Der Kanzler besucht Litauen und Lettland. Die baltischen Staaten warnen seit langem, die Nato-Ostflanke müsse besser vor Putin geschützt werden. Der kündigt just während Scholz´ Reise eine Atomübung nahe der Ukraine an.
Kanzler zu Besuch im BaltikumPutins „Waffe am Kopf“ und das Schutz-Versprechen von Scholz
Die Delegation des Kanzlers bekommt als Erstes eine Einweisung, wie man den Gehörschutz richtig einsetzt. Denn gleich wird hier auf Litauens größtem Truppenübungsplatz in Pabrade aus vollen Rohren geschossen. Da darf nichts schiefgehen. Also den Propfen vorn mit Daumen und Zeigefinger zusammenkneten, Kopf in Schieflage legen und den Ohrschutz in den Gehörgang drücken – ein Bundeswehrsoldat der 10. Panzerdivision macht vor, wie das geht. Sicher ist sicher.
Wenig später rollt Olaf Scholz gemeinsam mit Litauens Präsident Gitanas Nauseda auf einem Radpanzer vom Typ Boxer an. Die Vorführung eines Gefechts mit scharfer Munition kann beginnen. Es kracht und scheppert, getarnte Fahrzeuge rasen über Sandboden. Die Bundeswehr nimmt in Litauen an der Übung „Grand Quadriga“ teil - sie ist ein deutscher Beitrag zur größten Nato-Übung seit Ende des Kalten Krieges: „Steadfast Defender“.
Scholz: Deutschland verteidigt im „Ernstfall“ Nato-Territorium
Üben für den Ernstfall - wie es einer in der Ukraine seit dem brutalen Überfall Russlands am 24. Februar 2022 ist. „Im Ernstfall wird Deutschland jeden Zentimeter des Nato-Territoriums verteidigen“, das macht Scholz auch in Pabrade wieder deutlich. Während er das sagt, kommt die Meldung, dass der russische Präsident Wladimir Putin Atomübungen nahe der ukrainischen Grenze angeordnet habe.
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Scholz wird später nach einem Treffen in Riga mit den Regierungschefinnen der drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland dazu recht nüchtern sagen: „Nukleare Waffen dürfen nicht eingesetzt werden.“ Er beruft sich dabei auch auf die entsprechende Botschaft von Chinas Staatschef Xi Jinping, dem mächtigsten Partner Putins. Die drei Ministerpräsidentinnen werden sich noch sehr viel drastischer äußern.
Litauen muss Arbeiten beschleunigen – Soldat zweifelt
Deutschland will in Litauen bis 2027 erstmals außerhalb des eigenen Territoriums eine Brigade aufbauen. Rund 5000 Soldatinnen und Soldaten samt Familien sollen dann hierher kommen. Nauseda versichert, „die bestmöglichen Bedingungen für die deutschen Soldaten zu schaffen“. Allerdings müsse es schneller vorgehen. „Wir können uns den Luxus nichts leisten, auch nur eine Sekunde zu vergeuden“, mahnt er.
Aber schafft die Bundeswehr das, schneller nach Litauen zu kommen? Nachfrage bei Soldaten. „Wir wären in neun Monaten da“, sagt ein Soldat mit höherem Dienstgrad. Er sieht das Problem eher bei Litauen. Das Gastland müsse Kasernen bauen und maßgeblich für Unterbringung, Kita- und Schulplätze sorgen. Scholz antwortet zurückhaltend: Es werde „hart gearbeitet“.
Olaf Scholz: „Ein Angriff auf Euch wäre ein Angriff auf uns alle“
Mittags fliegt er weiter in die lettische Hauptstadt Riga, wo er von Ministerpräsidentin Evika Silina empfangen wird. Auch Kaja Kallas aus Estland und Ingrida Šimonyte aus Litauen sind angereist. Scholz erklärt: „Die Sicherheitslage im Baltikum bleibt leider angespannt.“ Er betont aber: „Ein Angriff auf Euch wäre ein Angriff auf uns alle.“
Silina berichtet über das Gespräch, sie seien sich einig gewesen, die Ukraine müsse stärker und in dem Ausmaß unterstützt werden, dass sie die russische Aggression besiegen könne. Scholz zählt erwieder auf, dass Deutschland mit 28 Milliarden Euro bereits geleisteter beziehungsweise zugesagter Hilfe größter Unterstützer der Ukraine in Europa sei. Allerdings: Gemessen am Bruttoinlandsprodukt liegt Deutschland laut „Statista“ - einer deutschen Online-Plattform für Statistik - nur auf Platz zehn. Estland, Lettland und Litauen sind danach unter den ersten Fünf.
Die Sicherheit des Baltikums hänge von Entwicklung in der Ukraine ab, mahnt Šimonyte. Kallas wählt drastischere Worte: Putin halte der Ukraine die Waffe an den Kopf. Wenn er dort nicht gestoppt werde, werde das auch dem Rest Europas widerfahren. Seine Ankündigung der Atomübungen seien nicht neu. Aber: „Können wir sicher sein, dass er keine Atomwaffen einsetzt? Nein!“, warnt Kallas. Man müsse nur wissen, warum er so drohe. Die Erklärung liefert Šimonyte: Es sei eine Machtdemonstration gegenüber Ländern, die an den bevorstehenden internationalen Friedensgesprächen für die Ukraine teilnehmen wollten. Die drei baltischen Regierungschefinnen mahnen: Nicht einschüchtern lassen!