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Kommentar

Kommentar zum Wahl-Umfrage
Fünf Gründe, warum die AfD Rekordwerte erreicht

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Lesezeit 5 Minuten
Alice Weidel, Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, und Tino Chrupalla, Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, bei einer Pressekonferenz.

Alice Weidel, Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, und Tino Chrupalla, Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, bei einer Pressekonferenz. Die AfD hat im aktuell „Deutschlandtrend“ Rekordwerte erreicht.

Die AfD ist laut Deutschlandtrend mit der SPD gleichgezogen und steht jetzt bei 18 Prozentpunkten. Wie kam es dazu?

Die Partei Alternative für Deutschland hat einer neuen Umfrage zufolge mit der SPD gleichgezogen und ist zusammen mit den Sozialdemokraten damit zweitstärkste politische Kraft in Deutschland. Im neuen ARD-„Deutschlandtrend“ gewinnt die AfD zwei Prozentpunkte und würde von 18 Prozent gewählt, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Wie kam es zu diesem Aufschwung der Rechtspopulisten? Fünf Gründe.

1. Die Vernachlässigung zentraler Themen

Seit Monaten baut sich durch den Zuzug von Geflüchteten in den Kommunen eine Lage auf, die 2015/2016 mit dem Stichwort Flüchtlingskrise umrissen wurde. Die Verantwortlichen vor Ort und auch die zuständige Bundesbehörde sind im Jahr 2023 bedeutend besser organisiert, weshalb die Lage in den Städten und Gemeinden bislang nicht eskaliert ist. Kürzlich sagte ein Ministerpräsident in vertrautem Kreis: „Wir halten die Füße still, weil wir mit dem Beschreiben der dramatischen Lage nicht das Geschäft der AfD betreiben wollen.“ So weit, so ehrenhaft.

Doch wenn die Bundesregierung beim Thema Flüchtlinge Länder und Kommunen mit ihren Nöten im Regen stehen lässt, dann durchschauen auch die Bürgerinnen und Bürger, dass sie mit ihrer Furcht vor übermäßiger Zuwanderung und mangelnder Integration alleingelassen werden.

Ähnlich sieht es bei den Themen Pflege, Bildung und Digitalisierung sowie in der Frage von Wohlstandsverlust aus. Von der versprochenen Fortschrittskoalition kommt bisher kaum etwas konkret bei den Bürgerinnen und Bürgern an. Da hat die AfD ein leichtes Spiel, mit windigen Versprechungen und gezielter Hetze zu punkten.

2. Der Krieg in der Ukraine

Noch steht eine Mehrheit der Bevölkerung hinter der durchaus vorsichtigen Linie von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Ukraine mit Waffen zu unterstützen – ohne ein Kriegsgeheul anzustimmen. Zu sehen ist aber auch, dass in jenen Regionen, in denen Skepsis und Widerstand gegenüber den Waffenlieferungen an die Ukraine besonders groß ist, die AfD überdurchschnittlich hohen Zulauf hat. Das ist im Osten stärker ausgeprägt als im Westen.

Ein Kampfpanzer vom Typ Leopard II, über die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine wurde monatelang gestritten.

Ein Kampfpanzer vom Typ Leopard II, über die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine wurde monatelang gestritten.

Die AfD-Führung zeigt ihre Nähe zu Putin ganz offen – wie beispielsweise der Auftritt von Parteichef Tino Chrupalla beim Empfang der russischen Botschaft in Berlin belegt. Die Union als Oppositionspartei stützt grundsätzlich den Kurs der Ampel beim Thema Waffenlieferung – öffentlich verlangte sie sogar noch mehr Engagement der Bundesregierung für die Ukraine.

CDU/CSU können also die Gegnerinnen und Gegner der Waffenlieferungen nicht einsammeln. Die AfD profitiert nicht nur als Stimme für Russland vom Krieg. Sie kocht ihr Süppchen eben auch auf den daraus folgenden innenpolitischen Krisen wie Inflation und Energieknappheit.

