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Kommentar

Gegen eine Wehrpflicht für alle
Frauen sind ohnehin benachteiligt – ein zusätzlicher Dienst wäre unfair

Ein Kommentar von
Lesezeit 4 Minuten
Brauchen wir wieder die Wehrpflicht? Optik Streitgespräch

Sollte eine Wehrpflicht wiedereingeführt werden, darf sie weiter nur für Männer gelten, findet unser Autor.

Frauen dürfen qua Grundgesetz nicht verpflichtet werden, einen Wehr- oder Ersatzdienst zu leisten. Das sollte sich keinesfalls ändern, meint unser Autor.

Die Debatte, wieder eine Wehr- oder Zivildienstpflicht einzuführen, ist in vollem Gange. Der Kölner Generalmajor Richard Frevel fordert nun, dass auch Frauen von einer möglichen Verpflichtung nicht mehr ausgenommen werden sollen. Chefreporterin Claudia Lehnen ist der Meinung: Eine Wehrpflicht kann, wenn sie wiedereingeführt werden sollte, nur geschlechtsunabhängig gelten. Wirtschafts-Ressortleiter Thorsten Breitkopf findet dieses Ansinnen unfair.

Frauen haben durch ihre Gebärfähigkeit schon genug Nachteile zu erleiden

Über die Wiederbelebung der Wehrpflicht insgesamt kann trefflich gestritten werden. Aktuell ist sie ausgesetzt, eine Wiederaufnahme aber wird lebhaft diskutiert. Doch: Die Pflicht zum Dienst an der Waffe gilt in Deutschland grundsätzlich nur für Männer im wehrfähigen Alter. Für Frauen besteht die Pflicht nicht. Das ist aus verschiedenen Gründen auch gut so.

Zunächst ist da die Frage der Belastung. Auch wenn in vielen Lebensbereichen eine Angleichung von Chancen und Lohn zwischen Männern und Frauen angestrebt wird, so bleibt jedoch eine Sache aus natürlichen Gründen für immer den Frauen vorbehalten – das Kinderkriegen. Selbst wenn der Vater ab dem Tag der Entbindung die volle Fürsorge für den Nachwuchs übernehmen und die Mutter wieder arbeiten ginge – was nur selten realistisch ist – sind Frauen für neun Monate je Kind beruflich erheblichen Einschränkungen unterworfen. In medizinischen oder tier-medizinischen Berufen dürfen sie gar vom Tag der Feststellung der Schwangerschaft überhaupt nicht arbeiten.

Je mehr Kinder eine Frau gebiert, desto größer werden die beruflichen Nachteile. Das kann der reine Karriereweg sein, die Jahre der Rentenanwartschaft oder die Bildung einer angemessenen Altersvorsorge. Diese Nachteile hat eine Frau mit Kindern also ohnehin. Sie darüber hinaus nun noch mit einer sechs oder zwölf Monate währenden Wehrdienstzeit zusätzlich zu belasten, wäre klar unfair und unverhältnismäßig.

Thorsten Breitkopf

Thorsten Breitkopf

Chef der Wirtschaftsredaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der Rheinländer hat die Position 2019 übernommen. Breitkopf kommt von der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf, wo er als Wirtschaftsredakteur ar...

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Dazu kommt die Frage der Gerechtigkeit. Wären Chefposten und Verdienstmöglichkeiten auf die Geschlechter gleichmäßig verteilt, dann wäre zu argumentieren, dass auch eine mögliche Wehrpflicht gerecht von Männern und Frauen getragen werden muss. Von dieser Geschlechtergerechtigkeit ist die berufliche Wirklichkeit im heutigen Deutschland allerdings meilenweit entfernt.

Laut Antidiskriminierungsstelle des Bundes lag der Abstand zwischen dem Verdienst der Männer und dem der Frauen 2020 bei 18 Prozent. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit auf einem der hinteren Plätze. EU-weit liegt Deutschland laut einer Berechnung von 2020 auf dem viertletzten Platz. Die Ursachen hierfür können unterschiedlich aussehen: Frauen arbeiten beispielsweise in schlechter bezahlten Berufen oder erreichen seltener Führungspositionen als Männer. Einige Frauen erhalten auch dann von ihrem Arbeitgeber weniger Geld, wenn Tätigkeit, Bildungsweg und Erwerbsbiografie vergleichbar mit denen der männlichen Kollegen sind. Solange diese Missstände nicht behoben sind, wäre es nicht zumutbar, den ohnehin schon beruflich benachteiligten Frauen einen Teil ihres Karriereweges durch eine Dienstpflicht zu verkürzen.

Die Bundeswehr muss als Arbeitgeber attraktiver werden – auch für Frauen

Manche argumentieren, ein bisschen mehr Weiblichkeit in der Truppe würde die Effizienz der Bundeswehr erheblich verbessern. Das würde ich so unterschreiben. Auch die Polizei oder der damalige Bundesgrenzschutz haben enorm davon profitiert, dass auch Frauen Zugang fanden. Allerdings passierte das auf Freiwilligkeit, nicht auf Zwang. Wenn die Bundeswehr mehr Frauen in den eigenen Reihen haben möchte, sollte sie nicht das bequeme Mittel des Zwangs nutzen, sondern sich als Arbeitgeber so verändern, dass sie für Frauen schlicht attraktiv ist – das gilt auch für die Bezahlung der Soldatinnen und Soldaten.

Eine Wehrpflicht für Frauen besteht in Bolivien, der Elfenbeinküste, Eritrea, Israel, Nordkorea, Norwegen, Schweden, Sudan und Tschad. Mindestens sechs dieser Länder scheiden als Vorbild für Deutschland freilich aus. Die beiden skandinavischen Länder Schweden und Norwegen sind die einzigen Nato-Mitglieder mit einer Wehrpflicht für Frauen. Diese sind aber auch in puncto Gleichstellung weiter als Deutschland. Die anderen 30 Mitgliedsländer des Verteidigungsbündnisses verzichten seit jeher auf die Einziehung von Frauen zur Armee.

Selbst Israel, das Land, das am längsten auch Frauen zwangsweise zum Militär einzieht, ist kein Argument für die weibliche Wehrpflicht. Denn auch dort hat man der beruflichen Benachteiligung von Frauen Rechnung getragen. Israelische Männer müssen nun 36 Monate Wehrdienst leisten, bis kurzem noch 32. Für Frauen ist die Dienstpflicht mit zwei Jahren deutlich kürzer.

Fazit: Eine Wehrpflicht für Frauen wäre unfair, verstärkt die Diskriminierung und findet kaum internationale Vorbilder in westlichen Demokratien.