Pro und ContraBringt ein Alkoholverbot an Kölns Hotspots etwas?
- Stadtdirektorin Andrea Blome brachte zuletzt ein Verkaufsverbot von Alkohol an Kölns Hotspots ins Spiel.
- Der Gegenwind seitens anderer Politiker war groß.
- Claudia Lehnen findet, einschränkende Regeln könnten zeigen: Saufen überall und jederzeit ist vielleicht gar nicht normal.
- Oliver Görtz ist der Meinung, dass der Ruf nach einem temporären Alkoholverbot nur pauschalisiert und das Problem verlagert.
Köln – Als ich ein Kind war, kam jede Woche der Getränkehändler vorgefahren, der zwar auch Wasser lieferte, trotzdem nur der „Biermann“ genannt wurde. Zu Geburtstagen gab es Bowle und da durften sich auch die Grundschulcousinen die alkoholgetränkten Pfirsiche reinpfeifen. War einem Zehnjährigen flau, bekam er einen Underberg von der Oma und am Morgen vor meiner Führerscheinprüfung riet mir meine Großtante zum Schnaps – gegen die Aufregung.
Die Zeiten haben sich Gott sei Dank etwas geändert. Und dennoch ist Alkohol auch heute noch gesellschaftliche Normalität. Eine, die unbedingt zum Erwachsensein dazugehört. Oft gilt immer noch diejenige als wahlweise schwanger oder Langweilerin, die bei Geburtstagen Apfelschorle trinkt und in der Kneipe eine Limo. Menschen, die Wein ablehnen, haftet gar das Image des Kulturbanausen an.
Verkauf von Alkohol einzuschränken, ist richtig
Nun glaube ich nicht, dass die Sicherheit der Stadt gefährdet ist, weil sich Menschen nachts am Brüsseler Platz ein Bier am Büdchen kaufen können. Ich halte auch den Lärm, den sie dabei machen, in den meisten Fällen für Anwohnerinnen und Anwohner für zumutbar. Dennoch finde ich die Idee, den Verkauf von Alkohol einzuschränken, eine im Sinne einer verantwortungsvollen Gesundheitspolitik richtige.
Denn Alkohol ist eben nicht nur der coole Enthemmer bei der Party und das Kulturgut beim Sommelier. Sondern auch ein Stoff, an den jährlich etwa 74.000 Menschen in Deutschland ihr Leben verlieren, der Beziehungen und Familien zerstören kann und dessen Folgen die Volkswirtschaft nach Berechnungen des Bundesgesundheitsministeriums im Jahr rund 57 Milliarden Euro kosten.Ein allzu unkritischer Umgang mit der Tatsache, dass jeder Deutsche im Schnitt im Jahr rund zehn Liter reinen Alkohols konsumiert und wir damit im internationalen Vergleich zu den Top-Trinkern zählen, ist vor diesem Hintergrund nicht angebracht.
Flaschenweise Korn nicht jederzeit und überall verfügbar
Eine verantwortungsvolle Politik kann und darf Alkohol nicht komplett verbieten. Aber sie sollte dazu beitragen, ungeregelten Konsum als problematisch anzusehen. Und die Idee, dass nicht jeder 18-Jährige nachts am Kiosk an der Ecke flaschenweise Korn und Jägermeister von seinem Taschengeld erstehen kann, könnte gerade jungen Leuten bei der Einsicht helfen: Saufen überall und unkontrolliert ist vielleicht gar nicht cool und normal.
Bei den Zigaretten hat die Taktik der Einschränkung funktioniert. Als vor neun Jahren das Rauchen in Gaststätten komplett verboten wurde, war der Aufschrei groß. Heute ist fast jeder froh, zum Kartoffelgratin nicht noch die Marlboro riechen zu müssen. Und die Tatsache, dass Rauchen überall und unbegrenzt nicht mehr möglich ist, hat gerade bei jungen Menschen zu einer erstaunlich deutlichen Abkehr von den Kippen geführt. Innerhalb von 15 Jahren sank der Anteil der rauchenden 12- bis 17-Jährigen nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums von 27,5 auf 6,6 Prozent.
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Eine Einschränkung des Straßenalkoholverkaufs hätte übrigens noch einen netten Nebeneffekt: Er würde vielleicht den ein oder anderen wieder in die Restaurants treiben, wo Alkoholkonsum in Maßen ja sozusagen betreut und etwas hochpreisiger möglich bleiben soll. Den coronageplagten Wirten wäre mehr Kundschaft gerade sicher zu gönnen.
