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Wie es ist, Kunst zu transportierenUnterwegs mit Sarkophagen oder Skulpturen von Jeff Koons

Lesezeit 5 Minuten
Torsten Fricke (r.) und sein Kollege Besim Aksu (l.) transportieren wertvolle Kunstwerke, wie von Jeff Koons.

Torsten Fricke (r.) und sein Kollege Besim Aksu (l.) transportieren wertvolle Kunstwerke. Fricke sagt: „Ich bin immer froh, wenn alles ohne Schaden klappt.“

Torsten Fricke transportiert als Lkw-Fahrer und Kunstpacker für seine Kunden unbezahlbare Werte. In unserer Serie „Wie es ist“ erzählt er davon.

Eigentlich bin ich gelernter Zimmermann. Früher gab es allerdings auf dem Bau im Herbst und Winter nicht so viel Arbeit. Deshalb habe ich mich nach einem neuen Job umgeschaut. Ein Bekannter von mir hat bei Hasenkamp gearbeitet und meinte, ich solle dort nach Arbeit fragen. Jetzt bin ich seit fast 27 Jahren dabei.

Natürlich hat man mal Tage, an denen man flucht, weil es beispielsweise ein schwieriger Transport ist. Aber es gibt auch Tage, an denen man sehr wertvolle Kunstwerke transportiert und sich denkt : „Wenn andere wüssten, was ich gerade in den Händen halte.“ Die Abwechslung bei unserem Job ist riesig. Wir transportieren mal große Gemälde, mal Statuen, mal moderne Installationen und sind weltweit unterwegs. Unsere Arbeit unterscheidet sich von Tag zu Tag.

Art-Handler an sich ist kein Ausbildungsberuf, sondern learning by doing. Man braucht ein Gefühl dafür, was man bei seiner Arbeit in der Hand hält. Es geht nicht unbedingt darum, dass die Kunst, die wir transportieren, sehr teuer ist. Für die Kunden sind das persönliche Werte, die unbezahlbar sind - auch, wenn ein Bild auf dem Markt nur 400 Euro wert ist. Deshalb muss das Kunstwerk genauso vorsichtig behandelt werden wie jedes andere.

Natürlich gehen Dinge auch mal kaputt, mir ist das zum Glück noch nicht passiert. Für mich ist es wichtig, bei der Arbeit nicht zu viel zu rede. Ich muss konzentriert bleiben und genau überlegen, wo ich anpacke und wie ich die Kunst verpacke.

Bei Installationen ist meist der Künstler dabei

Gemälde zu verpacken, ist einfacher als eine Skulptur oder eine moderne Installation. Bei Installationen ist meist der Künstler oder ein Restaurator dabei, die uns sagen, wie die Installation aufgebaut werden muss. Es kommt auch immer darauf an, welche Oberfläche ein Objekt hat. Die Skulpturen von Jeff Koons haben ja eine Hochglanzoptik, die man anders behandeln muss als eine Holzskulptur.

Torsten Fricke und Besim Aksu laden ein großes Gemälde beim Kunden aus.

Unterwegs in Armenien, Jordanien, Katar

Wir transportieren Kunst von Privatkunden und von Museen. Manchmal sind die Stücke so wertvoll, dass wir eine Kurierbegleitung brauchen. Gerade bei Museen ist die Kunst schon verpackt, wenn wir sie abholen. Wenn nicht, dann machen wir das selbst. Unsere Firma stellt in unserer hauseigenen Schreinerei die Transportboxen her, in die die Bilder eingespannt werden. Es gibt klassische Boxen aus Holz oder festem Karton, aber auch welche, in denen ein optimales Klima für empfindliche Bilder herrscht oder Boxen, die feuerfest sind. Wir haben spezielle Kunstlager bei Hasenkamp. Darin herrscht das gleiche museale Klima wie in unseren Lkw, damit die Kunst keinen Schaden nimmt. Manche Werke lagern wir auch bei uns ein, beispielsweise, wenn sie auf einen Sammeltransport mehrere tausend Kilometer entfernt gehen.

