Sonja und Timo aus Köln sind beide 35 Jahre alt und haben zwei Töchter (3 und 7). Wir haben sie getrennt voneinander befragt, wie sie es mit der Gleichberechtigung in der Beziehung halten.
Gleichberechtigung„Ich will dieses Bild von mir als Frau erfüllen: Ich schaffe das alles! Es funktioniert!“
Sonja
Wie habt Ihr Euch kennengelernt?
Sonja: Das war vor 22 Jahren auf dem Schulhof, wir waren beide 13 Jahre alt. Dann sind unsere Klassen gemeinsam auf Klassenfahrt gefahren. Meinen 14. Geburtstag feierte ich bei einer Pyjama-Party. Einen Tag später schrieb er mir eine SMS: Sollen wir zusammen sein?
Was mögen Sie an ihm?
Er ist grundsätzlich sehr kompromissbereit, obwohl er auch lautstark hinter seinen Ansichten stehen kann. Er ist aber immer zum Gespräch bereit und tolerant. Außerdem geht er nicht auf jede negative Emotion von mir ein. Da ist er durchaus robust.
Ist Ihnen eine gleichberechtigte Partnerschaft wichtig?
Auf jeden Fall. Es ist mir grundsätzlich wichtig, dass Menschen sich auf Augenhöhe begegnen. In einer Partnerschaft besonders. Aber ich will meinem Umfeld auch zeigen, dass eine partnerschaftliche Beziehung gleichberechtigt klappt. Vor allem meinen Töchtern will ich vorleben, dass sich niemand unterordnen oder überordnen muss.
War das in Ihrer Ursprungsfamilie anders?
Nein. Davon profitiere ich sehr. Meine Mutter war auch berufstätig, ich habe sie also nicht nur als Hausfrau erlebt. Sie ist auch regelmäßig nach Indonesien geflogen, um soziale Projekte zu betreuen. Mein Vater musste und konnte dann die Pflichten zu Hause übernehmen.
Haben Sie Ihren Haushalt aufgeteilt? Wer erledigt wie viel?
Wir machen das auf Zuruf. Ich würde sagen, wir teilen uns das tatsächlich hälftig. Zumindest den Haushalt. Wenn wir das Kochen mitrechnen, übernimmt er vielleicht sogar ein bisschen mehr.
Warum kocht er?
Er hat einfach mehr Interesse daran. Ihn nervt zum Beispiel, wie ich die Spülmaschine einräume. Wenn ich das mache, dann weiß ich, dass er das vielleicht nochmal nachsortiert. Das führt dazu, dass ich es manchmal auch gleich an ihn abgebe.
Wer ist ordentlicher?
Wir haben schon ein ähnliches Ordnungs- und Sauberkeits-Bedürfnis. Aber mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Ich möchte zum Beispiel, dass die Tische frei sind. Er sagt: Lass das doch einfach liegen. Ich investiere viel Zeit, Dinge ein- und auszusortieren. Das ist für ihn Zeitverschwendung. Er dagegen achtet eher auf Hygiene in Küche und Bad. Da möchte er auf keinen Fall, dass ein benutzter Lappen rumliegt.
Sonja: „Mental Load ist für mich eine Last. Er sagt dann schon mal: Naja, jetzt mach mal keine Raketenwissenschaft draus“
Wie ist das mit der Kinderbetreuung?
Da übernehme ich mehr. Das liegt einfach an unserem Familienkonstrukt. Ich arbeite weniger und dafür betreue ich die Kinder mehr. Ich hole sie zum Beispiel aus der Schule und dem Kindergarten ab. Dann bin ich erstmal für sie verantwortlich. Wenn er im Homeoffice ist, dann turnen die aber natürlich auch mal bei ihm vorbei. Sonst kommt er abends aus dem Büro und wir essen gemeinsam. Am Wochenende kümmern wir uns beide um die Kinder.
Haben die Kinder etwas verändert in Ihrer Gleichberechtigungsroutine?
Bevor wir Kinder hatten, lag auf diesem Thema gar kein Fokus. Wir wohnten in einer Zweizimmerwohnung, die war schnell durchgewischt. Gekocht hat er schon immer hauptsächlich.
Empfinden Sie die Aufteilung als gerecht?
