigentlich nur sagen: Selbstverständlich sollte er das.
Zunächst könnten sich Männer zurecht ungerecht behandelt fühlen, wenn nur sie verpflichtet werden, einen Fragebogen zu ihrer Wehrtauglichkeit ausfüllen zu müssen. Wer Frauen von einer allgemeinen Dienstpflicht ausschließt, tut das aber auch aus falsch verstandener Rücksichtnahme gegenüber Frauen, die einer Geschlechtergerechtigkeit komplett im Wege steht. Mehr noch: Eine Wehrpflicht nur für Männer diskriminiert Frauen und andere Nichtmänner.
Denn Emanzipation endet eben ebenso wenig an der Schwelle zur Vorstandsetage wie an der Tür zur Musterung. Das Argument, Frauen seien aufgrund von biologischen und physiologischen Eigenheiten im Schnitt weniger gut geeignet, mutet an wie die vorsintflutliche Auffassung der 1960er Jahre, als Frauen das Fußballspiel gemäß DFB verboten war, schließlich verschwände „im Kampf um den Ball die weibliche Anmut“, „das Zurschaustellen des Körpers“ verletze zudem „Schicklichkeit und Anstand“, wie es der Fußballbund seinerzeit begründete.
Wer Frauen genauso ernst nehmen will wie Männer, der muss das auch in der Frage der Wehrtüchtigkeit tun. Ein Beispiel nehmen kann man sich hier an Ländern wie Schweden und Norwegen, wo eine Wehr- oder Zivildienstpflicht geschlechterübergreifend gilt.
Auch das Argument, junge Männer müssten zum Bund oder Zivildienst, junge Frauen wären befreit, weil sie schließlich bald den Nachwuchs zu betreuen hätten, kann im Sinne einer emanzipierten Gesellschaft längst nicht mehr gelten. War die Aufteilung doch schon immer ein unfairer Deal, da so ein Wehrdienst einige Monate in Anspruch nahm, die Familienarbeit dagegen eher Jahrzehnte.
Junge Frauen sind also gut beraten, sich bei einem möglichen Pflichtjahr ebenbürtig mit einzubringen und dafür die lebenslang währende Sorgearbeit, das Kochen und die Kinderbetreuung hälftig auf den männlichen Teil der Gesellschaft zu übertragen. Auch beim Putzen und Kümmern gilt: Anstand und Schicklichkeit der Männer sind nicht in Gefahr.
Eine Institution wie die Bundeswehr, die immer wieder mit ihrem rechten Image zu kämpfen hatte und die ebenso wie die Polizei soziologischen Studien zufolge überwiegend konservative Menschen anzieht, kann überdies vor allem durch Pluralität zu mehr Offenheit weiterentwickelt werden. Truppen, die zur Hälfte aus Frauen bestehen, wären da schon mal ein Anfang.
Nur wenn möglichst heterogene Gruppen durch die Bundeswehr angesprochen werden, kann sie am Ende auf Dauer genügend von denjenigen Menschen für sich gewinnen, die sie braucht: Prinzipienfeste Demokraten und liberale, weltoffene Menschen, denn nur solche sind geeignet „das Recht und die Freiheit tapfer zu verteidigen“, wie es im Gelöbnis heißt. Ein bestimmtes Geschlecht hilft da niemandem weiter.