Claudia Lehnen, 43, Ressortleiterin Story/NRW, fragt sich eigentlich schon immer, warum Menschen Wein und Bier trinken, wo Saft doch viel leckerer schmeckt. Alkohol nimmt sie am liebsten in Form von Eierlikörtorte und Mon Chérie zu sich.
„Es wird immer Feiernde im öffentlichen Raum geben“
Betrunkene Menschen können zum Problem werden. Wenn sie torkelnd sich selbst oder andere verletzen. Wenn sie sich zu grölenden Gruppen zusammenrotten. Wenn sie randalieren und in Hauseingänge urinieren. Der Ruf nach einem temporären Alkoholverbot für Feier-Hotspot ist ebenso leicht wie reflexhaft getan. Aber er ist falsch, weil er unzulässig pauschalisiert und die Situation allenfalls verlagert, anstatt sie einzuhegen.
Die für Verbotsverfechter bittere Basis-Wahrheit lautet: Es wird immer Feiernde im öffentlichen Raum geben. Das Leben, zumal in einer Großstadt, wird sich weiter ins Freie verlagern. Und wo viele Menschen leben, werden sich viele Menschen draußen treffen, und mitunter Alkohol konsumieren. Die zeitweisen Alkoholverbote im Zuge der Corona-Restriktionen mögen das Gefühl vermittelt haben, dass sie generell Linderung bringen. Aber sie waren nur sinnvoll in der Extremsituation einer Pandemie, um das Zusammenkommen großer Menschengruppe zu verhindern. Sie halten einer Lebensrealität nach Corona nicht stand.
Die Folge wäre ein Verbotszonen-Domino
Wie immer, wenn Verbotszonen ausgewiesen werden, werden sich die Menschen andere Orte suchen. Womöglich gleich neben der Verbotszone. Den von Feiernden befreiten Bewohnern der Bannmeile stehen dann die neu bemitleidenswerten Anwohner in direkter Nachbarschaft gegenüber, die nun ebenfalls erlöst werden wollen. Die Folge wäre ein Verbotszonen-Domino, bei dem womöglich erst am Äußeren Grüngürtel kein Stein mehr fällt.
Zudem müsste das Verbot kontrolliert werden. Aber wenn Ordnungsamt und Polizei dazu ausschwärmen müssten, könnten sie genauso gut dafür sorgen, dass sich die Feiernden benehmen – ganz ohne Verbotszone. Was fraglos schwierig genug ist, aber kaum schwieriger als die Überprüfung neuer Bannmeilen plus der Befriedung neuer Partyhotspots neben den Tabuzonen.
Kioske wären die Verlierer
Dessen ungeachtet rühmt sich Köln seiner Büdchen-Kultur, die zumindest in Zonen des Alkoholverbots in einen hässlichen Verteilungskampf mit der Gastronomie gezogen würde. Denn die Kioske dort wären die Verlierer und die Kneipen die Gewinner. Zumindest, wenn ihre Gäste die Verbotsbereiche nicht plötzlich per se meiden.
Auch ist es mindestens fragwürdig, die Mehrheit der gesitteten Trinkenden wegen der Minderheit der eskalierenden Saufenden in Sippenhaft zu nehmen. Mal davon abgesehen, dass auch Verbotszonenbewohner ihr Feierabendbier dann nicht mehr vor ihrer eigenen Haustür einnehmen dürften. Und immer wieder hatten Klagen gegen solche Zonen in diversen Städten Erfolg, weil eine abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht belegt sei.
Stadtrat ist gegen die Null-Promille-Strategie
Überdies hält der Stadtrat, die politische Vertretung der Kölnerinnen und Kölner, wenig bis nichts von Trink-Restriktionen. Mit Ausnahme der CDU haben sich alle großen Fraktion deutlich gegen Stadtdirektorin Andrea Blome und ihre Null-Promille-Strategie ausgesprochen.
Natürlich darf man aggressive, lärmende Feiernde nicht gewähren lassen. Nirgends. Die Ordnungsbehörden müssen konsequent das machen, was ihre Name verheißt: Ordnung schaffen, wenn sich die Menschen in der Öffentlichkeit danebenbenehmen. Dafür gibt es bereits jetzt genug Regeln und Gesetze.
Oliver Görtz, 48, Lokalredakteur, kann in der Öffentlichkeit Kölsch konsumieren, ohne herumzubrüllen und ist davon überzeugt, dass jeder erwachsene Mensch, der Alkohol trinken möchte, das auch kann.