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„Bedrohliche Situation“ an GrenzeSöldner offenbar vorgerückt – Polen besorgt über Wagner-Gruppe in Belarus

Lesezeit 4 Minuten
Ein Foto der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Tass zeigt den Diktator von Belarus, Alexander Lukaschenko (l.), im Gespräch mit Kremlchef Wladimir Putin. Polen spricht nach der Verlegung russischer Wagner-Truppen nach Belarus von einer „bedrohlichen Situation“.

Ein Foto der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Tass zeigt den Diktator von Belarus, Alexander Lukaschenko (l.), im Gespräch mit Kremlchef Wladimir Putin. Polen spricht nach der Verlegung russischer Wagner-Truppen nach Belarus von einer „bedrohlichen Situation“. (Archivbild)

In Polen spricht man von einer „bedrohlichen“ Lage. Ein Osteuropa-Experte warnt vor Putins Kurs.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat sich besorgt über Truppenbewegungen russischer Wagner-Söldner im benachbarten Belarus gezeigt. „Wir haben Informationen, dass mehr als hundert Söldner der Wagner-Gruppe in Richtung der Suwalki-Lücke vorgerückt sind, unweit von Grudno in Belarus“, sagte der nationalkonservative Politiker der Agentur PAP zufolge am Samstag.

Polen warnt vor Jewgeni Prigoschins Wagner-Söldner in Belarus

Damit werde die Situation an der Grenze „noch bedrohlicher“, warnte Morawiecki beim Besuch einer Rüstungsfabrik im südpolnischen Gliwice. Grudno liegt im Westen von Belarus, rund 15 Kilometer von der Grenze mit dem Nato-Mitgliedstaat Polen entfernt. Osteuropa-Experten warnen unterdessen vor einer möglichen Strategie des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Aus Angst vor Provokationen durch russische Wagner-Söldner in Belarus erwägen Polen und Litauen zudem, ihre Grenzen zu dem Nachbarland zu schließen. „Diese Überlegungen sind real. Die Möglichkeit, die Grenze zu schließen, besteht“, sagte Litauens Vize-Innenminister Arnoldas Abramavicius am Freitag vor Journalisten. Am Donnerstag hatte Polens Innenminister Mariusz Kaminski zuvor bereits von der Möglichkeit einer „vollständigen Isolierung von Belarus“ gesprochen.

Polen und Litauen erwägen Grenzschließung zu Belarus: „Vollständige Isolierung“ möglich

Bei der Suwalki-Lücke handelt es sich um einen Korridor auf polnischem und litauischem Gebiet zwischen Belarus und der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad. Im Ernstfall könnte Russland die Baltenstaaten durch dessen Einnahme vom restlichen Nato-Gebiet abschneiden.

Morawiecki sagte zudem, dass in diesem Jahr bereits 16.000 versuchte Grenzübertritte von Migranten aus Belarus festgestellt worden seien. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko und der russische Präsident Wladimir Putin wollten diese „nach Polen durchdrücken“.

Alexander Lukaschenko im Gespräch mit Wladimir Putin: Wagner will „Ausflug nach Warschau“ machen

Polen befindet sich derzeit im Wahlkampfmodus, denn im Herbst wird in dem EU-Mitgliedstaat ein neues Parlament bestimmt. Vertreter der polnischen Armee sprachen angesichts der Wagner-Söldner in Belarus von einer russischen Propagandaaktion, die Unruhe stiften solle.

Zuletzt hatten die Worte des belarussischen Diktators Alexander Lukaschenko für Aufsehen gesorgt. Bei einem Besuch in St. Petersburg erklärte Lukaschenko im Gespräch mit Kremlchef Wladimir Putin, die nun in Belarus stationierten Wagner-Kämpfer wollten einen „Ausflug nach Warschau“ machen.

Polnische Truppen an der Grenze: Wladimir Putin spricht von „gefährlichem Spiel“

Polen hatte sich bereits zuvor besorgt über den Aufenthalt der Wagner-Söldner in Nachbarland gezeigt und Truppen an die Grenze zu Belarus verlegt. Kremlchef Putin nannte diesen Schritt ein „gefährliches Spiel“, nach dieser indirekten Drohung bestellte Polen am vergangenen Wochenende schließlich den russischen Botschafter ein.

Wie real die Bedrohung durch die Wagner-Söldner in Belarus ist, ist allerdings fraglich. Nach britischen Geheimdienstinformationen verfügen die Kämpfer kaum über gepanzerte Fahrzeuge. Das geht aus dem täglichen Bericht des Verteidigungsministeriums in London zum Krieg in der Ukraine am Sonntag hervor.

Angriff auf Polen unmöglich? Wagner-Gruppe verfügt in Belarus offenbar über kaum gepanzerte Fahrzeuge

Demnach haben sich seit Mitte Juli wohl mindestens mehrere Tausend Mitglieder der russischen Söldnertruppe in einem Camp im Zentrum des Landes mit Zelten und Ausstattung zur Unterbringung von Fahrzeugen eingerichtet.

„Bilder zeigen, dass seit Mitte Juli 2023 Hunderte von Fahrzeugen an der zuvor meist leeren Einrichtung eingetroffen sind. Davon getrennte Berichte legen nahe, dass es sich bei den sichtbaren Fahrzeugen um Lastwagen und Kleinbusse handelt, mit wenigen gepanzerten Fahrzeugen“, hieß es in der Mitteilung.

Osteuropa-Experte über Wagner-Gruppe in Belarus: „Wladimir Putin bedroht die Souveränität Polens“

Es bleibe unklar, was mit dem schweren Gerät geschehen sei, das Wagner in der Ukraine verwendet habe. Wagners Fähigkeit, an schweres Gerät und Fähigkeiten wie zum Lufttransport zu gelangen, seien Schlüsselfaktoren für die künftige Kampfkraft der Truppe.

Der Osteuropa-Experte und ehemalige Direktor der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew, Sergej Sumlenny, ordnete die Geschehnisse am Sonntag in mehreren Beiträgen auf Twitter, das nun X heißt, ein. „Wladimir Putin bedroht die Souveränität Polens“, stellte Sumlenny fest.

Putins Vorgehen gegenüber Polen ähnele dem, das der Kremlchef auch vor seinem Überfall auf die Ukraine gezeigt habe, führte der Osteuropa-Experte aus. Der russische Präsident würde den belarussischen Diktator Lukaschenko gerne dafür „benutzen, um die Wirkung kühner Aussagen“ zu testen.

In den nächsten Wochen sei damit zu rechnen, dass aus Moskau weitere Drohgebärden in Richtung Polen zu hören seien, „nur um Lärm und uns Angst zu machen“, erklärte Sumlenny. Auch ein Cyberangriff auf Polen und die baltischen Staaten sei denkbar, erklärte der Osteuropa-Experte. Die Frage, ob es seiner Einschätzung nach tatsächlich zu militärischen Aktionen gegen Polen kommen könnte, beantwortete Sumlenny mit: „Ich weiß es nicht.“ (mit afp/dpa)