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RechtsaußenparteienAuch Frauen können frauenfeindlich sein

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ARCHIV - 15.06.2024, Italien, Borgo Egnazia: Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni spricht während einer abschließenden Pressekonferenz während des G7-Gipfels. (zu dpa: «Schlagabtausch zwischen Meloni und deutschen Seenotrettern») Foto: Andrew Medichini/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni verhinderte beim G7-Gipfel ein klares Bekenntnis zum Recht auf Schwangerschaftsabbruch. (Archivbild)

Objektiv haben Frauen von rechten Kreisen nichts Gutes zu erwarten, im Gegenteil.

Dass sich etwas verändert, konnte man beim G7-Gipfel Mitte Juni sehen. Dort verhinderte ausgerechnet Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von der „postfaschistischen“ Partei Fratelli d‘Italia in der Abschlusserklärung ein klares Bekenntnis zum Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Unter den Teilnehmern war bloß noch eine andere Frau: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Alle anderen Teilnehmer waren teilweise verärgerte Männer. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bedauerte etwa, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern nicht überall Priorität genieße. Dabei gilt eigentlich als ausgemacht, dass Männer Frauenrechte beschneiden – und Frauen versuchen, das zu verhindern.

Tatsächlich ist das Verhältnis von Rechtspopulisten und -extremisten einerseits und Frauen andererseits neuerdings komplizierter, als es zuletzt den Anschein hatte. Man kann dies an verschiedenen Faktoren erkennen.

Für manche gehört Sahra Wagenknecht in die Reihe: Nähe zu AfD-Positionen?

In Italien stieg die besagte Meloni zur Regierungschefin auf, in Frankreich schielt Marine Le Pen auf das Präsidentenamt, in Deutschland ist Alice Weidel Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion und Bundessprecherin ihrer Partei. Manche finden, Sahra Wagenknecht, die Vorsitzende des gleichnamigen Bündnisses, gehöre ebenfalls in diese Reihe. Denn ihre Positionen seien denen der AfD manchmal nah. Und ihre Partei höre nur auf eine: auf Wagenknecht – die übrigens in ihrer gesamten politischen Karriere nie als Feministin in Erscheinung getreten ist.

Zu dieser Wahrnehmung passt, dass Wagenknecht AfD-Chefin Weidel im Februar ausdrücklich in Schutz nahm mit der Bemerkung, diese vertrete „keine rechtsextremen Positionen, sondern konservativ-wirtschaftsliberale“.

Wie ist dieser Wandel zu erklären?

Objektiv haben Frauen von rechten Kreisen nichts Gutes zu erwarten, im Gegenteil. Nahezu überall machen diese sich für eine Verschärfung des Abtreibungsrechts stark. Meistens halten sie an traditionellen Geschlechterrollen fest. Im Programm der AfD zur letzten Bundestagswahl hieß es, zwar sei die Gleichberechtigung von Mann und Frau „ein hohes Gut und im Grundgesetz verankert“.

Zugleich fordert die Partei aber „die Wertschätzung der Lebensleistung von Frauen, die Familien gründen und Kinder großziehen“. Frauenquoten betrachte man „dementsprechend nicht als fortschrittlich“. Sie stellten vielmehr eine Form der Diskriminierung dar und verfestigten das Bild, dass ein erfülltes und anerkanntes Leben für Frauen lediglich durch eine berufliche Karriere erreicht werden könne.

Offener Sexismus kommt hinzu

Offener Sexismus kommt hinzu. Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat und Ex-Präsident Donald Trump ist dafür berüchtigt. Sein Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance sorgte unlängst für Aufsehen, als er von „kinderlosen Katzenfrauen“ sprach. Abgeordnete der demokratischen Bundestagsfraktionen klagen über sexistische Bemerkungen der AfD.

Doch anders als in Deutschland, wo bei der Bundestagswahl 2021 zwei Drittel der AfD-Wähler männlich waren, haben 2016 rund 53 Prozent aller weißen Frauen für Trump gestimmt. Die „Süddeutsche Zeitung“ titelte damals: „Auch Frauen können frauenfeindlich sein“. In den USA gibt es bis heute zahlreiche Frauen, die glauben, dass nur ein Mann Präsident sein könne. Und laut einer Umfrage, die am Tag der Europawahlen durchgeführt wurde, stimmten mehr Frauen als Männer für Le Pens rechtsextreme Partei Rassemblement National. Kurzum: Da ist manches in Bewegung.

