Der Rhein ist viel mehr als ein Fluss. Er ist „heiliger Strom“ (Heinrich Heine), kulturelle Bezugsgröße und Lebensader einer ganzen Region. Wer zurzeit ans Ufer kommt, muss den Rhein auch als Sinnbild für eine lebensbedrohende Katastrophe wahrnehmen. Die anhaltende Trockenheit in Mitteleuropa samt sengender Hitze lässt den Pegelstand des Flusses sinken und sinken. An einem „Jahrhundert-Tief“ fehlen nur mehr wenige Zentimeter.
Die Extreme sind augenfällig und beklemmend. Ein gutes Jahr erst ist es her, dass die Flussbetten in der Region die Wassermassen nicht mehr fassen konnten und eine „Jahrhundert-Flut“ Tod und Zerstörung über weite Teile des Landes brachte. Und so sehr Mensch und Natur in diesen Tagen nach Regen lechzen, so sehr mischt sich in die Erwartung das Bangen, es möge doch bitte nicht wieder so schlimm werden wie damals im Juli 2021.
Abschied von der „gemäßigten Zone“
Längst haben wir uns von der Vorstellung verabschieden müssen, wir lebten klimatisch in einer „gemäßigten Zone“. Natürlich sind die Bedingungen andernorts noch unwirtlicher, die Ausschläge des Wetters größer, die Folgen verheerender. Aber dennoch: Auch wir erfahren, dass der verharmlosende Begriff vom „Wandel“ des Klimas die Dramatik der Veränderung auch nicht annähernd erfasst.
Vielleicht ist es deshalb ganz gut, einmal über das ausgetrocknete Flussbett des Rheins zu spazieren, das mit seinen Furchen und Rissen auch nicht anders aussieht als eine subsaharische Wüste. Was die schleichende, sonst so schwer fassbare Klimakrise bedeutet, kommt einem hier buchstäblich zum Greifen nahe. Die aktuellen Bilder vom Rhein sind ähnlich konkret wie die Gasrechnung in der Energiekrise oder die Krankenhausbetten-Belegung in der Pandemie.
Symbol für die Dringlichkeit der Klima-Agenda
Auch für die politisch Verantwortlichen wird der Rhein im Sommer 2022 zum Symbol für die Dringlichkeit einer Klima-Agenda auf allen Ebenen. Natürlich, kein Ratsbeschluss und kein Landesgesetz ändern etwas am Zustand des Stroms, der nur wenige Meter vom Kölner Rathaus oder vom Landtag in Düsseldorf entfernt vorbeifließt.
Aber auch hier muss jetzt umso konsequenter für den Schutz des Klimas und der Natur gearbeitet werden. Woran es unten fehlt an Bewusstsein, Tatkraft und Ideen, das setzt sich sonst allzu leicht auf den höheren Ebenen fort.
An ambitionierten Zielen festhalten
Die schwarz-grüne Regierung von Nordrhein-Westfalen, noch keine 100 Tage im Amt, konnte verständlicherweise über gute Absichten bislang kaum hinauskommen. Dem Ziel, NRW „so schnell wie möglich“ zur ersten klimaneutralen Region Europas zu machen, steht aktuell das Bemühen um die Sicherheit der Energieversorgung entgegen – mit Wiedereinstieg in den „Klimakiller“ Braunkohle-Verstromung.
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kann den Ukraine-Krieg nicht beenden, der ihm diese Dilemma-Situation beschert hat. Aber seine Regierung muss klar machen, dass sie trotz der Energiekrise am Ziel der klimaneutralen Wirtschaft in NRW festhält.
Andere Maßnahmen schneller umsetzen
Solange der CO2-Ausstoß nicht reduziert werden kann, müssen alle anderen Maßnahmen umso schneller umgesetzt werden. Dazu gehört mehr Tempo bei der Solardach-Pflicht, beim Ausbau der Elektro-Ladesäulen und der Stadt-Begrünung. Auch der Flächenverbrauch ist eine Stellschraube, an dem das Land selbst drehen kann. Der Landfraß soll zeitnah auf fünf Hektar pro Tag reduziert werden. Das ist zu wenig. Wer das Klima retten will, darf der Umwelt nicht immer weiter die Luft abdrücken.
Agieren im Kölner „Klimanotstand“
Anstrengen muss sich auch die kommunale Ebene. Im „Klimanotstand“, der in Köln kraft Ratsentscheidung schon seit 2019 besteht, hat das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt über die Symbolpolitik hinaus einiges an Gutem und Richtigem unternommen. Aber es gibt immer Beschleunigungs- und Nachholbedarf. Definitiv zum Beispiel bei der energetischen Sanierung städtischer Gebäude, der Ausrüstung mit Solaranlagen sowie der Dach- und Fassadenbegrünungen.
Klimaschutz, das sollte man wissen, ist in Deutschland keine kommunale Pflichtaufgabe. Alles, was Städte und Gemeinden tun, geschieht freiwillig – und steht damit immer unter politischem und finanziellem Vorbehalt. Es liegt daher auch an der Bewohnerschaft in Städten und Gemeinden, ihre Kommunalpolitik in die Pflicht zu nehmen beziehungsweise beim Vorrang fürs Klima zu unterstützen.