Was Haushalt und Kinder betrifft, ja. Benachteiligt fühle ich mich eher bei der Organisation drumherum. Mental Load sozusagen. Das finde ich auch schwer zu ändern. Verabredungen der Kinder oder Termine bei Ärztinnen oder Ärzten zum Beispiel fallen halt auch meist in die Zeit, in der ich zuständig bin. Dazu kommt, dass ich da auch verkopfter bin als er. Das ist für mich eine Last. Er sagt dann schon mal: Naja, jetzt mach mal keine Raketenwissenschaft draus.
Entsteht die Last auch dadurch, dass Sie sich als Frau dafür besonders verantwortlich fühlen?
Vielleicht. Aber es ist eher so, dass ich mir selbst dieses Bild von mir erfüllen will: Ich habe einen Job und zwei Kinder, um die ich mich kümmere. Vielleicht nehme ich an weiteren Fortbildungen teil. Ich schaffe das alles! Das funktioniert!
So will ich das auch der Gesellschaft und meinen Kindern vorleben. Ich will ein gewisses Rollenbild repräsentieren. Aber klar gibt es auch Momente, in denen weiß ich, dass ich mich bremsen muss. Dann denke ich: Du musst niemandem etwas beweisen.
Wie machen Sie das mit dem Geld?
Generell haben wir entschieden: Das Geld gehört uns beiden, denn jeder trägt ja seinen Teil dazu bei. Sei es mehr Arbeitszeit oder mehr Betreuungszeit. Mir ist das wichtig. Denn ich leiste hier auch etwas. Ich verdiene zwar weniger, aber ja auch deshalb, weil wir uns gemeinsam dafür entschieden haben, dass ich in den öffentlichen Dienst gehe. Vorher haben wir ähnlich viel verdient.
Gibt es eine Regelung, die ausgleicht, dass Sie weniger in die Altersvorsorge einbezahlen?
Haben wir nie darüber geredet. Aber klar. Eigentlich ist es wichtig.
Gibt es typische Streitpunkte?
Gerade was die Kinder betrifft haben wir in vielen Situationen unterschiedliche Ansichten. Bedürfnisorientiert versus klare Linie. Ich bin eher weich, gerade beim zweiten Kind. Er findet, die Kinder brauchen auch mal klare Ansagen. Ich werde getriggert, wenn er lautstark und unbedacht Türen knallt oder mit dem Geschirr klappert. Dann reagiere ich oft unangemessen. Auch vor den Kindern. Das ist natürlich falsch. Aber es ärgert mich, weil ich denke, dass er weiß, dass mich das stört.
Wo liegen Ihre Gemeinsamkeiten, wo harmonieren Sie gut?
Als Team sind wir sehr stark. Trotz Chaos ist dann zum Beispiel so ein Kindergeburtstag, den wir zusammen gestalten, ein voller Erfolg. Wenn es ums Funktionieren geht, dann sind wir sehr gut. Gerade auch, weil wir uns so gut kennen.
Sonja: „Ich nehme mir selbst sehr viel Zeit für Sport. Da bin ich kompromisslos“
Haben Sie Freizeit? Wer hat mehr?
Als Paar haben wir gar keine Freizeit. Das hat sich mit dem zweiten Kind total verändert. Unsere jüngere Tochter hat bislang eine Nacht ohne uns verbracht. Ich nehme mir selbst sehr viel Zeit für Sport. Dreimal in der Woche. Da bin ich kompromisslos, auch mir selbst gegenüber. Er würde mir das nicht vorhalten, aber unterschwellig ist das schon mal zu merken, dass er das nicht ganz gerecht findet. Dafür labeln wir meinen Nebenjob eher als meine Freizeit. Einfach deshalb, weil es finanziell jetzt nicht so notwendig wäre, und ich die Zeit auch anders nutzen könnte.
Gibt es einen Wunsch, den Sie an Ihren Mann haben?
Dass er pädagogische Ratgeber liest. Das kann aber auch eine Projektion sein, denn das wünsche ich mir auch von mir. Dahinter steckt wahrscheinlich das Bedürfnis, auf Fakten basiert zu erziehen und dadurch mit weniger Streit. Einfach sagen zu können: Aber da steht das doch so!
Timo
Wie haben Sie sich kennengelernt?
Timo: Wir sind zur gleichen Schule gegangen. Auf einer gemeinsamen Klassenfahrt haben wir Kontakt geknüpft. Einen Tag nach ihrem Geburtstag habe ich ihr per Prepaid-Handy eine SMS geschrieben: Ich würde denken, wir sind jetzt zusammen?