3. Die Schwäche der Ampel

SPD, Grünen und Liberalen fehlt der innere Zusammenhalt und die Kraft, einmal gefundene Kompromisse und verabredete Gesetzesprojekte auch miteinander umzusetzen. Das umkämpfte Gebäudeenergiegesetz und der blockierte Haushalt, an dem weitere etliche Gesetzesvorhaben hängen, symbolisieren das Drama. Der Effekt, dass der Krieg in der Ukraine die Regierungskoalition hätte zusammenschweißen können, ist ausgeblieben. Die Machtpolitik überlagert ständig die Sachfragen. Das schwächt die Regierung insgesamt.

Einst auf einer Seite, zuletzt häufig im Streit wahrgenommen: Christian Lindner (FDP), Robert Habeck (Grüne) und Kanzler Olaf Scholz (SPD).

Einst auf einer Seite, zuletzt häufig im Streit wahrgenommen: Christian Lindner (FDP), Robert Habeck (Grüne) und Kanzler Olaf Scholz (SPD).

Zum Start der Regierung standen die Grünen stark und strahlend da, während SPD und insbesondere die Liberalen mit schwächelnden Umfragewerten und Landtagswahlergebnissen abfielen. Dass die Grünen in den Umfragewerten nun so weit nach unten gerauscht sind, liegt hauptsächlich am ständigen Chaos im Klima- und Wirtschaftsministerium von Robert Habeck.

SPD und FDP haben aber durchaus ihren Teil dazu beigetragen, dass der Vizekanzler einen solchen Ansehensverlust hinnehmen musste. Der Ampel ist der gemeinsame Spirit abhandengekommen. Wenn sich SPD, Grüne und Liberale zur Abwechslung mal gegenseitig das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen würden, stünde die Koalition schon stärker da.

4. Die Schwäche der Opposition

Wer sich von der Ampel abwendet, könnte sich ja zur Union oder zur Linkspartei orientieren. Der tief gespaltenen Linkspartei, die in der Hauptstadt woke und in den Regionen strukturkonservativ wahrgenommen wird, gelingt es schon lange nicht mehr, Proteststimmen einzusammeln. Die Union steht mit rund 30 Prozent längst nicht so gut da, wie sie es angesichts der schwachen Regierungskoalition könnte.

Friedrich Merz (r, CDU), CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, und Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef bei einer Pressekonferenz.

Friedrich Merz (r, CDU), CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, und Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef bei einer Pressekonferenz.

Oppositionsführer Friedrich Merz ist es zwar gelungen, der Partei wieder mehr Selbstbewusstsein und inneren Zusammenhalt zu geben, nach außen aber fehlt die Anziehungskraft. Bislang kann die Union nicht glaubhaft vermitteln, dass sie das Land in dieser schwierigen Lage besser führen könnte. Dass Unionspolitiker und ‑politikerinnen angesichts der steigenden Werte für die AfD nun mit dem Finger auf die Ampel zeigen und diese dafür verantwortlich machen, ist wirklich zu kurz gesprungen.

5. Die Kommunikation

Die erste Fassung des Gebäudeenergiegesetzes war nicht ausgereift und nicht an der Realität ausgerichtet, was die Verfügbarkeit von Wärmepumpen und Handwerkerleistungen angeht. Das ist bei Gesetzesvorhaben, die tatsächlich eine Wende einleiten sollen – in diesem Fall die Energiewende beim Heizen – nicht ungewöhnlich. Dass der Gesetzentwurf der „Bild“-Zeitung und der Opposition zur Kampagne dienen und das Ansehen der Grünen derart ramponieren konnte, hat auch mit einer miserablen Kommunikation zu tun.

Erst wurde der unausgereifte Gesetzentwurf aus den Reihen der Regierung durchgestochen, und dann stand im Mittelpunkt, warum der radikale Ansatz nicht funktionieren kann. Über die Notwendigkeit des Einsparens von CO₂-Emissionen hat kaum noch jemand gesprochen. Die AfD wiederum muss in einer solchen Lage nicht viel tun, dass der Ärger von Hausbesitzern und deren Angst der Überforderung zu Wasser auf ihren Mühlen wird.

Hätte die Koalition gemeinsam zu dem Projekt gestanden und öffentlich sachlich über die notwendigen Änderungen an dem Gesetzentwurf debattiert, könnten die Rechtspopulisten ihr Geschäft nicht mit dem Verweis auf abgehobene Politik aus dem Berliner Regierungsviertel betreiben. (mit mab/dpa)