Ich bin eigentlich weltweit unterwegs, in Armenien, Jordanien, Saudi-Arabien oder Katar. Ein besonderer Transport war die Tutanchamun-Ausstellung, da habe ich mit Kollegen in Kairo die Stücke verpackt. Für mich ist das ein Highlight, weil man mit unwiederbringlichen Gegenständen arbeitet. Die Sarkophage müssen beispielsweise sehr vorsichtig behandelt werden, weil ihr Material schon sehr spröde und porös ist und sie manchmal fast von selbst auseinanderfallen. Es ist immer eine Herausforderung, solche Gegenstände einzupacken und zu transportieren. Ich bin immer froh, wenn alles ohne Schaden klappt.

Ich habe mal aus dem Deutschen Museum in München das erste Röntgengerät nach Bonn transportiert. In München wollte keiner der Museumsmitarbeiter das Gerät anfassen, deshalb bin ich selbst in die Vitrine geklettert und habe es auseinandergebaut. In Bonn war es genauso, und ich habe das Röntgengerät auch wieder selbst zusammengebaut. Ich glaube, das hatte noch nie jemand in der Hand, seitdem es im Deutschen Museum steht. Zum Glück habe ich Fotos gemacht, als ich es abgebaut habe.

„Wenn ich Kunst sehe, frage ich mich, wie ich sie verpacken würde“

Meine Arbeit prägt mich. Wenn ich Kunst sehe, frage ich mich zuerst, wie ich das verpacken würde. Und ich freue mich, wenn ich eine Ausstellung angucken kann, die ich aufgebaut habe. Ich weiß dann, dass ich meinen Job richtig gemacht habe.

Manchmal sind wir zwei Wochen am Stück mit dem LKW unterwegs, manchmal arbeiten wir von Montag bis Freitag und sind jeden Abend zu Hause. Ich war letztens fünfeinhalb Wochen in Kairo und habe 800 Objekte verpackt, die ins Shanghai-Museum nach China gingen. Die Familie ist manchmal auch nicht so glücklich darüber, wenn man so lange weg ist. Aber ich mag die Herausforderung, mit unterschiedlichen Objekten zu arbeiten. Und ich lerne viele interessante Leute kennen, die mit der Zeit zu Bekannten werden. Manchmal komme ich in ein Museum und werde sehr herzlich begrüßt.

Dadurch, dass wir mit zwei Fahrern unterwegs sind, habe wir deutlich bessere Verdienstmöglichkeiten, weil wir die Zeit auf dem Lkw besser nutzen können. Wir dürfen aber doppelt so lange mit dem Lkw unterwegs sein, weil wir uns abwechseln können. Unser Grundgehalt ist etwa so hoch wie das anderer Fahrer. Wir bekommen aber zusätzlich alle Überstunden und Spesen angerechnet, das macht dann nochmal einen deutlichen finanziellen Unterschied im Gegensatz zu vielen anderen Speditionen, wo es nur ein fixes Gehalt gibt. Bei uns bekommen zudem beide die Stunden bezahlt, der Fahrer und der Beifahrer. Für schwere Transporte gibt es auch Zulagen.

Ein guter Kontakt zu den Kunden ist auch sehr wichtig bei uns. Gerade Privatkunden legen viel Wert auf Diskretion, welche Kunst sie besitzen. Und jeder Kunde ist anders. Manche Kunden schauen mir auf die Finger und wollen genau wissen, was ich mache. Andere lassen mich einfach in Ruhe arbeiten. Letzte Woche war ich bei einem Privatkunden in Bielefeld, das war ein älteres Ehepaar. Sie haben extra Kaffee gekocht, weil sie wussten, wann wir vorbeikommen. Eigentlich haben wir wirklich nicht viel Zeit, aber wir haben trotzdem eine Tasse mit ihnen getrunken. Die Kunden wollen ja auch immer ein bisschen von sich erzählen und wissen, wir ihre Kunst transportiert wird. Und der Kontakt zu den Kunden macht meinen Job auch wieder interessant.

Wir die gesamte europäische Speditions-Branche haben auch wir große Probleme, Nachwuchs zu finden. Wir merken das gerade jetzt im Herbst, wenn viele Museen ihre Ausstellungen wechseln. Wir könnten momentan mehr Leute beschäftigen. In den kommenden Jahren wird es herausfordernd, wenn viele von uns in Rente gehen.