Was finden Sie gut an ihr?
Damals war sie für mich attraktiv, aufregend, spannend. Heute hat sich das natürlich weiterentwickelt. Meine Frau ist sehr stark, sie ist diszipliniert, sie verfolgt ihre Ziele, sie definiert Werte für sich und möchte nach diesen streben und leben. Sie versucht, mich als Partner da mitzuziehen. Das ist eine hohe Charaktereigenschaft, die ich bewundere. Ich schätze ihren Humor. Ich liebe die Momente, in denen das ehrliche Lachen und die Ungezwungenheit rauskommen. Und ich mag es sehr, wenn sie sie selbst ist und die To-Dos und den Mental Load fallen lässt.
Dieses Festhalten an den To-Dos stört Sie dann auf der anderen Seite?
Nein, das stört mich nicht. Ich verbinde das eher mit einer partnerschaftlichen Sorge. Weil ich einfach glaube, dass sie sich zu viel aufhalst. Das beeinträchtigt ihre Lebensqualität. Es nervt mich, wie viel Platz das in ihrem Leben einnimmt und wie viel neuen Stress es verursacht. Wenn ich im Home-Office sitze, dann ist es mir egal, ob sie schläft oder hier rumputzt.
Ich würde mir wünschen, dass sie die Zeit für sich nutzt. Was andererseits natürlich auch übergriffig ist, weil es ja nicht meine Aufgabe ist, das für sie zu entscheiden. Vielleicht will sie ja aufräumen. Aber wenn sie gestresst ist und es zu einem Konflikt kommt, dann gebe ich der Tatsache die Schuld, dass sie sich zu viel auflädt, sich zu wenig entspannt.
Ist Ihnen eine gleichberechtigte Partnerschaft wichtig?
Das ist mir total wichtig, vor allem mit Blick auf meine Kinder. Ich möchte ein moderner, progressiver und guter Vater sein, der die in meinen Augen richtigen Werte vermittelt. Ich selbst bin in einer Familie groß geworden, in der sich die Mutter in erster Linie gekümmert hat. Diese Rollenverteilung aufrecht zu halten, finde ich falsch. Ich strebe nach Gleichberechtigung und versuche da auch aufzubrechen.
Wenn ich meinen Kindern alte Bücher vorlese, in denen nur die Mutter etwas im Haushalt macht, dann versuche ich da auch mal den Vater einzubauen, obwohl über den da gar nichts steht. Ich muss auch nicht aus Ego-Gründen Vollzeit arbeiten. Es macht mich eher stolz, wenn andere sagen: Boah, der Timo macht aber viel zu Hause und mit den Kindern.
Haben Sie Ihren Haushalt aufgeteilt? Wer erledigt wie viel?
Wir haben keine Liste. Wir folgen da eher den unterschiedlichen Interessen. Ich koche gern, gehe gern einkaufen. Das liegt also bei mir. Wäsche machen wir gleichberechtigt. Beim Aufräumen ist meine Frau agiler. Es könnte zum Beispiel sein, dass ich diese Süßigkeiten zwei Wochen hier stehen lassen würde. Einfach, weil es mich nicht stört. Für meine Frau sind dagegen freie Flächen wichtig. Und dann gehört natürlich ganz viel Planung dazu. Wann ist welcher Geburtstag? Woran müssen wir denken? Da halte ich mich oft eher raus.
Timo: „Ich mische mich ein und sage: So kann man doch nicht die Spülmaschine einräumen!“
Gibt es im Haushalt Konflikte?
Ich bin ein Freak in der Küche. Ich habe eine klare Vorstellung davon, wie die Dinge zu laufen habe, wie man kocht. Ich mische mich ein, wenn meine Frau das Ruder übernimmt, korrigiere und sage: So kann man doch nicht die Spülmaschine einräumen. Umgekehrt lasse ich manchmal meinen Kram liegen, was sie stört und ich sage: Das ist doch egal! Ich wohne doch hier!
Haben die Kinder etwas verändert in Ihrer Gleichberechtigungsroutine?
Seit der Geburt der Kinder hat sich sehr viel verändert. Schon deshalb, weil es einen anderen Fokus gibt. Vorher lebten wir in den Tag hinein. Heute sind wir verantwortlich, müssen uns kümmern. Das hat uns sensibler gemacht. Auch für Konflikte und Eigenheiten.
