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Debatte um „Belastungsgrenze“Stadt Köln gibt 213 Millionen Euro für Geflüchtete aus – und beklagt sich

Lesezeit 3 Minuten
Blick auf die Flüchtlingsunterkunft in der Südstadt.

Flüchtlingsunterkunft am Kölner Südstadion im April 2022. (Archivfoto)

Kann Köln ohne mehr Geld vom Bund keine Geflüchteten mehr aufnehmen? Stadt und Träger sind verschiedener Meinung.

Die Bundesländer klagen beim Flüchtlingsgipfel in Berlin am Mittwoch, dass eine „Belastungsgrenze“ erreicht sei. Sie fordern mehr Geld vom Bund. In Köln gibt es Sammelunterkünfte mit wenig Privatsphäre, geflüchtete Familien, die seit mehr als zehn Jahren auf eine Wohnung warten, zu wenig Fachkräfte, die Angekommene unterstützen. 60 Millionen Euro musste die Stadt Köln im vergangenen Jahr aus eigenem Budget allein für die Unterbringung von Geflüchteten aufbringen.

11.352 Geflüchteten stellt die Stadt Köln aktuell Wohnraum, darunter 3.670 Menschen aus der Ukraine – die Zahl der Unterbringungen hat sich seit Anfang 2022 fast verdoppelt.

Die Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten bindet Ressourcen, die wir kaum noch vorhalten können.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker

„Die Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten bindet Ressourcen, die wir kaum noch vorhalten können. Die Unterstützung durch Bund und Land ist unzureichend“, sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die meint, dass die Stadt Köln bei der Zuweisung von Geflüchteten zu stark beansprucht werde. „Köln kann mit der Verteilungsgerechtigkeit von Geflüchteten innerhalb Europas, innerhalb Deutschlands und auch innerhalb NRWs nicht zufrieden sein. Auch hier brauchen wir dringend politische Lösungen.“

Alles zum Thema Henriette Reker

Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats, findet die Rhetorik in der aktuellen Diskussion problematisch. „Geflüchtete Menschen stellen keine ‚Belastung‘ dar, sie benötigen Schutz, Unterstützung und rechtsstaatliche Asylverfahren“, sagt er. Dafür müssten die notwendigen Ressourcen vorhanden sein. „Das sind sie an vielen Stellen aber leider nicht.“ So fehle es vor allem in den großen Sammelunterkünften an Personal – vor allem Sprach- und Integrationsvermittlern.

Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats, im Porträt.

Claus-Ulrich Prölß.

Die aktuelle Migrationsdebatte sei „oft eine Schein-Debatte, weil finanzielle Forderungen mit Gesetzesverschärfungen im Asylrecht verknüpft werden. Die Folgen der höheren Flüchtlingszahlen werden politisch instrumentalisiert, indem sie Asylsuchenden zugeschrieben werden. Dabei sind über eine Million Geflüchtete aus der Ukraine zu uns gekommen, die aber mit dem Asylrecht nichts zu tun haben“, sagt Prölß.

213 Millionen Euro plant die Stadt Köln dieses Jahr für Geflüchtete ein

213 Millionen Euro plant die Stadt in diesem Jahr zusammengerechnet für das Thema Geflüchtete ein. Allein für die Unterbringung, Verpflegung und die sozialen Träger habe die Stadt Köln im vergangenen Jahr 60 Millionen Euro ohne Erstattung selbst tragen müssen, so Reker. Hinzu kämen kosten für Personal, Integrations- und Sprachkurse, Kitas, Schulen, Versicherungen. „Die gesellschaftliche Unterstützung für Geflüchtete ist in Köln relativ hoch“, so Reker. „Die Unterbringung unerlaubt eingereister Menschen stellt aber zunehmend eine besondere gesellschaftliche Belastungsprobe dar.“

Eine derartige Belastungsprobe könne sie nicht erkennen, sagt Susanne Rabe-Rahman, die bei der Kölner Caritas die Perspektivberatung für Geflüchtete leitet. „Ich vermute, dass Frau Reker diese Worte wählt, um mehr Geld vom Bund zu erhalten.“ Eine Belastungsgrenze sehen Caritas-Bedienstete allerdings bei der Belegung einiger Kölner Unterkünfte erreicht – zu viele auf engem Raum untergebrachte Menschen dort lösten Stress und mitunter auch Streit aus.

Porträt von Susanne Rabe-Rahman von der Caritas.

Susanne Rabe-Rahman leitet die Perspektivberatung für Geflüchtete der Caritas.

Grundsätzlich habe die Stadt gut und flexibel „auf die schwer einzuschätzenden Herausforderungen angesichts der Folgen des Ukraine-Krieges reagiert“, findet Rabe-Rahman. „Hauptstörfaktor“ ist aus ihrer Sicht „die Bürokratie und fehlende Zusammenarbeit der Behörden untereinander, die lange Bearbeitungszeit und die unterschiedliche Einstufung von Geflüchteten“. Die Beantragung einer Arbeitserlaubnis für Geduldete und Asylsuchenden dauere in Köln bis zu sechs Monaten und länger, manche Arbeitgeber hätten „angesichts der Bürokratie und Wartezeiten schon entnervt aufgegeben“.

Die Stadt sei auf Zuzug angewiesen und müsse dazu übergehen, stärker die Chancen zu betonen, die sich durch geflüchtete Menschen für die Zukunft eröffnen. Es gebe Beispiele, dass die Stadt den Zuzug von Geflüchteten ablehne, die in Köln bereits eine Ausbildungsstelle gefunden hätten – und auch von solchen, die über private Kontakte schon eine Wohnung gefunden haben. Von einer „Belastungsgrenze“ könne in solchen Fällen keine Rede sein.