Der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent von der Hochschule Magdeburg-Stendal sagt mit Blick auf die Gründe, vor allem Zuwanderer würden von Rechtsaußenparteien „als Bedrohung für Frauen dargestellt“. Demnach gehe die zentrale Gefahr für Frauenrechte vom Islam aus. „Außerdem versprechen die rechten Parteien die Förderung der autochthonen Familien, was für viele, die mit den verschiedenen Herausforderungen für Familien konfrontiert sind, attraktiv sein kann“, fährt Quent fort. „Dahinter tritt die antifeministische Programmatik der Rechten in den Hintergrund und ist für viele gar nicht sichtbar oder relevant.“

Theoretische Freiheit könne im praktischen Erleben als Überforderung empfunden werden, so bei der Anforderung, Karriere und Familie unter einen Hut zu bekommen. Hier knüpften die AfD und verwandte Parteien an. Dabei idealisierten auch viele Frauen alte Rollenverständnisse. Sie sehnten sich nach vermeintlich einfacheren Zeiten.

Frauen bilden eine strategisch bedeutsame Wählergruppe

Dass Frauen in Rechtsaußenparteien plötzlich Karriere machten, habe „viel mit dem persönlichen Charisma, ihrem Hintergrund und ihren beachtlichen Leistungen zu tun“, stellt der Experte fest. „Gerade auf Grund der starken männlich-patriarchalen Prägung strahlen einzelne Führungsfrauen besonders aus.“ Strategisch seien Frauen eine bedeutende Wählerinnengruppe, und „gerade für die Männer-lastige äußerste Rechte“ sei es „wichtig, diese prominent anzusprechen und zu repräsentieren – auch um sich vor dem Vorwurf des Sexismus zu schützen“. Prominente Frauen seien eine „Bedingung zur Massenmobilisierung“.

Susanne Kaiser, Autorin des Buches „Politische Männlichkeit: Wie Incels, Fundamentalisten und Autoritäre für das Patriarchat mobilmachen“, sagt: „Frauen wählen gegen ihre Interessen rechtspopulistisch. Das kennen wir auch von anderen Wählergruppen, zum Beispiel von Menschen mit geringem Einkommen.“ Für sie stünden dann andere Themen im Vordergrund, in der Regel das Thema Migration.

Wie Quent betont Kaiser: „Rechtspopulistische Parteien brauchen weibliche Gesichter, um moderat und modern zu wirken, sonst werden sie nicht gewählt. Deshalb setzen sie gezielt auf einige wenige Frauen in Spitzenpositionen.“ Es sei „eine Zweckallianz“. Die Frauen hätten ein politisches Amt, das sie in einer anderen Partei nicht bekommen hätten, die Parteien bekämen dafür auch Stimmen von jüngeren und weiblichen Personen. „Die Politikerinnen in rechten Parteien sind also als Individuen erfolgreich mit einer Politik, die ihnen strukturell als Frauen schadet“, so die Publizistin. Allerdings hätten Meloni, Le Pen und Weidel „inzwischen so viel Macht und Gestaltungsspielraum, dass kaum noch jemand an ihnen vorbeikommt. Das ist eine interessante Entwicklung. Und es bleibt abzuwarten, ob das auch einen Einfluss auf deren Politik hat.“

Dass Frauen links oder mittig wählen, ist nicht in Stein gemeißelt

Es könnte mithin passieren, dass Frauen die Rechtsaußenparteien weniger frauenfeindlich machen.

Dass Frauen links oder mittig wählen, ist jedenfalls nicht in Stein gemeißelt. Umgekehrt stoßen auch die Rechten mit ihrem Sexismus an Grenzen, allen voran in den USA. Die Republikanerin Nikki Haley bot Trump im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur lange die Stirn. Vance gilt nicht zuletzt wegen seiner Bemerkung von den „kinderlosen Katzenfrauen“ bereits als Fehlbesetzung.

Und Trump selbst freute sich lange darüber, dass sein Konkurrent Joe Biden ein 81-jähriger, teilweise verwirrter älterer Herr war, mit dem er leichtes Spiel hatte. Nun versucht derselbe und immerhin auch schon 78 Jahre alte Trump, dem für den 10. September vereinbarten zweiten TV-Duell mit Biden-Nachfolgerin Kamala Harris aus dem Weg zu gehen. Er hat offenbar Angst, und zwar vor einer Frau.