Wie machen Sie das mit dem Geld?
Wir haben schon früh entschieden: Das Geld, das wir haben, ist unser Geld. Als wir zusammengezogen sind, hatte meine Frau Ersparnisse, mit denen wir Möbel kaufen konnten. Ich konnte da nichts beisteuern. Heute verdiene ich deutlich mehr als sie, dementsprechend bezahle ich heute mehr Rechnungen. Aber wir rechnen das nicht durch. Die Person, die gerade Geld hat, zahlt. Das ist kein Konflikt.
Wenn überhaupt, dann entsteht der Konflikt an anderer Stelle. Beispielsweise wenn ich der Meinung bin, dass ich arbeiten muss, um unser Leben zu finanzieren. Wenn es sich für mich dann so anfühlt, als würde sie das nicht genug wertschätzen, sondern vielleicht sogar meckern, dann kann daraus ein Konflikt entstehen. Uns ist sehr bewusst, dass es nicht hilfreich ist, wenn man so unterschiedlich verdient. Wenn meine Frau den Eindruck hätte, dass ich mich über sie erhebe, weil ich mehr verdiene, dann wäre das Gift für unsere Beziehung. Deshalb sind wir sehr darauf bedacht, darüber zu sprechen und diesen Eindruck nicht entstehen zu lassen. Auch über die Fairness der Steuerklassen sprechen wir im Moment.
Gibt es eine Regelung, die ausgleicht, dass Sie weniger in die Altersvorsorge einbezahlen?
Wir haben Anlagen, in die ich einzahle. Trotzdem sind das unsere gemeinsamen Anlagen. Denn es ist unser Geld, das ich auch verdiene, weil sie nachmittags die Kinder betreut.
Wie ist das mit der Kinderbetreuung?
Meine Frau trägt unter der Woche vor allem nachmittags einen größeren Anteil der Kinderbetreuung. Schon deshalb, weil sie die Kinder von Kindergarten und Schule abholt. Ich achte aber darauf, dass ich abends dann wieder dabei bin. Ich will präsent sein. Ich würde deshalb nicht sagen, dass meine Frau deutlich mehr Zeit mit den Kindern verbringt.
Was sind Ihre Gemeinsamkeiten, wo harmonieren Sie gut?
Wir haben beide die positive Offenheit anderen Menschen gegenüber, sorgen uns um unsere Mitmenschen. Wir wissen, dass Familie wichtig ist. Die obersten Werte teilen wir. Wir harmonieren außerdem super, wenn es etwas zu organisieren gibt.
Was sind Unterschiede?
Sie wirft mir vor, ich sei ein Pessimist, während sie Optimist sei. Ich finde, ich bin rational und sie blauäugig. Ein banales Beispiel: Sie lädt alle Welt zu uns nach Hause ein und ich wende ein: Hast du mal überlegt, dass wir gar nicht genug Stühle haben? Sie hält mir dann vor, dass ich immer alles so negativ sehen würde. Insofern haben wir auch krasse Verschiedenheiten, was aber nicht schlimm ist. So können wir voneinander lernen.
Timo: „Ich wünsche mir, dass sie mehr in den Momenten lebt und nicht so getrieben ihre To-Do-Liste in der Zukunft verfolgt“
Haben Sie Freizeit? Wer hat mehr?
Ich habe unter der Woche wenn überhaupt am Abend Freizeit. Allerdings muss ich gestehen, dass auch das viel weniger geworden ist, weil ich zu viel arbeite. Auch abends, wenn die Kinder im Bett sind. Das Wochenende halte ich wenn möglich für die Kinder frei. Bei meiner Frau sieht das ähnlich aus. Wobei sie mehr Sport macht als ich. Ich würde auch gerne mehr zum Sport gehen, ins Kino, zum Essen. Mit Freunden, aber auch gerne mit meiner Frau. Das kommt derzeit aber so gut wie nie vor, weil wir keinen Babysitter oder keine Babysitterin haben. Das ist schade.
Gibt es einen Wunsch, den Sie an Ihre Frau haben?
Absolut. Ich wünsche mir, dass sie mehr in den Momenten lebt und nicht so getrieben ihre To-Do-Liste in der Zukunft verfolgt. Ich weiß, dass ihr die wichtig ist, aber das sorgt auch dafür, dass sie nicht so präsent im Moment sein kann.